Zusammenfassung
Das Christentum ist nicht nur eine historische Religion unter anderen im Lauf und Verlauf der Weltgeschichte; es beansprucht nicht weniger zu sein, als die Offenbarung der Wahrheit. »Wahr« ist, biblisch verstanden, aber nicht ein Sachverhalt, sondern derjenige, auf den man sich verlassen und dem man unbedingt vertrauen kann1. Gott selbst ist die Wahrheit. Weil sich aber der Gott des christlichen Glaubens in einem bestimmten Menschen zu einer bestimmten Zeit geoffenbart hat, kann man das Christentum, im Unterschied zu anderen nicht minder historischen Religionen, in einem ausgezeichneten Sinn eine »geschichtliche« Offenbarung nennen. Wenn man ferner den Glauben an Gottes Offenbarung in Christus von vornherein unter den Begriff des »Christentums« faßt und dieses in die allgemeine Geschichte einbefaßt, dann wird man schon diese einzigartige göttliche Offenbarung selber mißverständlich eine geschichtliche nennen, obwohl sie ursprünglich weder der Geschichte entspringt noch die Weltgeschichte vergöttlicht und verchristlicht hat. Im Neuen Testament ist Gottes Offenbarung in Christus seine einmalige Selbstenthüllung im »Menschensohn«, und den besten Beweis dafür, daß Jesus als Christus der Gottmensch ist, liefert die Auferstehung, mit der er sich über Leben und Tod eines jeden historischen Menschen und über alle Geschichten der Welt erhebt.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
Siehe dazu H. von Soden, Urchristentum und Geschichte, 1951, S. 1ff. (Was ist Wahrheit?) und R. Bultmann: Untersuchungen zum Johannesevangelium, Zeitschrift für die Wissenschaft vom Neuen Testament, 1928, S. 113ff.
F. M. Powicke, History, Freedom and Religion, 1940, S. 55.
Siehe dazu Vom Sinn der Geschichte, in diesem Band S. 305ff.
Siehe H. Butterfield, Christianity and History, S. 31 u. S. 66.
Nietzsche, Genealogie der Moral III, 27; Fröhliche Wissenschaft, 357.
Siehe dazu W. W. Bartley, Flucht ins Engagement, 1964.
Siehe dazu H. Gollwitzer, Die marxistische Religionskritik und der christliche Glaube, in: Marxismus-Studien, 4. Folge, 1962.
Siehe dazu vom Verfasser, Die Entzauberung der Welt durch Wissenschaft, in: Jahrbuch für kritische Aufklärung II, 1965, S. 135ff. [unter dem Titel Max Webers Stellung zur Wissenschaft, in: Sämtliche Schriften 5, S. 419ff.].
Siehe A. Harnack, Der Vorwurf des Atheismus in den ersten drei Jahrhunderten.
Wir zitieren nach der Übersetzung in der Bibliothek der Kirchenväter, Origenes Band II und III. Eine Rekonstruktion der Schrift des Celsus gibt Th. Keim, Zürich 1873. Vgl. neuerdings R. Bader, Tübingen, Beiträge zur Altertumswissenschaft 23 (1940). Eine neue Übersetzung der Schrift des Origenes ins Englische hat Chadwick, Cambridge 1953, unternommen.
III, 367.
Vgl. III, 94f., II, 15ff.
II, 51f.
Siehe dazu meine Textauswahl Die Hegeische Linke, 1962; Von Hegel zu Nietzsche (Sämtliche Schriften 4, S. 409ff.).
Editor information
Copyright information
© 1990 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Löwith, K. (1990). Christentum, Geschichte und Philosophie. In: Lutz, B. (eds) Der Mensch inmitten der Geschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03324-6_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03324-6_13
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00713-1
Online ISBN: 978-3-476-03324-6
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)