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Kreativitätstests Heinrich von Kleist und die moderne Kreativitätspsychologie

Zur Ideengeschichte der Kreativität zwischen Goethezeit und Gegenwart I: Heuristik

  • Chapter
Das Geheimnis des Schöpferischen oder: Ingenium est ineffabile?

Zusammenfassung

1805/6 schreibt Heinrich von Kleist einen kleinen Aufsatz mit dem einprägsamen Titel Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken heim Reden.1 Der generative Kern seiner Überlegungen ist ein französisches Sprichwort:

Der Franzose sagt, l’appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l’idée vient en parlant. (SW 2, S. 319)

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Notizen

  1. In: Kleist, Heinrich von, 61977: Sämtliche Werke und Briefe. 2 Bde. Hg. von Helmut Sembdner. München, Bd. 2, S. 319–324. Zitatbelege nach dieser Ausgabe werden im folgenden mit der Sigle SW abgekürzt. Zur Datierung des Aufsatzes vgl. Sembdners Kommentar SW 2, S. 925.

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  2. Vgl. z.B. Lehmann, Günther K., 1966: Phantasie und künstlerische Arbeit. Betrachtungen zur poetischen Phantasie. Berlin und Weimar, S. 222, der aus dem Kleistschen Aufsatz den folgenden einfachen Schluß zieht: »Erst dem malenden, komponierenden und schreibenden Künstler kommen die Einfälle; das Suchen, Erfinden und Improvisieren treibt sie hervor.«

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  3. Verläßt man sich auf die bibliographischen Angaben des jüngst erschienenen Realienbandes von Wichmann, Thomas, 1988: Heinrich von Kleist. Stuttgart, so fehlt bis heute eine Einzelstudie zu Kleists Aufsatz. Zu leisten wäre vor allem seine ideengeschichtliche Einordnung in den Kontext goethezeitlicher Geniekonzepte.

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  4. Die folgende Interpretation knüpft an die zutreffende, von Kreutzer jedoch nicht weiter ausgeführte Behauptung an, daß Kleists Form der Erkenntnisgewinnung hier die der »empirischen Denkpsychologie« sei — vgl. Kreutzer, Hans Joachim, 1968: Die dichterische Entwicklung Heinrichs von Kleist. Untersuchungen zu seinen Briefen und zu Chronologie und Aufbau seiner Werke. Berlin, S. 205. Kleists »Erfahrungssätze« sollen anschließend mit denen der modernen Kreativitätspsychologie verglichen werden.

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  5. Fink, Gonthier-Louis, 1988/89: Das Motiv der Rebellion in Kleists Werk im Spannungsfeld der Französischen Revoluotion und der Napoleonischen Kriege. In: Kleist-Jahrbuc. 1988/89, S. 64–88, hat wegen der Ableitung der französischen Revolution aus einem »Zufall« auf Kleists Zugehörigkeit zum »konservativen Lager« geschlossen, »das ebenfalls jede politische und wirtschaftliche Motivation der Revolution übersah, denn damit wurde zugleich die Notwendigkeit von Reformen geleugnet.« (S. 69) Fink interpretiert damit ex negativo. Ihn interessiert, was Kleist nicht beschrieben hat.

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  6. Vgl. z.B die Kommentare Tiecks und Bülows in Sembdner, Helmut (Hg.), 1984: Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Frankfurt/M., S. 28.

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  7. Vgl. die Erläuterung des Kleist-Zitats in Grimm, Jakob und Wilhelm, 1984: Deutsches Wörterbuch. 33 Bde. München, Bd. 17, Sp. 937.

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  8. Benjamin, Walter, 1980 (1931): Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft. In: Gesammelte Schriften. Bd. III, S. 283–290, hier S. 290.

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  9. Die Standardtitel der psychoanalytischen und psychologischen Kreativitätsforschung werden bei ihrer Besprechung zitiert. Die folgenden Lektüreangaben sind als eine Ergänzung gedacht, um das Spektrum der interdisziplinären Kreativitätsforschung anzudeuten. Zur Soziologie vgl. Floßdorf, Bernhard, 1978: Kreativität. Bruchstücke einer Soziologie des Subjekts. Frankfurt/M.

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  10. zur anwendungsbezogenen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung vgl. Lohmeier, Fritz, 1985: Bisoziative Ideenerfindung. Erforschung und Technisierung kreativer Prozesse. Frankfurt/M., Bern, New York, Nancy; zum Vergleich von natürlicher und künstlicher Kreativität mit Hilfe kybernetischer Modelle vgl. Reitman, W. R., 1965: Cognition and Thought. New York; zur neurobiologischen Forschung cf. u.a. Bogen, J. E. & B. M., 1969: The Other Side of the Brain: III. The Corpus Callosum and Creativity. In: Bulletin of the Eos Angeles Neurological Societie. 34, S. 191–217; zur Erforschung der wissenschaftlichen Kreativität vgl. Fleck, Ludwik, 1980 (1935): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Eehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung hg. von Eothar Schäfer und Thomas Schnelle. Frankfurt/M.; außerdem Wertheimer, Max, 21964 (engl. 1945): Produktives Denken (Productive Thinking). Frankfurt/M.; sowie Kuhn, Thomas, 21976 (engl. 1962): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (The Structure of Scientific Revolutions). Frankfurt/M.

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  11. Musil, Robert, 1978 (1930): Der Mann ohne Eigenschaften. Roman. In: Gesammelte Werke in neun Bänden. Hg. von Adolf Frisé. Reinbek bei Hamburg, Bd. 1, S. 45.

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  12. Vgl. u.a. Guilford, Joy Paul, 1950: Creativity. In: American Psychologis. 5, S. 444–454

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  13. ders., 1956: The Structure of Intellect. In: Psychological Bulleti. 53, S. 267–293; sowie ders. & Hoepfner, Ralf, 1971: The Analysis of Intelligence. New York. Der letztgenannte Titel faßt Guilfords Kreativitätsforschung der fünfziger und sechziger Jahre zusammen. Der Sammelband von Ulmann, 1973, verzeichnet die ins Deutsche übersetzten Arbeiten und dokumentiert u.a. den Vortrag von 1950.

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  14. In der Fortführung wie Kritik des Guilfordschen Ansatzes ist vor allem darüber diskutiert worden, ob sich Kreativität überhaupt unabhängig von allgemeiner Intelligenz bestimmen und messen läßt, obwohl eine solche strikte Trennung von Guilford selbst nicht beabsichtigt worden war. Der Faktor der Ideenflüssigkeit blieb schließlich als einzige unabhängige Variable übrig. Vgl. Erb, Birgit, 1982: Kritische Untersuchungen zum Konzept der assoziativen Kreativität. Darmstadt: Typoskript der Dissertation.

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  15. Das eigentliche Problem der Guilfordschen Testbatterie ist, daß die Operationen divergenten Denkens wie unabhängige Variablen und die beliebigen Denkinhalte, auf die sich die Operationen beziehen, wie abhängige Variablen behandelt werden. Die Umkehrung des Verfahrens wäre im Fall der literarischen Kreativität ebenso einleuchtend, weil hier die Denkprozesse durch Gattungsformen und thematische Widerstände wesentlich geregelt werden. Marxistische Psychologen, die von vornherein annehmen, daß die Art der Tätigkeit die Persönlichkeit formt, trennen so wirtschaftliches, technisches und künstlerisches Schöpfertum voneinander. Vgl. u. a. Rubinstein, Sergej Leonidowisch, 61968 (1946): Grundlagen der allgemeinen Psychologie. Berlin/DDR, S. 706ff.; abgedruckt auch in Ulmann, 1973, S. 196ff.

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  16. Vgl. Barron, Frank, 1967: The Psychology of Creative Writers. In: ders. (Hg.): Explorations in Creativity. New York, S. 69–74; eine dt. Übers. findet sich in Schmidt, Siegfried J./Zobel, Reinhard, 1983: Empirische Untersuchungen zu Persönlichkeitsvariablen von Literaturproduzenten. Braunschweig, Wiesbaden, S. 142–150.

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  17. Vgl. Marcuse, Herbert, 171982 (engl. 1964): Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. (The One-Dimensional Man. Studies in the Ideology of Advanced Industrial Society). Darmstadt, Neuwied; sowie ders., 41978 (engl. 1969): Versuch über die Befreiung (An Essay on Liberation). Frankfurt/M.

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  18. Vgl. Bürger, Peter, 31981 (1974): Theorie der Avantgarde. Frankfurt/M., S. 35ff., dem völlig zuzustimmen ist, daß der antiauratische Charakter der Kunstproduktion wie -rezeption in der Avantgarde Resultat ihres ästhetischen Programms sei und nicht die Folge der Veränderung künstlerischer Produktivkräfte, wie Walter Benjamin es in seinem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkei. behauptet. Benjamins materialistischer Erklärung gibt erst die aktuelle Kunstentwicklung recht.

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  19. Vgl. für die TV-Produktion Moosleitner, Peter, 1987: Der Computer denkt sich eine neue Folge von »Dallas« aus. In: P. M. Computerhef. März/April 1987, S. 16–20; und für die literarische Produktion Ryan, Marie-Laure, 1988: The Heuristics of Automatic Story Generation. In: poetic. 17/3–4.

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Blamberger, G. (1991). Kreativitätstests Heinrich von Kleist und die moderne Kreativitätspsychologie. In: Das Geheimnis des Schöpferischen oder: Ingenium est ineffabile?. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03349-9_2

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