Zusammenfassung
Der Begriff ›Kultur‹ hat gegenwärtig Konjunktur in der Literaturwissenschaft und in verwandten Fächern; seit einiger Zeit gibt es eine Reihe von Forschungsaktivitäten, die ›kulturwissenschaftlich‹ genannt werden. [1] Diese Entwicklung hat vielfältige Ursachen. Zu ihnen gehören etwa die Probleme, die sich den sozialwissenschaftlich orientierten Konzeptionen bei den Bemühungen stellten, die Verknüpfungen zwischen literarischen und sozialen Gegebenheiten angemessen zu fassen — den Bereich der Vermittlungen also, der gemeinhin ›Kultur‹ genannt wird. Die seit einiger Zeit stärker rezipierte Mentalitätsforschung ist eine Herausforderung, Literatur im Zusammenhang langfristiger ›kultureller‹ Prozesse zu untersuchen. Mit der voranschreitenden Entwicklung der neuen Medien und Kommunikationsmittel und der Ausbildung entsprechender wissenschaftlicher Disziplinen werden der überkommene Literaturbegriff und die von ihm abgeleiteten literaturwissenschaftlichen Arbeitsweisen und Fragestellungen noch problematischer, als dies ohnehin seit längerem der Fall ist. Die feministischen Ansätze in den Geistes- und Sozialwissenschaften stellen tiefsitzende, scheinbar selbstverständliche ›kulturelle Muster‹ nicht nur des geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens, sondern auch des wissenschaftlichen Handelns und der literarischen Rede grundsätzlich in Frage. In der Wirkung vergleichbar ist die unter dem Stichwort ›Postmoderne‹ geführte Diskussion; auch in ihr werden ›kulturelle‹ Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt, die entweder explizit zur Begründung literaturwissenschaftlichen Arbeitens dienen oder als ›stille Annahmen‹ in sie eingehen.
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Literatur
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Wild, R. (1992). Literaturgeschichte — Kulturgeschichte — Zivilisationsgeschichte. In: Danneberg, L., Vollhardt, F., Böhme, H., Schönert, J. (eds) Vom Umgang mit Literatur und Literaturgeschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03386-4_15
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