Zusammenfassung
Am 27. August 1804 — zwölf Tage nach der Krönung Napoleons zum Kaiser — bereitete die Pariser Bevölkerung einem preußischen Bürger einen begeisterten Empfang. Nach fünfjähriger Abwesenheit betrat Alexander von Humboldt zusammen mit seinem Begleiter, dem französischen Botaniker und Arzt Aimé Bonpland, in Bordeaux wieder europäischen Boden. Der Ruhm, mit der der fünfunddreißigjährige »wissenschaftliche Wiederentdecker Amerikas« in der alten Welt aufgenommen wurde, und der ihn bis an sein Lebensende nicht mehr verlassen sollte, verdeckt die tiefen inneren Schwierigkeiten, die Humboldt mit seinem Schritt, Preußen und dann Europa zu verlassen, überwand. Die politisch stärksten Mächte der Zeit, England, Frankreich, Rußland und Spanien überwachten die Erforschung der Erde, indem sie Expeditionen aussandten. Expeditionen waren Ausdruck des Ringens um politische Macht, und Deutschland stand bei diesem Kampfe noch abseits. Carsten Niebuhr war es mit Hilfe des dänischen Königs gelungen 1761 für sechs Jahre in den Orient aufzubrechen. Ausgerüstet mit den neuen Mondtabellen seines Göttinger Lehrers Tobias Mayer, die auf dieser Reise zuerst erprobt wurden und später die Grundlage für den »Nautical Almanac« bildeten, trug Niebuhr dazu bei, die Universität Göttingen zu einem Zentrum der modernen Naturwissenschaft in Deutschland zu machen.
»Das Gebiet der Forschung erweitert sich nur mit der Vervollkommnung der Instrumente.«
Alexander von Humboldt zu Althaus am 15.3. 1852
»Die Natur muß gefühlt werden; wer nur sieht und abstrahiert, kann ein Menschenalter im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt, Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein.«
Alexander von Humboldt an Goethe am 3.1. 1810
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Anmerkungen
Vgl. Wolf Lepenies: Georg Forster als Anthropologe und Schriftsteller. In: Autoren und Wissenschaftler im 18. Jahrhundert. München 1988. S. 123ff.
Anne Germaine de Stael: Über Deutschland. Frankfurt a.M. 1985. S. 29.
Friedrich Schlegel: Georg Forster. Fragment einer Charakteristik der deutschen Klassiker. In: Charakteristiken und Kritiken I (1796–1801). Hrsg. von Hans Eichner. München, Paderborn, Wien 1967. S. 81.
Hanno Beck: Alexander von Humboldt. Bd. 1. Wiesbaden 1959. S. 88.
Karl Förster: Die Iberische Halbinsel als Arbeitsgebiet Alexander von Humboldts. Diss. Leipzig 1923. Zitiert nach H. Beck: A. v. Humboldt. Bd.l. S. 122.
Alexander von Humboldt: Aus meinem Leben. Autobiographische Bekenntnisse. München 1987. S. 34. Carl Petter Thunberg (1743–1828), schwedischer Botaniker, in Japan 1775–76. Auch wenn Humboldt in seiner Jugend von Christian W. Dohm, dem Übersetzer von Engelbert Kämpers »The History of Japan« unterrichtet wurde, drängte ihn alles in das tropische Amerika.
Alexander von Humboldt: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer. In: Alexander von Humboldt: Schriften zur Geographie der Pflanzen. Hrsg. von Hanno Beck. Darmstadt 1989. (= Alexander von Humboldt: Studienausgabe. Sieben Bände, 1. Band) S. 70.
Alexander von Humboldt: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Stuttgart u. Tübingen 1845. Erster Band S. VI.
Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt a.M. 1975. S. 118.
Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a.M. 1988. S. 175.
Alexander von Humboldt: Ansichten der Natur. Hrsg. von Hanno Beck. Darmstadt 1987. S. 148. (= Studienausgabe Bd. 5)
Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Zu Humboldt vgl. Malcolm Nicolson: Alexander von Humboldt, Humboldtian Science and the Origin of the Study of Vegetation. In: History of Science. 25 (1987) S. 168–194).
Zum Zusammenhang von Instrumentenentwicklung und Wissenschaftskonzeption: Susan Faye Cannon: Science in Culture: The Early Victorian Period. New York 1978. S. 73–110.
John Cawood: Terrestrial Magnetism and the Development of International Collaboration in the Early Nineteenth Century. In: Annals of Science, 34 (1877) S. 554–561.
Humboldt entwarf dabei auch neue Verfahren der Darstellung dieser Daten auf Karten. 1804 veröffentlichte er zusammen mit Biot die erste Karte, die isodynamische Zonen enthielt. 1817 entwickelte er vor der Pariser Akademie der Wissenschaften sein Konzept von Isothermen (Linien von gleichen Temperaturdurchschnittswerten) und führte damit gleichzeitig den uns heute geläufigen Begriff »Iso-« für Linien gleicher Zahlenwerte ein. Der Vorteil von isometrischen Linien gegenüber Tabellen besteht, wie Humboldt hervorhob, darin, daß sich mit Hilfe von Linien die Abhängigkeit der Werte vom geographischen Ort (Längen- und Breitengrade, Höhe usw.) klarer erkennen läßt. »With his simple, diagrammatic isothermal map Humboldt made a major ‚breakthrough‘ in cartographic technic, providing physical scientists as well as social scientists with a new tool.« Arthur H. Robinson and Helen Wallis: Humboldt’s Map of Isothermal Lines: A Milestone in Thematic Cartography. In: Cartographic Journal 4 (1967) S. 122.
A.v. Humboldt an Erman, 21. 12. 1806. Zitiert nach H. Beck: Alexander von Humboldt. Bd. 2. Wiesbaden 1961. S. 15.
Der Briefwechsel, den Humboldt vor seiner Reise führte, zeigt, wie sorgfältig er seine instrumenteile Ausstattung plante. Instrumente, die noch nicht in seinen Händen sind, werden oft mehrmals bestellt, um bei eventuellen Verzögerungen sofort über einen Ersatz zu verfügen. Wichtige Messungen hatten zudem für Humboldt nur Wert, wenn sie durch ein zweites Gerät bestätigt wurden. So bedauert Humboldt die Tatsache außerordentlich, daß ihm sein Barometer in der Barabinskischen Steppe zerbrach. Ein neuer Gesichtspunkt kommt bei Humboldts Rußlandreise hinzu, er trägt Instrumente bei sich, um sie zu verschenken, oder zur Anschaffung eines Gerätes damit anzuregen, um so unmittelbar dazu beizutragen, daß ein Beobachtungsnetz mit den besten Instrumenten aufgebaut wird. Er schreibt am 13. 3. 1829 an Schumacher: »Wollen sie mir von Ihrem schönsten, neuen Thermometer (Maximum und Minimum) einen überlassen, sollte er auch 100 Thaler kosten? Ich nehme ihn bloß mit, damit ich in jenen kalten Ländern das Gouvernement und Bauern, reiche Privatleute, anrege, ähnliche in Irkutzk, Ochotsk … zu verteilen.« 18 Instrumente und Geräte führte Humboldt auf der Reise nach Rußland mit sich, von besonderer Bedeutung waren dabei die geomagnetischen Geräte, die alle von dem englischen Instrumentenmacher Gambey stammten, zwei Chronometer eines von Bréguet und eines von Earnshaw, das Humboldt besonders schätzte. Ein »Punktierchronoskop«, eine frühe Form der Stoppuhr ließ er in Berlin, um es keiner Gefahr auszusetzen. Nur ein Instrument, das ihm bereits in Amerika gute Dienste geleistet hatte, nahm Humboldt auch nach Rußland mit: den Sextant von Ramsden. Vgl. P. Honigmann: Über Alexander von Humboldts geophysikalische Instrumente auf seiner russischsibirischen Reise. In: Gerlands Beiträge zur Geophysik. Leipzig 91 (1982) 3, S. 185–199.
Vgl. Peter Honigmann: Entstehung und Schicksal von Humboldts Magnetischem ’Verein’ (1829–1834) im Zusammenhang mit seiner Rußlandreise. In: Annals of Science, 41 (1984), S. 57–86.
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Weigl, E. (1990). Alexander von Humboldt: Zwischen Weimar und Paris. In: Instrumente der Neuzeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03323-9_11
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Online ISBN: 978-3-476-03323-9
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