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Methodische Annäherung an das »Rätsel-Weib«

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Zusammenfassung

Diese kurze Analyse Steins steckt den stereotypen Erklärungsrahmen der Femme fatale ab und markiert gleichzeitig dessen Schwierigkeit: sie bleibt merkwürdig vage und allgemein, obwohl sie eine gewisse Plausibilität für sich reklamieren kann. Richtig gesehen werden das neuartige, dekadente Gepräge der Femme fatale sowie der Bezug dieses ästhetischen Typus zu romantischen Weiblichkeitsimaginationen, wobei jedoch dieser Bezug sofort wieder aufgelöst wird durch eine Verlängerung in die Geschichte weiblicher Gegenbilder. Damit scheint zwar die Verbindung zu Emanzipationsansprüchen der Frauen im 19. Jahrhundert plausibel, diese »merkwürdige« Korrespondenz bleibt jedoch ungeklärt und legt noch den Fehlschluß nahe, in der Femme fatale kristallisiere sich ein Modell weiblicher Emanzipation. Um den in dieser kulturellen Imago enthaltenen widerständigen, subversiven Elementen auf die Spur zu kommen, müssen ihre Ambivalenzen herausgearbeitet werden, denn nur durch die Widersprüchlichkeiten dieser Figur hindurch wird ein über die misogynen Konstitutionsbedingungen hinausgehender ästhetischer Überschuß sichtbar. Da dieser in den Dissonanzen der Femme fatale-Gestalten verborgen liegt, muß er durch eine detaillierte Analyse der einzelnen literarischen Varianten dieses Typus erst gewonnen werden.

»Die Femme fatale, die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts herausbildet, ist eine Nachfahrin der romantischen Undine, aber ebenso der rasenden Weiber aus der Trauerspiel-Literatur des 18. Jahrhunderts, der Hexen des 15. bis 17. Jahrhunderts, der ruchlos-mächtigen Renaissancegestalten wie Lucrezia Borgia, der biblischen Skandalfiguren wie Salome, Judith und Dalila, der antiken verführerischen Machtweiber wie Helena und Kleopatra und der mythologischen Machtweiber wie Gorgo und Medusa. Gleichwohl besitzt die Femme fatale ein bezeichnend neuartiges Gepräge. Der Emanzipationsanspruch, den Frauen erstmals im 19. Jahrhundert nachhaltig anmelden, spielt als Folie für die Herausbildung der Femme fatale eine wichtige Rolle, denn dieser Anspruch wurde als eine unerhörte Bedrohung empfunden; auf eine merkwürdige Weise korrespondieren die realen Gleichheitsforderungen der Blaustrümpfe und Frauenrechtlerinnen mit der irrealen Figur der Femme fatale, die als eine Antwort auf die neuen gesellschaftlichen Tendenzen zu verstehen ist, obwohl sie nicht auf der Straße, sondern ausschließlich in der Literatur, der Malerei und der Oper anzutreffen ist. Neuartig ist aber vor allem die dekadente Verfassung der Femme fatale: Sie bietet in maliziöser Genüßlichkeit den Tod als einen hocherotischen Opfergang und die Liebe als ein zerstörerisches Herrschaftsritual dar.1

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© 1990 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Hilmes, C. (1990). Methodische Annäherung an das »Rätsel-Weib«. In: Die Femme Fatale. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03307-9_1

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00691-2

  • Online ISBN: 978-3-476-03307-9

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