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Die Grosse Kette des Bösen und Jean Pauls Poietodizee

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Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft
  • 36 Accesses

Zusammenfassung

Als Teil jenes Universalienkomplexes, an dessen Bau sich das ganze 18. Jahrhundert intensiv und leidenschaftlich beteiligte, erscheint das Böse als eine „idée-force“ oder eine „idée-charnière“,1 nämlich als eine Idee, die gleich anderen Ideen wie Tugend, Laster, Natur, Glück usw. die Denklandschaften der Epoche durchzieht, sie oft entscheidend prägt und zugleich ein ideengeschichtlich reiches Netz von Beziehungen und Zusammenhängen erzeugt. Daß das Problem des Bösen auch bei Jean Paul einen relativ breiten Raum einnimmt, dürfte außer Frage stehen. Zwar wird es in keiner seiner Schriften zum Objekt einer privilegierten Behandlung, mit Ausnahme vielleicht von der Rede des toten Christus, doch gibt es sowohl auf der Ebene der Fiktion als auch auf der der Reflexion eine Reihe von Elementen, die sich damit unschwer in Verbindung setzen lassen. Besonders evident ist die Thematisierung des Bösen in den apokalyptischen Visionen, in der diabolischen Natur mancher Romanfiguren wie vor allem Roquairol und schließlich auch im Bereich derjenigen theologischen und philosophischen Fragen wie der Willensfreiheit oder des Atheismus, die mit dem Bösen eng verbunden sind. Es erscheint daher als nicht unberechtigt, eine Art Definition vorauszuschikken, die man aus den Rekurrenzen dieses Themas in den Werken von Jean Paul herausarbeiten kann. Sie könnte etwa lauten: Das Böse ist eine Seelenkrankheit, eine Verdrehung des Willens und der Gefühle, eine Entstellung des Menschlichen, eine bewußte Inszenierung der schlimmsten Neigungen, eine Degeneration, die in den Kulturdefiziten verwurzelt ist.

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Notizen

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Helmut Pfotenhauer

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Spedicato, E. (1999). Die Grosse Kette des Bösen und Jean Pauls Poietodizee. In: Pfotenhauer, H. (eds) Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03310-9_5

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  • Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart

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