Zusammenfassung
Die politische Philosophie, so scheint mir, steht heute vor einem ähnlichen Problem wie die angewandte Ethik. Was beide, bei aller zugegebenen Schwierigkeit, am ehesten zu leisten in der Lage sind, ist die Begründung elementarer Verbote, die Wesen, Recht und Würde der Person schützen. Wo etwa die Gentechnik anfangt, die Rechte auf Selbstbestimmung und Leidensbekämpfung zu tangieren, ist prinzipiell anzugeben, auch wenn damit Abwägungsprobleme noch nicht geklärt sind. Für die Begründung dieser Rechte stehen eine Reihe verschiedener Argumentationen von großer Überzeugungskraft zur Verfügung. Ähnlich vermag die politische Philosophie anzugeben, in welchen Verfassungen, Regierungssystemen und Herrschaftsformen elementare Rechte der Menschen gefährdet, gesichert oder für ihre Sicherung zumindest günstige Voraussetzungen geschaffen sind. Faßt man Politik als die Tätigkeit zur Herstellung solcher Voraussetzungen — wie es schon Kant getan hat — dann ist die politische Philosophie angewandtes Naturrecht.
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Notizen
Vgl. Jürgen Habermas, Diskursethik—Notizen zu einem Begründungsprogramm. In: ders., Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt/M. 1983, S. 113. Die Diskursethik gebe »keine inhaltlichen Orientierungen an, sondern ein Verfahren«, ihr»Universalisierungsgrundsatz« lege einen Schnitt »zwischen ›das Gute‹ und ›das Gerechte‹ zwischen evaluative und streng normative Aussagen« (ebd).
Daß es Max Weber in Wahrheit nicht um eine »wertfreie« Machtsoziologie ging, sondern »um die ›Rettung der Probleme‹ — um es aristotelisch auszudrükken — der alten ›Moralwissenschaften‹, der alten ›praktischen Philosophie‹ für eine moderne, ›empirische‹ Sozialwissenschaft« ist dagegen die Auffassung von Wilhelm Hennis in seiner vehementen Kritik der herrschenden Weber-Rezeption. Vgl. W. Hennis, Max Webers Fragestellung. Tübingen 1987, S. 54.
Max Weber, Staatssoziologie, hrsg. v.J. Winckelmann. Berlin 1956, S. 27.
Joachim Ritter, ›Politik‹ und ›Ethik‹ in der praktischen Philosophie des Aristoteles. In: ders., Metaphysik und Politik. Frankfurt/M. 1969, S. 132. Zitate mit bloßer Seitenangabe oder der Abkürzung MP stammen aus dieser Aufsatzsammlung.
Vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (Theorie-Werkausgabe, Redaktion E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt/M. 1970, Bd. 7 — im folgenden abgek. Rph §§ 203 u. 247 (S. 355 f. bzw. 391 f.).
J. Ritter, Subjektivität und industrielle Gesellschaft. Zu Hegels Theorie der Subjektivität. In: ders., Subjektivität. Frankfurt/M. 1974 u. ö. (Ausg. 1989, S. 329).
Diese Formulierung findet sich in der Nachschrift von Hegels erster Heidelberger Rechtsphilosophie-Vorlesung durch P. Wannenmann. (G.W.F. Hegel, Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaft, hrsg. v. C. Becker et al. Hamburg 1983, S. 246).
Vgl. dazu meinen Aufsatz: Hegels Theorie der Gewaltenteilung. In: H. Ch. Lucas, O. Pöggeler (Hrsg.), Hegels Rechtsphilosophie im Zusammenhang der europäischen Verfassungsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1986, S. 387–420, bes. 414.
Meine eigene Skepsis hinsichtlich der Notwendigkeit einer metaphysischen Begründung der praktischen Philosophie habe ich geäußert in: Hegels Metaphysik der Sitten. In: D. Henrich, R. P. Horstmann (Hrsg.), Metaphysik nach Kant?Stuttgart 1988, S. 263–274;
Vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Wegin eine andere Moderne. Frankfurt/M. 1986.
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Siep, L. (1990). Naturrecht und politische Philosophie. In: Gerhardt, V. (eds) Der Begriff der Politik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03308-6_3
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