Zusammenfassung
Eine Geschichte der Literaturkritik gehört in Deutschland auch heute noch nicht zu den Selbstverständlichkeiten. Zwar braucht sich der Historiker dieser literarischen Form nicht mehr ausdrücklich zu rechtfertigen, aber er kann sich — im Unterschied zum angelsächsischen oder französischen Sprachbereich — nicht darauf verlassen, daß die Wichtigkeit einer solchen Untersuchung unmittelbar einleuchtet. [1] Ist die Literaturgeschichte ohnehin ein problematisches Genre geworden, das außerhalb der akademischen Öffentlichkeit kaum noch Beachtung findet, so gilt dies für die Geschichte der Kritik in noch stärkerem Maße. Nicht einmal die professionellen Kritiker scheinen an ihr mehr als gelegentlich interessiert zu sein. Das hängt natürlich mit dem gegenwärtigen Status der Literaturkritik eng zusammen. Solange Texte, die sich auf andere literarische Texte beziehen, als »sekundär« eingestuft werden, ist nicht damit zu rechnen, daß ihre Darstellung in der Literaturgeschichte einen mehr als bescheidenen Platz einnehmen darf. [2] Erschwert wird diese Situation noch durch die seit dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert eingeschliffene Trennung von Literaturkritik und Literaturwissenschaft, von Feuilleton und Universität. Während die Literaturwissenschaft ihre eigene Geschichte aus wissenschaftstheoretischen und methodologischen Gründen aufgearbeitet hat [3] — wenn auch noch immer mit beträchtlichen Lücken -, scheint die journalistische Kritik es nicht zu verdienen, zum Gegenstand der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung zu werden. Das Feuilleton, für den Tag geschrieben, hat scheinbar zu wenig Gewicht, um erinnert zu werden.
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Anmerkungen
Vgl. dazu Peter Uwe Hohendahl, Vorüberlegungen zu einer Geschichte der Literaturkritik, in: Literaturkritik — Medienkritik, hrsg. Jörg Drews, Heidelberg 1977, S. 68–83.
Dazu auch Hartmut Steinecke, Literaturkritik des Jungen Deutschland, Berlin 1982, besonders S. 9–13.
Vgl. Gerhard Sauder, Fachgeschichte und Standortbestimmung, in: Erkenntnis der Literatur, hrsg. Dietrich Harth/Peter Gebhardt, Stuttgart 1982, S. 321–343.
Vgl. Walter Hinderer Zur Situation der westdeutschen Literaturkritik, in: Hinderer, Elemente der Literaturkritik, Kronberg 1976, S. 191–218.
Vgl. Peter Uwe Hohendahl, Das Ende einer Institution? Der Streit über die Funktion der Literaturkritik, in: Hohendahl, Literaturkritik und Öffentlichkeit, München 1974, S. 151–186.
Vgl. Norbert Mecklenburg, Wertung und Kritik als praktische Aufgaben der Literaturwissenschaft, in: Literaturkritik und literarische Wertung, hrsg. Peter Gebhardt, Darmstadt 1980, S. 388–411.
Vgl. Niklas Luhmann, Zweckbefriff und Systemrationalität, Tübingen 1968.
Louis Althusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate, Hamburg/Westberlin 1977.
Vgl. Peter Uwe Hohendahl, Literaturkritik und Öffentlichkeit (1971) in dem gleichnamigen Band, München 1974, S. 7–49.
Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Freiburg/ München 1959.
Zur Kritik an Habermas vgl. Hohendahl, Kritische Theorie, Öffentlichkeit und Kultur, in: Basis 8 (1978), S. 60–91.
So vor allem Wolfgang Jäger, Öffentlichkeit und Parlamentarismus. Eine Kritik an Jürgen Habermas, Stuttgart 1973.
Schulte-Sasse, Kritisch-rationale und literarische Öffentlichkeit, in: Aufklärung und literarische Öffentlichkeit, hrsg. Christa Bürger et alii, Frankfurt 1980, S. 18.
Leppert-Fögen, Die deklassierte Klasse. Studien zur Geschichte und Ideologie des Kleinbürgertums, Frankfurt 1974.
Glotz, Buchkritik in deutschen Zeitungen, Hamburg 1968.
Vgl. Matei Calinescu, Faces of Modernity, Bloomington/London 1977.
Bohrer, Die drei Kulturen, in: Stichworte zur »Geistigen Situation der Zeit‹, hrsg. Jürgen Habermas, Bd. 2, Frankfurt 1979, S. 636–669.
Vgl. Monika Dimpfl, Literarische Kommunikation und Gebrauchswert, Bonn, 1981.
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Hohendahl, P.U. (1985). Einleitung. In: Hohendahl, P.U. (eds) Geschichte der deutschen Literaturkritik (1730–1980). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03209-6_1
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