Skip to main content

Republik ohne Bürger, Demokratie ohne Demokraten

  • Chapter
  • 109 Accesses

Zusammenfassung

Halten wir für einen Augenblick inne. Wir haben bei unserem Querschnitt durch die mentalen Befindlichkeiten der weimarischen Gesellschaft die Atmosphäre der Elternhäuser, von Adel und Großbürgertum bis zum Proletariat, kennengelernt, haben einen Blick in die Schulen geworfen, die Ansichten von Lehrern und Parlamentariern zu Erziehungsmethoden, -prinzipien und -zielen erkundet und haben betrachtet, auf welche Weise Bürger und Behörden miteinander umgegangen sind. An ungezählten Beispielen, alltäglich-banalen wie politisch direkt relevanten, sind wir der starken Prägung des zivilen Lebens durch militärisch-militaristische Verhaltensweisen gewahrgeworden, die Reaktionen auf den verlorenen Krieg haben uns ebenso beschäftigt wie das Verhältnis der Deutschen zu den entthronten Obrigkeiten von gestern. Auf dieser Basis haben wir dann kollektive Abneigungen, Abwehrhaltungen und ausgesprochene Phobien Revue passieren lassen (damit implicite auch die jeweiligen positiven Gegenbilder): das Verhältnis zu Fremden und Fremdartigem, seien dies nun Ausländer gewesen, einheimische Minderheiten, ungewohnte Lebensweisen, neue Kunstformen oder wissenschaftliche Lehrmeinungen. Bei alledem sind wir fast durchweg auf dieselben Phänomene gestoßen, allenfalls auf Varianten oder auf, der spezifischen Materie geschuldete, verschiedenartige Ausprägungen derselben Grundmuster, was denn auch zu fast refrainartig wiederkehrenden, gleichartigen Befunden geführt hat. Ich bin also in einer ähnlichen Lage wie Sigmund Freud, der, nachdem er bei einer Fallstudie die unterschiedlichsten Bekundungen des Patienten ausgebreitet hatte und stets zum nämlichen Ergebnis gekommen war, dem Leser entschuldigend versicherte, er — Freud — sei für die Eintönigkeit der psychoanalytischen Lösungen nicht verantwortlich.

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Quellen und Anmerkungen

  1. Walter H. Pehle (Hrsg.): Der historische Ort des Nationalsozialismus. Annäherungen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1990, S. 29.

    Google Scholar 

  2. Heinz Kühn: Widerstand und Emigration. Die Jahre 1928–1945. Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt am Main 1983, S. 25, S. 56, S. 67.

    Google Scholar 

  3. Heinrich Mann: Ein Zeitalter wird besichtigt. Aufbau-Verlag, Berlin 1947, 31.–40. Tsd., S. 350, S. 364. — Hervorhebung von mir.

    Google Scholar 

  4. A. a. O., S. 127. — Zum weiteren politischen Weg von Seydewitz vgl. — Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Verlag K.G. Saur, München 1980ff. (künftig zitiert als: BHB mit Bandzahl), Band 1, S. 690 f. Die dortigen Angaben sind insofern zu korrigieren, als Seydewitz der KPD nicht erst nach 1945 beigetreten ist, sondern, ausweislich seiner Memoiren, S. 356, als »geheimes« Mitglied bereits im Jahre 1934.

    Google Scholar 

  5. Norbert Elias: Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 19942, S. 95 f.

    Google Scholar 

  6. Rudolf Morsey: Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und ›Nationaler Erhebung‹ 1932/33. Belser Verlag, Stuttgart und Zürich 1977, S. 13 S. 15, S. 32.

    Google Scholar 

  7. Ernst Niekisch: Gewagtes Leben. Begegnungen und Begebnisse. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1958, S. 165.

    Google Scholar 

  8. Hans Kohn: Bürger vieler Welten. Ein Leben im Zeitalter der Weltrevolution. Verlag Huber, Frauenfeld 1965, S. 89; Alfred Döblin: Wissen und Verändern. Offene Briefe an einen jungen Menschen, a. a. O., S. 13; Rudolf Pörtner (Hrsg.): Alltag in der Weimarer Republik, a. a. O., S. 298.

    Google Scholar 

  9. Karl Holl: Pazifismus in Deutschland, a. a. O., S. 144 passim, S. 189 passim; TB, 5. Jg., H. 40 v. 5.10.1924, S. 1400ff.; WB, 25. Jg., Nr. 8 v. 19.2.1929, S. 279ff.; 26. Jg., Nr. 27 v. 1.7. 1930, S. 4 ff., S. 9; Carl von Ossietzky: Sämtliche Schriften, a. a. O., Band VII, S. 276, S. 279, S. 404, S. 408, S. 980f.; Victor Gollancz: Aufbruch und Begegnung. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 1954, S. 58 f.

    Google Scholar 

  10. A. a. O., S. 75. — Ähnlich werden diese Erscheinungen im Rückblick bewertet von — Ernst Niekisch: Gewagtes Leben, a. a. O., S. 174 ff.; Karl Otto Paetel: Reise ohne Uhrzeit. Verlag Georg Heintz (The World of Books Ltd.), Worms 1982, S. 57. — Eine fundierte wissenschaftliche Darstellung, aufschlußreich auch im Hinblick auf die Verbindungen zwischen diesen ›Subkulturen‹ und der ›seriösen‹ Öffentlichkeit, gibt — Ulrich Linse: Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre. Wolf Jobst Siedler Verlag, Berlin 1983.

    Google Scholar 

  11. Rudolf Olden (Hrsg.): Das Wunderbare oder Die Verzauberten. Propheten in deutscher Krise. Rowohlt Verlag, Berlin 1932, S. 16 f.

    Google Scholar 

  12. Vereinigte Verlegergruppe (Hrsg.): Das Buch des Jahres. Folgen 1924 bis 1929. Tempel Verlag, Leipzig (1924), Poeschel & Trepte Verlag, Leipzig (1925 ff.).

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2003 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Walter, HA. (2003). Republik ohne Bürger, Demokratie ohne Demokraten. In: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03183-9_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03183-9_4

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00536-6

  • Online ISBN: 978-3-476-03183-9

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics