Zusammenfassung
Liest man heute die theoretischen Texte Oskar Negts und Alexander Kluges, so glaubt man regelmäßig Begegnungen einer anderen Art zu haben. Formulierungen, die vor fünfzehn, teilweise noch vor zehn Jahren nicht weiter auffielen, wirken wie unbekannte Flugobjekte aus einer anderen Zeit, in der es noch Klassenkämpfe gab, in der das »Verwertungsinteresse« des Kapitals auf einen »Block proletarischer Lebensinteressen«1 stieß. Da handelt doch ein real existierendes 500-seitiges Buch von den »realen Ansätzen proletarischer Öffentlichkeit«2 und kommt gleich zu Anfang zu dem Befund: »Kämpfen die Massen gegen die um die Machtmittel der Öffentlichkeit verstärkte herrschende Klasse, so bleibt ihr Kampf aussichtslos«3. Selbst ein so einfacher und einleuchtender Satz wie »Im Ergebnis [der] Ware Öffentlichkeit verschwindet ihr Produktionsprozeß selber« katapultiert uns durch das redundante Wort selber — »verschwindet ihr Produktionsprozeß« würde es auch tun, aber es muß der »Produktionsprozeß selber«4 sein — um Lichtjahre zurück in die Theoriesprache der Studentenbewegung von 1968. Auch Begriffe wie »realistische Methode« und »materialistische Ästhetik«, die Kluge sich zu eigen gemacht hat, sind als Seminarthemen keine favourites mehr. Warum dergleichen heute so démodé wirkt, ist schwer zu sagen und selbst ein interessantes Problem: an einer grundlegenden Änderung der Realität liegt es jedenfalls kaum.
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Literatur
Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1972, S. 107
A.a.O., S. 7
A.a.O., S. 13
A.a.O., S. 106
Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1981, S. 398
A.a.O., S. 398–400 und 1063–1070
Vgl. Alexander Kluge, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Zur realistischen Methode, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1975, S. 203, 213, 218, 221 f.
Vgl. a.a.O., S. 221 und Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 246
Pseudo-Longin, Vom Erhabenen 36, 3
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 221
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 143
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 221
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 293
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 202 ff.
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 294
Geschichte und Eigensinn, S. 97
Edgar Reitz/Alexander Kluge/Wilfried Reinke, Wort und Film, in: Sprache im technischen Zeitalter 13/1965, S. 1015
Gespräche mit Alexander Kluge, in: Filmkritik 20/1976, H. 12, S. 569
Geschichte und Eigensinn, S. 88
A.a.O., S. 784
A.a.O., S. 252
A.a.O., S. 56
Heiner Boehncke/Alexander Kluge, Die Rebellion des Stoffs gegen die Form und der Form gegen den Stoff: Der Protest als Erzähler, in: Das B. Traven-Buch, hg. v. Johannes Beck/Klaus Bermann/Heiner Boehnke, Reinbek: Rowohlt 1976, S. 340 f.
Alexander Kluge, in: Die Geschichte der lebendigen Arbeitskraft. Diskussion mit Oskar Negt und Alexander Kluge, in: Ästhetik und Kommunikation 13/1982, H. 48, S. 90 f.
So der Titel eines Kluge-Films, dessen Drehbuch 1985 veröffentlicht wurde (Frankfurt a. M.)
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 167
Geschichte und Eigensinn, S. 268
A.a.O., S. 81
A.a.O., S. 70
A.a.O., S. 92
A.a.O., S. 83
Vgl. Stefanie Carp, Wer Liebe Arbeit nennt hat Glückgehabt. Zu Alexander Kluges Liebesprosa, in: Alexander Kluge, hg. v. Thomas Böhm-Christl, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983, S. 204
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 294
Gelegenheitsarbeit einer Skalvin, S. 221 (Anm.)
Ebenda
Alexander Kluge, Neue Geschichten. Hefte 1–18. »Unheimlichkeit der Zeit«, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977, S. 9
Die Gartenwege verlassen, Interview mit Alexander Kluge (von Willi Bär), in: konkret, Feb. 1980, S. 31
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 443 f.
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 205
A.a.O., S. 209
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 444
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 209
A.a.O., S. 205
Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 91
A.a.O., S. 444
Mir ist klar, daß es streng genommen problematisch ist, hier von Motiven zu reden, denn die Denkbewegung des Dekonstruktionismus arbeitet ihrer Verdinglichung zu festgelegten Motiven in ihren besten Vertretern gerade entgegen. Dennoch kristallisiert sich die Reflexion darauf immer wieder an bestimmten Termen und Tropen, die dadurch einen gewissen Leitwert erhalten. Ich nehme deshalb den problematischen Status der Rede von Motiven als kalkulierte Verkürzung in Kauf.
Geschichte und Eigensinn, S. 253
Frieda Grafe/Enno Patalaz, Alexander Kluge (ein Gespräch), in: Filmkritik Sept. 1966, S. 490
Wort und Film, S. 1020
Die Rebellion des Stoffs gegen die Form …, S. 343 f.
A.a.O., S. 340
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 208
Grafe/Patalaz, Alexander Kluge, S. 489
Ferdinand de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin: De Gruyter 21967, S. 134
Ebenda
Vgl. Jaques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974, S. 115, 119
Alexander Kluge, Die Utopie Film, in: Merkur Dez. 1964, S. 1145
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 219
Neue Geschichten, S. 9
Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 219
Die Rebellion des Stoffs gegen die Form …, S. 342
Ebenda
Geschichte und Eigensinn, S. 5
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Menninghaus, W. (1990). Geschichte und Eigensinn. Zu Hermeneutik-Kritik und Poetik Alexander Kluges. In: Eggert, H., Profitlich, U., Scherpe, K.R. (eds) Geschichte als Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03341-3_22
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