Zusammenfassung
Wer heute sich dem Theater der Antike mit mehr als nur historischem Interesse zuwendet, wird dessen spezifische Diskursform nicht erörtern können und wollen, ohne jene Entwicklung der Theaterkunst in Europa zu reflektieren, die nach Jahrhunderten praktisch ungebrochener Geltung eines literarischen und genauer: dramatischen Theatermodells in der Moderne zu nicht-dramatischen und nicht-literarischen Spielformen geführt hat. Mimesis von Handlung, für Aristoteles noch selbstverständliche Grundbestimmung und Kern des Theaters, ging mehr und mehr an Film und Fernsehen über. Das Theater des 20. Jahrhunderts besann sich dagegen auf seine Theatralität, entwik-kelte in surrealen und alogischen Szenenfolgen, in performance, Aktionskunst, Tanztheater und happening eine ganze Fülle von Varianten eines neuen Theaterbegriffs jenseits des Konzepts der mise-en-scène von Fabel und Text. Narration in dramatischer Gestalt kann nicht mehr als Norm gelten, das essentiell Szenische und Theatralische bedarf angesichts seiner faktischen Autonomisierung einer Analyse, die Theater nicht mehr mit Hegel als »äußere Exekution des dramatischen Kunstwerks« betrachtet. Doch Traditionen, insbesondere derart ehrwürdige und alteingesessene wie die dramatische Charakteristik des Theaters, sind hartnäckig und kehren auch nach der gewonnenen Einsicht in ihre Unzulänglichkeit immer wieder.
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Lehmann, HT. (1991). Mythos und Theater heute — einige Vorbemerkungen. In: Theater und Mythos. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03358-1_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03358-1_1
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00754-4
Online ISBN: 978-3-476-03358-1
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