Zusammenfassung
Am 22. August 1825, wenige Tage vor seinem 76. Geburtstag, notiert Goethe in sein Tagebuch:
Mittag Hofrat Meyer und Oberbaudirektor Coudray. Unterhaltung über die nächsten Stadtdekorationen. Später für mich im Garten. Alexander von Humboldt über die Verbindung des östlichen und westlichen Meeres. Vorschläge zu Kanälen an verschiedenen Punkten. Ankunft der englischen Preßspäne, auch des Landpredigers von Wakefield und des Prinzen Rasselas[1].
Die Eintragung verrät nicht nur, wie weitgespannt die Interessen des alten Goethe waren, sondern gibt auch über die Stetigkeit Auskunft, mit der er diese Interessen ein Leben lang verfolgte. Seit Johann Gottfried Herder Goethe in Straßburg mit Oliver Goldsmiths Roman The Vicar of Wakefield bekanntgemacht hatte, war ein halbes Jahrhundert vergangen.
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Anmerkungen
Goethes Tagebücher. Hg. v. Peter Boerner. Zürich u. Stuttgart 1964. S. 450. — Unter »Preßspan« verstand man »eine feste Glanzpappe, wo zwischen Tuch, Papier usw. gepreßt wird und dadurch den Preßglanz erhält.« (Grimm)
Vgl. die Angaben bei Lawrence M. Price: Die Aufnahme englischer Literatur in Deutschland, 1500–1960. Bern 1961, S. 214–220. — Carl Hammer jr.: Goethe’s Estimate of Oliver Goldsmith. In: Journal of English and Germanic Philology 44 (1945), S. 131–138, bietet einen umfassenden Überblick über die vorhandenen Selbstzeugnisse Goethes zu seinen Goldsmith-Beziehungen.
Hier eine Auswahl der älteren Literatur: Siegmund Levy: Goethe und Oliver Goldsmith. In: Goethe-Jahrbuch 6 (1885), S. 282–298. M[…] Ziegert: Goldsmiths Landprediger in Deutschland: In: Berichte des Freien Hochstifts 10 (1894), S. 509–525; Arthur Brandeis: Goethe und Goldsmith. In: Chronik des Wiener Goethe-Vereins 12 (1898), S. 9–15.
Oliver Goldsmith. The Critical Heritage. Hg. v. George S. Rousseau. London u. Boston 1974, S. 190.
Oliver Goldsmith. The Critical Heritage, S. 276. — Ähnlich äußert sich zur selben Zeit der amerikanische Autor Washington Irving. Vgl. Critical Heritage, S. 265.
Walter Allen: The English Novel. London 1954, S. 77.
Vgl. vor allem Ricardo Quintana: Oliver Goldsmith. A Critical Study. New York 1967, S. 99–115; ferner Robert H. Hopkins: The True Genius of Oliver Goldsmith. Baltimore 1969, S. 166–230 (Kap. 5: »Fortune and the Heavenly Bank: The Vicar of Wakefield as Sustained Satire«).
Ricardo Quintana: The Vicar of Wakefield. The Problem of Critical Approach. In: Modern Philology 71 (1973), S. 59–65.
Vgl. Peter V. Marinelli: Pastoral. London 1971, S. 54, und Jeffrey L. Duncan: The Rural Ideal in Eighteenth Century Fiction. In: Studies in English Literature 8 (1968), S. 517–535.
Vgl. Bernd Kahrmann: Die idyllische Szene im zeitgenössischen englischen Roman. Bad Homburg v. d. H. 1969, S. 131.
Hopkins: True Genius, S. 166.
Zitiert nach: Critical Heritage, S. 46.
Monthly Review (Mai 1766); zitiert nach: Critical Heritage, S. 44.
Zitiert nach: Critical Heritage, S. 68.
Zur anti-sentimentalen Tendenz der Dramen Goldsmiths vgl. Elmar Lehmann: »Not merely sentimental«. Studien zu Goldsmiths Komödien. München 1974.
William F. Gallaway: The Sentimentalism of Goldsmith. In: Publications of the Modern Language Association of America 48 (1933), S. 1167–1181.
Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke Bd. 18. Hg. v. Bernhard Suphan (1883). Neudruck Hildesheim 1967, S. 208.
Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Zitiert nach: Goethes sämtliche Werke Bd. 6. Hg. v. Karl Goedeke. Stuttgart 1875, S. 292–330.
Herders Briefwechsel mit Caroline Flachsland. Hg. v. Hans Schauer. Bd. 1. Weimar 1926, S. 148. — Es sei daran erinnert, daß ›Laune‹ in der Goethezeit auch als poetologischer Terminus zur Bezeichnung der künstlerischen Fähigkeit verwendet wurde, unterschiedliche Gemüts- und Stimmungszustände nachzubilden und sie von höherer, vernünftiger Warte aus kritisch zu beurteilen (in Anlehnung an den englischen Begriff ›humour‹).
Herders Briefwechsel Bd. 2, S. 224.
Ebd. S. 237.
Ebd. Bd. 1, S. 155. — Der erste Satz von Goldsmiths vorgeschaltetem Advertisement lautet: »There are an hundred faults in this thing, and an hundred things that might be said to prove them beauties. But it is needless.«
Oliver Goldsmith: The Vicar of Wakefield. Hg. Joseph M. Dent. London 1972, S. 4.
Herders Briefwechsel Bd. 2, S. 325.
Goldsmith: Vicar, S. 7.
Herders Briefwechsel Bd. 1, S. 196.
Herder: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 341.
Ebd. S. 341.
Aus zahlreichen Belegen greife ich nur ein Beispiel heraus: »Wenn nun auch hier England und Deutschland große Gemeinschaft haben, wie weiter wären wir, wenn wir diese Volksmeinungen und Sagen auch so gebraucht hätten, als dort Chaucer, Spenser, Shakespeare auf Glauben des Volkes bauten, daher schufen und daher nahmen.« (Von der Ähnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst. In: Sämtliche Werke Bd. 9, S. 525).
Zu Herders Ossian-Rezeption vgl. Alexander Gillies: Herder und Ossian. Berlin 1933.
Herder: Briefe zur Beförderung der Humanität Bd. 2. Weimar 1971, S. 111.
Ebd. S. 113.
Als dramatisch-lyrische Mischform spinnt Erwin und Elmire die Thematik der Gedichteinlage »A Ballad« (»Turn, gentle hermit of the dale, / And guide my lonely way«) aus. Elmire ist unglücklich, daß sie ihren Liebhaber Erwin weggeschickt hat, der nun verschollen ist. Bernardo hat jedoch Erwin als verzweifelten Einsiedler im Walde entdeckt und führt die Liebenden wieder zusammen. Während in Goldsmiths Vicar die Ballade ausdrücklich als Gegenbeispiel zu den »luxuriant images, without plot or connection« der zeitgenössischen englischen Dichtung hingestellt wird, macht Goethe eine ironische Kritik des Sentimentalismus daraus. Im einleitenden Dialog mit Elmire verspottet die Mutter Olympia die modische Überfeinerung des Zeitgeschmacks: »Was sind alle die edelsten Triebe und Empfindungen, da ihr in einer Welt lebt, wo sie nicht befriedigt werden können, wo alles dagegen zu arbeiten scheint. Gibt das nicht Anlaß zum tiefsten Mißvergnügen, Anlaß zum ewigen Klagen?« (Goethe: Sämtliche Werke Bd. 4, S. 129).
Aus meinem Leben. 19. Buch; Sämtliche Werke Bd. 6, S. 563.
Vgl. Levy: Goethe und Goldsmith, S. 289f.
Oliver Goldsmith: The Traveller (Zeilen 161–164). In: Collected Works Bd. 4. Hg. v. Arthur Friedman. Oxford 1966, S. 2.
Goethe: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 253.
Goldsmith: The Traveller (Zeile 423f.). In: Collected Works Bd. 4, S. 268.
Goethe: Sämtliche Werke Bd. 1, S. 253f.
Gerhard Kaiser: Wandrer und Idylle. Göttingen 1977, S. 39–42.
Lawrence M. Price: Goldsmith, Sesenheim, and Goethe. In: Germanic Review 4 (1929), S. 237–247.
Den chronologischen Ablauf der Sesenheim-Episode hat jüngst Pierre Grapin noch einmal rekonstruiert (Dichtung und Wahrheit. 10. und 11. Buch. Verfahren und Ziele autobiographischer Stilisierung. In: Goethe-Jahrbuch 1980, S. 103–113). Grapin datiert die »eigentliche« Idylle auf den Zeitraum zwischen Mai und Juli 1771. Herders Aufenthalt in Straßburg dauerte von Anfang September 1770 bis April 1771.
Zur ›historischen Tendenz‹ vgl. Hans Mayer: Dichtung und Wahrheit. In H. M.: Zur deutschen Klassik und Romantik. Pfullingen 1963, S. 93–121.
Goethe: Sämtliche Werke Bd. 6, S. 304.
Ebd. S. 313.
Ebd. S. 313.
Ebd. S. 314.
Grapin: Dichtung und Wahrheit, S. 107.
Goethe: Sämtliche Werke Bd. 6, S. 316.
Ebd. Bd. 4, S. 376.
Ebd. S. 418. — Zu den motivischen Bezügen vgl. Lieselotte E. Kurth: Die zweite Wirklichkeit. Studien zum Roman des 18. Jahrhunderts. Chapel Hill 1969, S. 179f.
The Deserted Village (Zeilen 5–8). In: Collected Works Bd. 4, S. 287.
Sämtliche Werke Bd. 4, S. 400.
Ebd. S. 401f. — Nicht erhalten ist Goethes Übersetzung von The Deserted Village, die Johann Heinrich Merck 1772 als Privatdruck publizierte. Vgl. dazu Karl Viëtor: Goethe, Goldsmith und Merck. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 21 (1916), S. 78–94.
Kaiser: Wandrer und Idylle, S. 44.
Sämtliche Werke Bd. 6, S. 314.
Ebd. S. 197.
Ebd. S. 199.
Ebd. S. 315.
Ebd. S. 427.
Ebd. S. 426.
Ebd. S. 428.
Ebd. S. 429.
Wilhelm Meisters Lehrjahre (5. Buch, 7. Kapitel). In: Sämtliche Werke Bd. 4, S. 694.
Bodes Übersetzung erschien anonym unter folgendem Titel: Der Dorfprediger von Wakefield. Eine Geschichte, die er selbst geschrieben haben soll. Von neuem verdeutscht. Leipzig: bey Weidmanns Erben und Reich 1776. Sie enthält eine ausführliche Widmung des Übersetzers an Gräfin Caritas Emilia von Bernstorff. — Über Bode als Übersetzer äußert sich eingehend Peter Michelsen: Laurence Sterne und der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts. 2. Aufl. Göttingen 1972, S. 50–73; vgl. ferner Price: Aufnahme, S. 200.
Jakob Michael Reinhold Lenz: Der Landprediger. In: Erzählungen und Briefe. Hg. v. Joachim Seippel. Berlin 1978, S. 214. — Auch Karl Philipp Moritz’ Entwicklungsroman Anton Reiser (1785–90) verrät den Einfluß Goldsmiths, etwa in der Gestalt von Reisers Schulfreund Iffland, der zunächst ein Theologie-Studium plant, um in ländlicher Zurückgezogenheit seinen Traum eines idyllischen Privatlebens zu verwirklichen. Moritz hatte bereits 1782 von seiner Englandreise über Goldsmiths Vicar als Beispiel der wohlfeilen populären Literatur berichtet. Vgl. Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782. In: Wanderschaften und Schicksale. Hg. v. Gotthard Erler. Rostock 1975, S. 87f.
Johann Heinrich Voß: Das Fest im Walde (Luise, Zeilen 1–5). In: Sämtliche Werke. Bern 1969, S. 5. — Weitere Goldsmith-Einflüsse weist die Dissertation von Herta Sollas: Goldsmiths Einfluß in Deutschland im 18. Jahrhundert. Heidelberg 1903, nach, ohne allerdings über eine Materialsammlung hinauszuführen.
Friedrich von Blanckenburg: Versuch über den Roman. Hg. v. Eberhard Lämmert. Stuttgart 1965, S. 418.
Blanckenburg: Versuch, S. 415.
Ebd. S. 191f.
Vgl. dazu Eva Becker: Der deutsche Roman um 1780. Stuttgart 1964.
Goethe an Zelter, 25. 12. 1829; Goethes Briefe Bd. 4, Hg. v. Karl R. Mandelkow. Hamburg 1967, S. 359f. Die entsprechende Notiz in den Tagebüchern: Goethes Tagebücher Bd. 12. Weimar 1901, S. 169.
Michelsen: Laurence Sterne, S. 314.
Jean Paul: Vorschule der Ästhetik. In: Werke Bd. 5. Darmstadt 1962, S. 258. — Zur Idylle bei Jean Paul vgl. Ralph-Rainer Wuthenow: Gefährdete Idylle. In: Jean-Paul-Jahrbuch N. F. 1 (1966), S. 101–116.
Jean Paul: Vorschule, S. 259.
Als Beispiel sei genannt: The Vicar of Wakefield. A Tale by Oliver Goldsmith. Accentuiert, mit erläuternden Anmerkungen und einem vollständigen Wörterbuche von Karl Rudolf Schaub, evangelischem Pfarrer zu Heimsen, Synodalbezirk Minden. Achte vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig: Engelmann 1844. — Zur Geschichte der Goldsmith-Übersetzung und -Kritik im 19. Jahrhundert vgl. Ziegert: Goldsmiths Landprediger in Deutschland.
Ludwig Richters Illustrationen entstanden ursprünglich zu einer Neuübersetzung des Roman von Ernst Susemihl (1841). Dieser Text wurde zusammen mit den Illustrationen, die bezeichnenderweise vor allem Szenen melancholischer Einsamkeit und harmonischer Geselligkeit darstellen, neu aufgelegt als: Der Landprediger von Wakefield. Eine Erzählung von Oliver Goldsmith. Berlin o. J. [ca. 1930]. — Bereits die Übersetzung Bodes enthielt eine Titelvignette und ein Titel-Kupfer nach Daniel Chodowiecki, der 1777 eine Serie von zwölf Kupferstichen zu Goldsmiths Roman veröffentlichte. Vgl. Ziegert: Goldsmiths Landprediger, S. 510–514.
Goethe entlieh im April 1812 eine deutsche Übersetzung aus der Weimarer Bibliothek. Vgl. dazu Elise von Keudell: Goethe als Benutzer der Weimarer Bibliothek. Weimar 1931, S. 113.
An Zelter, 25. 12. 1829; Briefe Bd. 4, S. 360.
Goethes Gespräche mit Eckermann. Leipzig 1923, S. 430.
Ebd. S. 379.
Briefe Bd. 4, S. 360.
Tagebücher, S. 518.
Ebd. S. 309.
Ebd. S. 316.
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Pache, W. (1983). Idylle und Utopie: Zur Rezeption Oliver Goldsmiths in der Goethezeit. In: Richter, K., Schönert, J. (eds) Klassik und Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03181-5_6
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