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Utopie als Antwort auf Geschichte. Zur Typologie literarischer Utopien in der Neuzeit

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Zusammenfassung

Eine Geschichte der literarischen Utopie gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Gattungsgeschichtsschreibung. Zwar gibt es grundlegende Bücher und wichtige Abhandlungen einerseits zur Geschichte des Utopischen und über das utopische Denken1 und andererseits über utopische Erzählungen2 — aber eine umfassende Geschichte der literarischen Utopie als Gattungsgeschichte liegt bisher nicht vor3. Das mag sowohl mit der Heterogenität der utopischen Texte und der schwierigen Abgrenzung zwischen »literarischer Utopie« und »Literatur« zusammenhängen als auch mit der Assoziationsfülle des Begriffs »Utopie«. Zudem bleibt jedem Utopiegeschichtsschreiber die Diskussion und Darlegung des komplizierten Spannungsverhältnisses von »Utopie« und »dem Utopischen« aufgegeben. Daß von dieser Dichotomie her auch die jüngste Utopieforschung zu einem Entweder-Oder neigt — sich also entweder auf die literarischen Aspekte der Utopie konzentriert4 oder eine Geschichte der Utopie als Geschichte des Utopischen favorisiert5, bestätigt diesen Sachverhalt6.

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Literatur

  1. Vgl. vor allem Karl Mannheim, Ideologie und Utopie (1928/29), Frankfurt a. M. 41965; Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, 3 Bde., Frankfurt a. M. 41977; Frank Manuel/Fritzi Manuel, Utopian Thought in the Western World, Cambridge (Mass.) 21980.

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  2. Vgl. vor allem Raymond Trousson, Voyages aux pays de nullepart. Histoire littéraires de la pensée utopique, Brüssel 21979 und Ludwig Stockinger, Ficta res publica. Gattungsgeschichtliche Untersuchungen zur utopischen Erzählung in der deutschen Literatur des frühen 18. Jahrhunderts, Tübingen 1981.

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  5. Vgl. Burghart Schmidt, Kritik der reinen Utopie. Eine sozialphilosophische Untersuchung, Stuttgart 1988 und Heinz-Gerd Schmitz, Wie kann man sagen, was nicht ist? Zur Logik des Utopischen, Würzburg 1989.

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  8. Vgl. Wilhelm Voßkamp, Literaturgeschichte als Funktionsgeschichte der Literatur (am Beispiel der frühneuzeitlichen Utopie), in: Literatur und Sprache im historischen Prozeß. Hrsg. v. Thomas Cramer. Bd. 1: Literatur, Tübingen 1983, S. 32–54.

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  9. Folgende Ausgaben werden zugrunde gelegt: Thomas Morus, Utopia, in: Der utopische Staat. Hrsg. v. Klaus J. Heinisch, Reinbek 1960, S. 7–110; Louis-Sébastien Mercier, L’An 2440. Rêve, s’il en fut jamais. Edition, introduction et notes par Raymond Trousson, Bordeaux 1971; Jewgenij Samjatin, Wir. Aus dem Russischen übertragen von Gisela Drohla. Nachwort von Ilmar Rakusa, Zürich 1977.

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  10. Vgl. Lars Gustafsson, Negation als Spiegel. Utopie aus epistemologischer Sicht, in: Utopieforschung, Bd. 1, S. 280–292.

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  16. Ludwig Stockinger, Überlegungen zur Funktion der utopischen Erzählung in der frühen Neuzeit, in: Utopieforschung, Bd. 2, S. 229–248.

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  18. Ebd., S. 62 f.

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  19. Vgl. Wilhelm Voßkamp, »Fortschreitende Vollkommenheit«. (Der Übergang von der Raum- zur Zeitutopie im 18. Jahrhundert), in: 1984 und danach. Utopie. Realität. Perspektiven. Hrsg. v. Erhard R. Wiehn, Konstanz 1984, S. 89 ff., auch zum folgenden. Dem Übergang von der »perfection« zu »perfectibilité« ist eine Subjektivierung und Privatisierung der Utopiemodelle vorausgegangen, wie sie seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Reiseromanen von Samual Gott (»Novae Solymae Libre Sex«), Denis Veiras (»Histoire des Sévarambes«) und Gabriel de Foigny (»La terre australe«) ablesbar ist. Vgl. dazu jetzt auch Wolfgang Braungart, Die Kunst der Utopie.

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  20. Vgl. vor allem die Beiträge: Vergangene Zukunft der Frühen Neuzeit; »Erfahrungsraum« und »Erwartungshorizont« — Zwei historische Kategorien, in: Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1979, S. 17–37; S. 349–375, und: Die Verzeitlichung der Utopie, in: Utopieforschung, Bd. 3, S. 1–14.

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  21. Daß diese Vorstellung eines möglichen Fortschritts und der Glaube an Möglichkeiten künftiger Realisierung mit der Säkularisierung jüdischer und christlicher Eschatologie zusammenhängt, sei hier nur angemerkt. Ernst Bloch hat in seiner utopiegeschichtlichen Darstellung hieran angeknüpft und der Ordnungsutopie die (im Sinne Blochs) revolutionär gesinnte eschatologische und revolutionäre Zeitutopie gegenübergestellt (vgl. »Das Prinzip Hoffnung«, IV. Teil: »Grundrisse einer besseren Welt«; dazu Wilhelm Voßkamp, »Grundrisse einer besseren Welt«. Messianismus und Geschichte der Utopie bei Ernst Bloch, in: Juden in der deutschen Literatur. Hrsg. v. Stéphane Moses und Albrecht Schöne, Frankfurt a. M. 1986, S. 316–329.

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  22. Vgl. dazu vor allem Jürgen Fohrmann, Utopie und Untergang. L. S. Merciers »L’An 2440« (1770), in: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Klaus L. Berghahn/Hans Ulrich Seeber, Königstein/Ts. 1983, S. 105–124.

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  25. Vgl. Herbert Jaumann, Nachwort zur deutschen Übersetzung von Louis-Sébastien Mercier: Das Jahr 2440. Ein Traum aller Träume. Deutsch von Christian Felix Weiße (1772). Hrsg. mit Erläuterungen und einem Nachwort versehen von Herbert Jaumann, Frankfurt a. M. 1982, S. 316–334.

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  26. Vgl. Wilhelm Voßkamp, »Fortschreitende Vollkommenheit«, S. 95.

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  27. Vgl. vor allem Karl Mannheim und Ernst Bloch.

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  28. Jewgenij Samjatin, Wir, S. 226; vgl. auch die im Nachwort wiedergegebene Passage aus einem Essay »Über die Literatur, Revolution…« von Samjatin: »Die Revolution ist überall, in allem; sie ist unendlich, es gibt keine letzte Revolution, keine letzte Zahl. Die Revolution der Gesellschaft ist nur eine aus ihrer unendlichen Zahlenreihe: Das Gesetz der Revolution ist kein gesellschaftliches, es ist unendlich mehr, es ist ein kosmisches universales Gesetz.« (S. 318).

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  29. Vgl. Hans Günther, Utopie nach der Revolution (Utopie und Utopiekritik in Russland nach 1917), in: Utopieforschung, Bd. 3, S. 385.

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  30. Edward Bellamy, Looking Backward, London o. J., S. 116.

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  31. Götz Müller (Gegenwelten) spricht von einem »poetologischen Diskurs, in dessen Verlauf sie [die Utopie] sich zur Meta-Utopie wandelt: Die moderne Utopie erzählt Geschichten über die alten utopischen Geschichten.« (S. 12).

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Hartmut Eggert Ulrich Profitlich Klaus R. Scherpe

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Vosskamp, W. (1990). Utopie als Antwort auf Geschichte. Zur Typologie literarischer Utopien in der Neuzeit. In: Eggert, H., Profitlich, U., Scherpe, K.R. (eds) Geschichte als Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03341-3_23

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