Zusammenfassung
Sprechen ist eine Form des Handelns. Durch die Art und Weise des Sprechens verhält man sich zu sich und damit zu seiner Existenz. Unter den zeitgenössischen Autoren deutschsprachiger Literatur hat dies niemand mit größerer Eindringlichkeit deutlich gemacht als Thomas Bernhard. Alle seine Figuren leiden an einer sogenannten ›Todeskrankheit‹: an einer individuell unterschiedlichen, aber unvermeidlichen Verzweiflung am Dasein. Im Akt des Äußerns offenbart sich, welcher Art diese Todeskrankheit ist, ob der Redende überhaupt von seiner Todeskrankheit weiß, ob er sie als Scherz deklariert, ob er seinem Schicksal trotzt oder aber resigniert. Jedes sprachliche Gebilde impliziert eine Rolle desjenigen, der da spricht, denkt oder schreibt. Diese Rolle läßt sich nicht allein durch ein entsprechendes performatives Verbum wie ›versprechen‹, ›behaupten‹ oder ›fragen‹ zureichend identifizieren. Der Handlungsaspekt umfaßt mehr als die in linguistischen Sprechakttheorien üblicherweise klassifizierten illokutionären Akte oder Rollen, nämlich auch den Aspekt der Selbstinszenierung des Sprechers. Der Charakter dieser sprachlichen Selbstinszenierung wird vor allem durch das verwendete Vokabular, den zugrundegelegten Werthorizont, die eingenommene Haltung zum Redegegenstand und durch die Wahl der rhetorischen Mittel und Figuren bestimmt. Dieser Aspekt selbstbezüglichen Handelns bleibt immer zu einem gewissen Grade unbewußt.
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Klug, C. (1991). Einleitung. In: Thomas Bernhards Theaterstücke. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03378-9_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03378-9_1
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00780-3
Online ISBN: 978-3-476-03378-9
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