Zusammenfassung
Wenn im Titel von der »Bedeutung« von Eigennamen die Rede ist, so entspricht dies der üblichen Terminologie. Gemeint ist dabei genauer die intensionale Bedeutung, also der Sinn von Eigennamen. Die Unverzichtbarkeit des Sinnbegriffs wurde in den bisherigen Beiträgen wiederholt herausgestellt, allerdings in sehr verschiedenen Argumentationszusammenhängen, einerseits gerichtet gegen die Auflösung dieses Begriffs durch einen antimethodischen Dekonstruktivismus, andererseits gegen die Ausklammerung durch einen methodischen Extensionalismus. Die beiden »Sinn«-Gegner lassen sich nämlich von geradezu konträren Motiven leiten. Ist dem Extensionalisten der Sinnbegriff zu diffus, versucht der Dekonstruktivist ihn weiter zu diffundieren. Will der Dekonstruktivist ihn von innen auflösen, um den Einschränkungen zu entgehen, die ihm sonst auferlegt würden, ist dem Extensionalisten der Begriff nicht eingeschränkt (bestimmt) genug, um einer wissenschaftlichen Verwendung zugeführt werden zu können.1 Unsere Überlegungen stehen im Gegensatz zu beiden Extremen. Beim vorliegenden Thema haben wir es nur mit dem Extensionalismus zu tun. Die Frage nach der Bedeutung (dem Sinn) von Eigennamen darf dabei als Testfall insbesondere für einen universellen Intensionalismus angesehen werden, der Intensionen nicht nur den üblichen deskriptiven Ausdrücken (wie Sätzen, Prädikaten und Kennzeichnungen) zubilligt, sondern auch Eigennamen.
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Literatur
L. Landgrebe, Nennfunktion und Wortbedeutung. Eine Studie über Martys Sprachphilosophie, Halle 1934, § 16. —
A. Marty, Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie, Halle 1908, insb. S. 438f.
S. Kripke, Naming and Necessity, Oxford 1980. Seitenangaben nach der dt. Ausgabe: Name und Notwendigkeit, Frankfurt a. M. 1981.
Ob Kripke die von ihm kritisierten Autoren richtig wiedergibt, bleibt hier außer acht, mögen auch berechtigte Zweifel, insbesondere im Falle Freges, bestehen. Festzustellen ist, daß auch Kripkes »Gewährsmann«, J. S. Mill, dem gängigen Bild gar nicht entspricht. Zwar sagt er, daß ein Eigenname »nur ein bedeutungsloses (unmeaning) Zeichen« sei, fügt aber hinzu, daß wir es »in unserem Geiste mit der Vorstellung (idea) des Gegenstandes verknüpfen, damit wir, sobald das Zeichen unserem Auge begegnet oder in unseren Gedanken auftaucht, an den individuellen Gegenstand denken mögen« (A System of Logic, Buch I, Kap. II, § 5, dt. zit. nach U. Wolf (ed.), Eigennamen, Frankfurt a. M. 1985, S. 56 f.). Mit anderen Worten, auch Mill verlangt eine inhaltliche Vermittlung zwischen dem Namen und seinem Gegenstand, nur daß diese nicht semantischer, sondern psychischer Natur ist. In der Fortsetzung der zitierten Stelle spricht Mill dann davon, daß der Gebrauch eines Eigennamens es uns ermöglicht, »zu wissen, daß, was wir in irgend einem Satze, in dem er als Subjekt erscheint, ausgesagt finden, von dem individuellen Dinge ausgesagt wird, mit dem wir vorher bekannt (acquainted) waren«. Diese Bekanntschaft ist aber nichts anderes als eine (wahrgenommene) »Art des Gegebenseins« im Sinne Freges (vgl. den Schluß dieses Beitrages). Es scheint, daß man Mills Position eher als eine psychologistische Variante der Beschreibungstheorie der Eigennamen zu verstehen hat denn als Vorläuferin der Kripkeschen Auffassung. Searle hätte durch Mill also eine zusätzliche Bestätigung seiner Auffassung erfahren können, daß es einer inhaltlichen Verbindung bedürfe, zumal die zitierten Stellen bestens zu seiner späteren intentionalistischen Modifikation der Beschreibungstheorie passen. Er wiederholt jedoch nur die übliche Einschätzung. Vgl. Intentionality. An Essay in the Philosophy of Mind, Cambridge u.a. 1983, dt. Intentionalität, Frankfurt a. M. 1987, S. 301.
H. Ammann, Die menschliche Rede. Sprachphilosophische Untersuchungen I, Lahr 1925, S. 67.
Marty erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Auffassung, die Bedeutung eines Eigennamens gleichzusetzen mit der entsprechenden Vorstellung des Sogenanntseins. Es sei hier angemerkt, daß Marty (S. 439, Anm. 2), Landgrebe (S. 87) und Kripke (S. 82ff.) diese Auffassung ungeachtet gewisser Nuancen übereinstimmend zurückweisen. Nach Marty (S. 509) könne die Vorstellung des Sogenanntseins für das Verständnis eines Eigennamens zwar eine Rolle spielen, es aber nicht »voll begründen«. Diese Vorstellung sei nur eine allgemeine Vorstellung, »während die Bedeutung [eines Eigennamens] bald diese bald jene individuelle ist, und daß man auf sie verfalle, hängt mit von den besonderen Umständen ab«. Ausgehend von Marty wird diese Vorstellung von O. Funke zur Definition des Begriffs des Eigennamens herangezogen. Ansonsten schließt auch er sich der Martyschen Auffassung an: »Die durch einen Eigennamen bedeutete Individualvorstellung kann relativ reicher oder ärmer sein, niemals aber kann sie den totalen Begriff des Individuums erschöpfen — das läge jenseits unserer Erkenntnisgrenzen -; noch kann eine solche Bedeutung vollständig fehlen, sofern wir überhaupt bei solcher Namennennung im Gespräch etwas vorstellen.« (O. Funke, Zur Definition des Begriffes ›Eigenname‹, in: W. Keller (ed.), Probleme der englischen Sprache und Kultur. Festschrift Johannes Hoops, Heidelberg 1925, S. 72–79, dort S. 78).
Dies scheint auch die Position Husserls in seinen »Logischen Untersuchungen« IV, § 3 zu sein. Vgl. K. Mulligan/B. Smith, A Husserlian Theory of Indexicality, Grazer Philosophische Studien 28 (1986), S. 133–163. In VI, § 5 gesteht Husserl zu, daß wir den adäquaten Gebrauch von Eigennamen durch Kennzeichnungen lernen können, z.B. durch die Angabe »Die Hauptstadt Spaniens heißt Madrid«; aber er leugnet, daß wir so zu der »Eigenbedeutung« von Eigennamen kommen. Hier scheint Husserl eher die Position zu vertreten, daß Kennzeichnungen zwar die Bedeutung von Eigennamen erklären helfen, aber nicht deren Bedeutung ausmachen. Dagegen machen sie nach Marty sehr wohl die Bedeutung aus, aber diese Bedeutung kann von Kontext zu Kontext verschieden sein. Letztere Version versuche ich hier plausibel zu machen.
Vgl. später J. R. Searle, Proper Names, Mind 67 (1958), S. 166–173; ferner ders., Speech Acts, Cambridge 1969, Kap. 7.2, wo Searle (S. 172) davon spricht, daß Eigennamen als Nägel fungieren, an denen Kennzeichnungen aufgehängt werden. Diese treffliche Metapher weiter ausführend müßte man allerdings hinzufügen, daß es hier (umgekehrt) die »Gewichte« sind, die den Nägeln erst ihren sicheren Halt in der Wand geben.
Vgl. Verf. Einleitung zu R. H. Lotze, Logik. Drittes Buch. Vom Erkennen, Hamburg 1989, S. XIV ff.
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Gabriel, G. (1991). Die Bedeutung von Eigennamen. In: Zwischen Logik und Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03391-8_10
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