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Von der kontemplativen zur produktiven Wissenschaft Die Arbeit der Erkenntnis und die Differenzierung des Individuums in der Hochscholastik

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Das Allgemeine und das Besondere
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Zusammenfassung

Die Philosophie der Hochscholastik ist aus schweren theoretischen und politischen Konflikten entstanden. Die vielgerühmte Geschlossenheit ihrer spekulativen Konstruktionen, die in den Augen mancher Interpreten an die Bauweise gotischer Dome erinnert, ist nicht das zeitlose Produkt einer überzeitlichen geistigen Kraft. Ihre durchaus uneinheitlichen Doktrinen bezeichnen vielmehr überall Positionen in einer theoretischen Auseinandersetzung, die unter wechselnden Akzenten das gesamte 13. Jahrhundert durchzieht. In dem vielfältigen Streit um die Einheit der weltlichen und geistlichen Wissenschaft, um die Rolle der endlichen Erkenntnis und die innere Bestimmtheit der einzelnen natürlichen Dinge gelangt das Bewußtsein einer Epoche zum Ausdruck, in der es politisch um die Einrichtung eines universellen Systems von Herrschaft gegen starke partikularistische Tendenzen ging.

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Notizen

  1. Cf. hierzu: A. Luchaire, Innocent III. Les royautés du Saint-Siège, Paris 1908, sowie G. de Lagarde, La naissance de l’esprit laïque au déclin du moyen-âge, Bd. I, Bilan du XIIIe siècle, 3. Aufl. Paris 1956, bes. S. 60 ff.

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  2. Cf. E. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin 1828, S. 183 ff., sowie H. M. Schaller, »Endzeiterwartung und Antichrist-Vorstellungen in der Politik des 13. Jahrhunderts«, in: G. Wolf, Stupor mundi. Zur Geschichte Friedrichs IL von Hohenstaufen, 2. Aufl. Darmstadt 1982, S. 494 ff.

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  3. Cf. hierzu G. Wolf, »Universales Kaisertum und nationales Königtum« in: Miscellanea Mediaevelia, Bd. 5, Berlin 1968, S. 243 ff. Die Idee des corpus principum saecularium, die im Denken Friedrichs zentral steht, ist nach Wolf geradezu grundlegend für den Konziliarismus, dessen eigentliche Epoche indessen erst mit der Wendung des Bewußtseins zum Nominalismus gekommen war.

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  4. Nach neuerer Auffassung waren es weniger die Kreuzzüge als die fortwährende nachbarschaftliche Ronfrontation, welche den Handel anwachsen ließ. Die Kreuzzüge führten vielmehr zur Schwächung der Ritterschaft und zur feindseligen Rivalität unter der Gefolgschaft verschiedener Herren, welche die Nationalitäten beförderte. Cf. hierzu: J. Le Goff, La civilisation de l’occident médiéval, Paris 1984. S. 88 ff.

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  5. Die Sozialphilosophie in diesem Sinne ist geradezu eine Entdeckung des 13. Jahrhunderts. Cf. Hierzu: G. de Lagarde, La naissance de l’esprit laïque., Bd. 2: Le secteur social de la scolastique, Löwen und Paris 1956, bes. S. 11 ff.

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  6. Thomas von Aquin, s. th., I, qu. 85, a. 2, ad 2. In der sprachlogischen Tradition des 13. Jahrhunderts lebt das Interesse an den Themen Abae-lards fort. Dem modus intelligendi und dem modus essendi stehen hier die modi significandi vermittelnd gegenüber. In den Modistenschulen, die sich diesem Problem bald auch weithin unabhänging von der Metaphysik widmeten, bereitet sich die moderne Trennung von Logik und Ontologie vor, die im Positivismus des 20. Jahrhunderts sich vollendet hat. Cf. hierzu: H. Roos, Die modi significandi des Martinus de Dacia. Forschungen zur Geschichte der Sprachlogik im Mittelalter, Münster 1952.

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  7. Thomas von Aquin, Expositio super librum Boethii de Trinitate, qu. 4, a. 2 c. Thomas stützt seine Individuationslehre auf Argumente, die schon von Averroes formuliert sind. Das Theorem von den dimensiones interminatae hat er dort entlehnt. Da es hier um die spekulative Rekonstruktion der Thomasischen Gedanken zu tun ist, kann dieser geistesgeschichtliche Gesichtspunkt außer Betracht bleiben. Cf. M. D. Roland-Gosselin, Le ›De ente et essentia‹ de S. Thomas d’Aquin, Paris 1948, S. 51 ff.

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  8. Die Lehre von der distinctio formalis kann hier nur insofern berührt werden, als sie für die Scotische Wendung des Universalienproblems systematisch bedeutsam ist. Ihre kritische Richtung gegen die Thomasische distinctio realis sowie ihre Anwendung auf das Trinitätsproblem müssen an dieser Stelle außer Betracht bleiben. Cf. zu diesem Problem: F. Wetter, Die Trinitätslehre des Johannes Duns Scotus, Münster 1967.

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  9. Diese Bezeichnung hat sich seit Ernest Renans Buch Averroès et l’averroisme latin (Paris 1852) für die Gruppe von Lehrenden an der Pariser Artistenfakultät eingebürgert, die bestrebt war, die aristotelische Philosophie ohne christlich-apologetisches Interesse zu rezipieren. Die Autoren, vor allem Siger von Brabant, Boethius de Dacia und Bernier de Nivelles, haben bei ihrer Anstrengung, die weltliche Wissenschaft von der Dogmatik, aber nicht von der Metaphysik schlechthin zu emanzipieren, die Kommentare des Averroes und anderer arabischer Denker höher geschätzt als die Interpretationen der Theologen, denen es um die Vereinbarkeit des Aristoteles mit dem christlichen Glauben ging. Deshalb ist diese Strömung aber noch kein Averroismus, sondern eine in einigen Punkten besonders radikale Version der im 13. Jahrhundert ohnehin wirksamen aufklärerischen Tendenz. Ihre Vertreter artikulieren scharf die historische Erfahrung der Epoche. Wenn die Vernunft nicht notwendig an das Christentum gebunden ist, dann kommt jener gegenüber dem Glauben die höhere Objektivität zu. — Zu den philosophiehistorischen Problemen des lateinischen Averroismus cf. F. van Steenberghen, La philosophie au XIIIe siècle, Löwen und Paris 1966, S. 355 ff.

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  10. Siger von Brabant, Tractatus de anima intellectiva, ed. B. Bazán, Löwen und Paris 1972, S. 83 f.

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  11. Haben sich die lateinischen Averroisten auch gehütet, diese Ketzerei zu lehren, so unterstellte ihnen doch das Verdammungsdekret des Pariser Bischofs Tempier von 1277 diese Position, die in der Tat aus den vorliegenden Texten herzuleiten ist. Cf. hierzu R. Hissete, Enquête sur les articles condamnés à Paris le 7 mars 1277, Löwen und Paris 1977, S. 160–177 und 250–263.

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  12. Cf. hierzu: F. W. Müller, Der Rosenroman und der lateinische Averroismus des 13. Jahrhunderts, Frankfurt/M., 1947

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  13. G. de Lorris et Jean de Meun, Le Roman de la Rose, trad, par A. Lanly, Paris 1973 ff., v. 18725 ff.

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  14. Siger von Brabant, Quaestiones in tertium de anima, ed B. Bazán, Löwen und Paris 1972, S. 28. 83 L.c., S.55.

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  15. Cf. zu diesem systematisch wichtigen Punkt die Explikationen von P. Bulthaup über »Die transzendentale Einheit der Apperzeption, das System des Wissens und der Begriff gesellschaftlicher Arbeit«, in: Zur gesellschaftlichen Funktion der Naturwissenschaften, Frankfurt/M. 1973, S. 84 ff.

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  16. Roger Bacon, Opus tertium, ed. J. S. Brewer, in: Opera fratris Rogeri Baconis hactenus inedita, London 1859, S. 121.

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Mensching, G. (1992). Von der kontemplativen zur produktiven Wissenschaft Die Arbeit der Erkenntnis und die Differenzierung des Individuums in der Hochscholastik. In: Das Allgemeine und das Besondere. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03401-4_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03401-4_9

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00827-5

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