Zusammenfassung
Skeptisch zu sein, also sorgfältig abzuwägen, distanziert zu prüfen, der langen, zweifelnden Überlegung den Vorrang zu geben vor der spontanen Entscheidung, gilt als Eigenschaft des gebildeten, kultivierten Menschen. Diese hohe Wertschätzung der Skepsis hat sich über die Jahrhunderte behaupten können. So erscheint es nicht als verwunderlich, daß das Erscheinen der Skepsis als Dreh- und Angelpunkt der Philosophie, des Bewußtseins nämlich, daß der menschlichen Erkenntnis enge Grenzen gesetzt sind, daß eine absolute Wahrheit und letzte Gewißheit unerreichbar bleiben, fast durchweg als das deutlichste Zeichen des zur Reife gekommenen menschlichen Geistes gelten. In Europa wurde die erste skeptische Schule um 300 v. Chr. von dem griechischen Philosophen Pyrrhon von Elis in Athen gegründet. Etwa gleichzeitig entstand in China das Werk Tao-te-king von Laotse, in dem die der menschlichen Vernunft gesetzten engen Grenzen und die Relativität menschlicher Werte und Moralvorstellungen zum Thema werden. Seit dieser Zeit hat die Skepsis an Bedeutung nichts eingebüßt.
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Anmerkungen
F. Nietzsche, Morgenröte, Nr. 564, in: Gesammelte Werke, hg. K. Schlechta (München, 1954), I, S. 1276.
Insbesondere die Künstler haben diese Warnung immer wieder aufgegriffen. In vielen ihrer Rechenschaftsberichte findet sich der Satz Shaftesburys wörtlich zitiert. Vgl. F. Kortner, Aller Tage Abend (München, 1959), S. 2.31.
R. Riedl, Die Spaltung des Weltbildes: Biologische Grundlagen des Erklärens und Verstehens (Berlin—Hamburg, 1985), S. 30.
K. Popper, Objektive Erkenntnis: Ein evolutionärer Entwurf (Hamburg, 1973), S. 85.
H. Mohr, Natur und Moral: Ethik in der Biologie (Darmstadt, 1987), S. 29.
G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, I, in: Werke, hg. E. Moldenhauer u. K.-M. Michel (Frankfurt a. M., 1970), XV, S. 142.
Sir Philip Sidney, An Apology for Poetry, hg. G. Shepherd (Manchester, 1965), S. 96.
F. Bacon, The Works, hg. J. Spedding u. R. Leslie-Ellis (London, 1958–74; repr. Stuttgart, 1962), III, S. 329•
S. Johnson, The Rambler, Nr. 41, 7. August 1750, in: The Works, hg. A. Murphy (London, 1806), IV, S. 264.
F. Schiller, »Die Künstler«, in: Werke, Nationalausgabe, hg. N. Oellers (Weimar, 1983), II/i, S. 384.
F. Schlegel, Über das Studium der griechischen Poesie, in: Werke, Kritische Ausgabe, hg. E. Behler (Paderborn, 1979), I, S. 267.
D. Hartley, Observations on Man, His Frame, His Duty, And His Expectations (i749), (Gainsville/Florida, 1966; Facsimile Reprod.), z Bde., II, S. 254.
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Mainusch, H. (1991). Kunst und Skepsis. In: Skeptische Ästhetik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03338-3_1
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