Zusammenfassung
Das Textcorpus, das diesen Ausführungen zur literarischen Strategie zugrunde gelegt wird, besteht aus Liedern und Gedichten, von denen zwischen 1812 und 1815 mindestens drei Drucke nachweisbar sind, die nicht vom Autor veranlaßt und die in wenigstens zwei deutschen Staaten verbreitet waren.1 Damit werden Texte analysiert, die publizistisch Erfolg und die ihnen zugedachte gesellschaftspolitische Funktion erfüllt hatten. Das war nicht nur eine Frage der Thematik, sondern auch eine der literarischen Vermittlung; denn nur jene Lyrik, die in verständlicher Form das aussprach, was alle fühlten, meinten oder wollten, fand in einer Zeit überregionale Verbreitung, in der der Druckort auch den Distributionsbereich weitgehend festlegte. Gedichte, die im Stil der Bardenlyrik Thuiskons Söhne feierten, zirkulierten nur in Dichterkreisen wie dem Marburger um Justi,2 deren Interesse an der literarischen Kunstsinnigkeit ihrer Mitglieder größer war als das an einer alle Stände einbeziehenden gesellschaftspolitischen Meinungs- und Willensbildung. Auch in der Lyrik ging die Epoche des Absolutismus ihrem Ende entgegen. Die Zeit eines lyrischen Ichs war vorüber, das, als fiktive Entsprechung des Autors, im imperialen, dessen Führungsanspruch versinnbildlichenden Sprachgestus Weisheiten aus seherischer Einsamkeit heraus mitteilte.3 Gefragt war vielmehr ein Ich, das sich als Teil eines kollektiven Wir verstand und in dessen Sprache die Funktion eines Mediums des allgemeinen kollektiven Bewußtseins übernahm.4 Mit Ausnahme der Freiwilligenlyrik5 ist der Zusammenhang zwischen Gedichttypus und sozialer Struktur des Rezeptionsfeldes kaum genau rekonstruierbar.
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Notizen
Zum kollektiven Bewußtsein K.H. Schäfer: Kollektivbewußtsein am Beginn des 19. Jahrhunderts, dargestellt am Beispiel der Verbreitung der Schriften von Ernst Moritz Arndt. In: Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. 1977, S. 137–148.
Zu Arndt siehe Kapitel 5.1. Zur Distribution der Arndtschen Lyrik siehe K.H. Schäfer: Ernst Moritz Arndt als politischer Publizist. 1974;
K.H. Schäfer/J. Schawe (Hg.): Ernst Moritz Arndt. Ein bibliographisches Handbuch. 1971.
[E.M. Arndt]: Kurzer Katechismus für teutsche Soldaten, nebst zwei Anhängen von Liedern. [Königsberg, März] 1813, S. 98.
Vgl. R.F. Arnold (Hg.): Fremdherrschaft und Befreiung. 1932, S. 273;
Fouqué (Hg.): Alexander von Blomberg. Hinterlassene poetische Schriften. 1820, S. 302 ff.
Das Gedicht erschien vermutlich zuerst in: Drei schöne Kriegslieder. [o.O.] Gedruckt in diesem Jahr [1812, siehe K. Goedeke. Grundriß zur Geschichte der Deutschen Dichtung. Bd. 7, Dresden 21890, S. 855, Nr. 42]. Weitere Drucke: Der Kaiser an sein Heer [Sammlung von drei Gedichten, 1813;
siehe P. Czygan: Zur Geschichte der Tagesliteratur. Bd. 1, 1911, S. 189]. Einzeldrucke unter dem Titel: Fragen nebst Antworten beim Durchzug der Franzosen durch Deutschland. Berlin [Februar 1813];
Alles in einer Nuß. Bd. 1, S. 29f (Titel: Gespräch zweier Bauern). Hier zitiert nach [Fr.L. Jahn, Hg.]: Sammlung Deutscher Wehrlieder. [Nordhausen] 1814, S. 27–29.
Lobgesänge auf Napoleon Bonaparte, S. 15 f. Weitere Drucke: Rußlands Triumph, 2. Heft, Berlin 1813, S. 96;
Th. Kömer: Zwölf freie deutsche Gedichte. Nebst einem Anhang. Leipzig 1813, S. 50–54. Weitere Drucke: Zeitung aus dem Feldlager. Nr. 11 (7.11.1813, [stark abweichende Fassung];
Th. Körner: Leyer und Schwerdt. Berlin 1814, S. 84;
E.M. Arndt/Th. Körner: Lob deutscher Helden. [Frankfurt/M.] 1814, S. 61.
von F. von der alten Burg, zitiert nach: Kriegs-Gesänge, 1813, S. 59–60. Weitere Drucke: [Fr. Förster]: Schlachtenruf und Schlachtengesang. [Dresden] 1813;
Vgl. W. Hettches kritischen Kommentar in: W. Hettche: Heinrich von Kleists Lyrik. 1986, S. 168 f.
D. Grathoff von “den bekannten lyrischen Entgleisungen der Germania-Ode”. In: D. Grathoff: Heinrich von Kleist und Napoleon Bonaparte. Der Furor Teutonicus und die ferne Revolution. In: H. Zimmermann: Schreckensmythen — Hoffnungsbilder. 1989, S. 85
H. Sembdner (siehe: Kleist-Bibliographie 1803–1862. 1966, S. 29–34;
Kleists Kriegslyrik in unbekannten Fassungen. In: H. Sembdner: In Sachen Kleist. 1974, S. 88–99;
vgl. auch H.F. Weiss: Funde und Studien. 1984, S. 299–304) kennt nur sechs Drucke. Die anderen seien hier angeführt: Hermann. Eine Zeitschrift von und für Westfalen, Nr. 1 (1.2.1814), S. 3 f (“Die des Brockens Felsregionen”);
Das erwachte Europa. Bd. 1, Heft 3, Berlin 1814, S. 1–4 (Nachdruck von: Rußlands Triumph. 1813);
Alles in einer Nuß. Bd. 1, Magdeburg 1814, S. 22–25 (“Die des Maines Regionen”). Sembdner war der Druck in Fr. Passow/C. Besseldt/E. Blochmann: Vaterländische Gedichte. 1813, S. 1–5 (“Die des Brockens Felsregionen”) nicht zugänglich (siehe: Kleists Kriegslyrik, S. 97, Anm. 5). Darum sei im folgenden diese Fassung, die mit der in den Deutschen Blättern bis auf geringfügige Abweichungen in Interpunktion und Rechtschreibung identisch ist, herangezogen. Die Herausgeber haben die Veröffentlichung des Kleistschen Gedichts mit folgenden Sätzen im unpaginierten Vorwort begleitet: “Die beyden, in lichten Rammen auflodernden Gedichte des nie genug zu preisenden, in der unergründlichen Tiefe eines heilig glühenden Herzens zu früh untergegangenen Heinrich von Kleist, so wie den Vaterlandsgesang des mannhaften Arndt, die noch keine ähnliche Sammlung zieren, haben wir in die unsrige wieder aufzunehmen um so weniger Bedenken getragen, je inniger sie in Zweck und Gesinnung mit unsern eigenen Versuchen zusammenstimmen.” — Zu den Drucken des Kriegsliedes siehe Exkurs, Anm. 45.
Hans Wolf Jäger: Politische Metaphorik im Jakobinismus und im Vormärz. 1973, S. 13.
R. Samuel: Heinrich von Kleist’s Participation in the Political Movements of the Years 1805–1809. 1938, S. 178.
Vgl. R. Berg: Integration und Rezeption von Kleists politischen Schriften des Jahres 1809. In: Kl. Kanzog (Hg.): Text und Kontext. 1979, S. 193–253;
W. Kittler: Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. 1987, S. 218 ff;
R. Wohlfeil: Spanien und die deutsche Erhebung. 1965, Kap. IH;
zum Wandel im schriftstellerischen Werk Kleists im Laufe des Jahres 1808 siehe: H.J. Kreutzer: Über Gesellschaft und Geschichte im Werk Heinrichs von Kleist. In: H.J. Kreutzer (Hg.): Kleistjahrbuch 1980. 1982, bes. S. 51 f.
Zitiert nach: Ergießungen, 1814, S. 217–221, hier S. 217. Weitere Drucke: Einzeldruck, November 1813;
[K.J. Blumenhagen]: Deutsche Harfentöne. [Göttingen] 1813;
[W. Blumenhagen, Hg.]: Das Räthsel der Zeit. Ein Neujahrsgeschenk für Deutsche auf 1814. [o.O., 2. Aufl.], S. 9–16.
K. Müchler: Gedichte. Berlin 1813, S. 67–70 (in der Einleitung Entstehungsgeschichte des Gedichts);
Harrwitz in: Zeitschrift für Bücherfreunde. NF. Bd. 2, 1914, S. 348 ff;
Scheible: Volkswitz der Deutschen. Bd. 3, 1849, S. 130, Bd. 7, S. 175];
Lobgesänge auf Napoleon, 1814, S. 17–25. Das Gedicht ist nicht identisch mit: An Napoleon. Ein Fluch-Gedicht (“Dich tret ich an”). [Marburg: Krieger i.K.], wie Goedeke, Czygan und Harrwitz annehmen. Siehe auch das Gedicht: Abschied der Casselaner vom König von Westphalen. (“Du armer Herr König”). Einzeldruck 1813;
Neue Volks-Kriegslieder nach bekannten Melodien. Berlin 1813 (Nr. 4). [Fr.L. Jahn, Hg.]: Sammlung Deutscher Wehrlieder. [Nordhausen] 1814, S. 40–41.
[Fr.L. Jahn, Hg.]: Sammlung Deutscher Wehrlieder. 1814, S. 29 f;
Aufruf an die Söhne des Vaterlandes. Verfasser des Gedichts ist der Liegnitzer Diakon Gustav Scholz. Das Gedicht wurde zuerst gedruckt in: [Ludwig Wachler]: Ernste Worte der Vaterlandsliebe. Teutschland [Marburg/L.] im Nov. 1813, S. 39;
weitere Drucke: Germanien, Heft 3, 1813, S. 94–96;
[Fr. L. Jahn, Hg.]: Sammlung Deutscher Wehrlieder, 1814, S. 33;
Drucke: Schlesische Provinzialblätter, 1813, S. 141f (August);
O. Dann: Vemunftfrieden und nationaler Krieg. In: W. Huber/J. Schwerdtfeger: Kirche zwischen Krieg und Frieden. 1976, S. 189.
Bürgers Gedicht wurde nachgedruckt in: [Fr. L. Jahn, Hg.]: Deutsche Wehrlieder. [Heiligenstadt] 1813, S. 15f (auch in den späteren Auflagen);
weitere Drucke: [Fr. L. Jahn, Hg.]: Deutsche Wehrlieder, 1813, S. 12 (auch in den späteren Auflagen);
Th. Körner: Zwölf freie deutsche Gedichte. [Leipzig] 1813, S. 7f;
Th. Körner: Leyer und Schwerdt, 1814, S. 43f;
Erholungen. Ein thüringisches Unterhaltungsblatt, Nr. 61 (29.10.1814), S. 242. Siehe auch J. Blumenhagen: “Wohlauf! ihr Waidgenossen, Verlaßt den stillen Hain”. Zuerst als Einzeldruck im November 1813;
weitere Drucke: Ergießungen, 1814, S. 55f;
weitere Drucke: Fr. W. Bournye: Deutscher Sinn (Frankfurt/M. 1814);
weitere Drucke: Hoffmann: Dank- und Ehrentempel, 1815, S. 688ff;
später auch in [Fr. L. Jahn, Hg.]: Dank- und Denk-Lieder, 1917, S. 34f;
G. Döring: Weihe der Feuer. [Frankfurt/M.] 1815, S. 3. Siehe auch: Lieder zur Feyer der Rettungsschlacht bei Leipzig […] gesungen von Cassels Bewohnern. [Kassel 1814], S. 5: “Was kündet die lodernde Flamme an;
Was bedeutet des Volkes Gedränge? Es bedeutet den Sieg an der Pleiße Strand, Es bezeichnet das freye Vaterland.” Ähnlich auch: Lied zum 18ten Octoberabend 1815. [o. O.].
Vgl. auch K. Scheibenberger: Der Einfluß der Bibel und des Kirchenliedes auf die Lyrik der deutschen Befreiungskriege, 1936, S. 68: “Vor allem wird ihnen [den Autoren der Befreiungskriegslyrik] das Alte Testament zur Fundgrube ihrer religiösen Anschauungen.”
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Weber, E. (1991). Literarische Formen und Strategien. In: Lyrik der Befreiungskriege (1812–1815). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03312-3_4
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