Plädoyer gegen Toleranz

Zusammenfassung

Die Toleranz ist ein Begriff, der heute fast selbstverständlich akzeptiert wird, der vor zwei Jahrzehnten aber in Deutschland heftig umstritten war. Einen Dissens hätte es darüber freilich nie geben können, verstünde man darunter immer noch, wie zu Beginn seiner Karriere, fast nur die Duldsamkeit in Glaubensfragen. Solange dieser Begriff nicht wesentlich mehr meinte, genügte als Kritik Kants Bedenken, es sei eine Anmaßung, sich einer Haltung als Tugend zu rühmen, zu der man doch sowieso verpflichtet sei. Im modernen Sprachgebrauch versteht man aber unter Toleranz mehr und anderes als bloße Duldsamkeit hinsichtlich religiöser Überzeugungen. Die Toleranz ist erwachsen geworden, meint nicht mehr nur Duldung, sondern Anerkennung von Andersartigkeit und besetzt mit diesem Anspruch mittlerweile alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens. Sie ist damit zur tragenden Tugend der modernen Demokratie geworden, zur sozialen und sittlichen Grundlage des heutigen pluralistischen Staates. Sobald dieser fragwürdig wurde, mußte auch die Kritik an der Toleranz grundsätzlicher werden.