Zusammenfassung
Die Nietzsche-Forschung hat immer wieder die Komplexität der Schopenhauer-Lektüre von Nietzsche betont, ihre Vielschichtigkeit und die Notwendigkeit, sie in einen weiten Kontext zu stellen. Trotz der bedeutenden Beiträge zu diesem Thema, über die wir verfügen, kann man durchaus sagen, daß eine ganze Reihe von Problemen offen bleibt. So z.B., neben der von Wilhelm Mettershausen behandelten Frage, ob Nietzsche nicht schon in der Bonner Zeit den Schopenhauerschen Lehren begegnet sei,1 das Problem, bis zu welchem Punkt sich bei Nietzsche das Bild der Schopenhauerschen Philosophie durch die Auseinandersetzungen mit Hartmann und Dühring (die eine erneute Schopenhauer-Lektüre mit sich bringen) verändert; wie weit das Schopenhauer-Bild explizit oder implizit durch die Wagnersche Interpretation bedingt ist. Ferner bleibt das Problem offen, ob innerhalb des Werdegangs von Nietzsche die Wagner-Erfahrung als schlichte Fortsetzung der Schopenhauer-Erfahrung gesehen werden kann. Solche Erfahrungen bilden keineswegs eine unproblematische Synthese oder eine »wundersame Einheit«, wie Nietzsche schreibt, sondern ein Beziehungsfeld voll Spannungen. Dies zeigen besonders einige Nachlaßfragmente aus der Periode zwischen der »Geburt der Tragödie« und der 3. »Unzeitgemäßen Betrachtung« »Schopenhauer als Erzieher«, einer der rätselhaftesten Schriften Nietzsches. Das Nachlaßfragment 27[80] aus dem Frühsommer 1878, in dem Nietzsche rückblickend die Bedeutung von »Schopenhauer als Erzieher« für seinen Werdegang beurteilt, scheint das Scheitern des Versuchs zu betonen, die Schopenhauer- und die Wagner-Erfahrung zusammenzudenken.
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Anmerkungen
Vgl. Wilhelm Metterhausen, Friedrich Nietzsches Bonner Studentenzeit 1864/65, unveröffentlichtes Typoskript 1942 (Murhard’sche Bibliothek der Stadt Kassel), S. 94ff.
Vgl. auch Johann Figl, Dialektik der Gewalt. Nietzsches hermeneutische Religionsphilosophie, Düsseldorf 1984, S. 114ff.;
Figl, Nietzsches Begegnung mit Schopenhauers Hauptwerk. Unter Heranziehung eines frühen unveröffentlichen Exzerptes; in: Schopenhauer, Nietzsche und die Kunst (Schopenhauer-Studien, Bd. 4, 1993), hrsg. von Wolfgang Schirmacher, S. 89ff.
Vgl. »Introduzione« zu Nietzsche, Appunti filosofici 1867–1869, Omero e la filologia classica, Milano 1993. Die Autoren weisen auf den Einfluß von Friedrich Albert Lange hin, der mir aber gerade im Fall der Aufzeichnungen »Zu Schopenhauer« von geringer Bedeutung scheint. Über die Schopenhauer-Notizen der Leipziger Zeit vgl. auch John Sallis, Crossings. Nietzsche and the Space of Tragedy, Chicago/London 1991, S. 63ff.
Rudolf Seydel, Schopenhauers philosophisches System, Leipzig 1857, S. 48.
Zitate und Seitenzahlen beziehen sich hier auf Rudolf Haym, Gesammelte Aufsätze, Berlin 1903, S. 239–355.
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Barbera, S. (1999). Eine Quelle der frühen Schopenhauer-Kritik Nietzsches. In: Schirmer, A., Schmidt, R. (eds) Entdecken und Verraten. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03269-0_4
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