Zusammenfassung
Die erste Republik auf deutschem Boden, die im Zeichen Weimars begann, nahm im Zeichen Weimars auch ihr Ende: mit den Feiern, Reden und Schriften zum Gedenkjahr 1932. Man kann den Aussagewert einer solchen Feststellung bezweifeln und meinen, daß es bloß Zufall war, wenn das Goethejahr zum letzten Jahr dieser Republik wurde. Doch kann es auch anders gesehen werden. Denn es ist so abwegig nicht, zwischen Anfang und Ende einen zwar nicht monokausalen, aber einen doch inneren Zusammenhang herzustellen — einen solchen, in dem die Bezeichnung der ersten deutschen Republik als einer Weimarer Republik beschlossen liegt; denn diese Bezeichnung ist weit entfernt, etwas ganz und gar Zufälliges zu sein. Der Auffassung eines solchen Zusammenhangs widersprechen die geschichtlichen Tatsachen, wie es scheint: die Wahl Weimars als Ort der Nationalversammlung hatte in erster Linie pragmatische Gründe. Berlin oder Potsdam kamen schon aus Gründen der inneren Sicherheit nicht in Frage. Man dachte an eine Stadt in der Mitte oder im Süden Deutschlands. Würzburg mit seinem ehrwürdigen Schloß wurde eine Zeitlang erwogen und diskutiert [1]; und daß der »Geist von Weimar« an der Wahl des Ortes beteiligt gewesen sei, wird von dem Historiker der neuen Verfassung (Willibalt Apelt) ausdrücklich bestritten: »Das Reichsamt des Innern war mit der Aufgabe betraut worden, einen geeigneten Ort für die Tagung zu finden, und schlug Erfurt, Eisenach oder Weimar vor. Ebert entschied sich für Weimar, jedoch nicht um den ›Geist von Weimar‹ gegen den ›Geist von Potsdam‹ auszuspielen, wie dies später so oft versucht worden ist, sondern lediglich aus dem sehr nüchternen Grunde, daß Weimar militärisch gut abzuschützen war und mit seinem neuen Theater eine recht brauchbare Stätte für die Sitzungen, dazu auch die Möglichkeit bot, Abgeordnete und Behördenvertreter in größerer Zahl unterzubringen«.
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Anmerkungen
Vgl. Heinrich Dunkhase: Würzburg als Sitz der Deutschen Nationalversammlung 1919. In: Versammlung des 33. Historikertages 1980 in Würzburg, S. 21–28.
Willibalt Apelt: Geschichte der Weimarer Verfassung. München 1964, S. 53/54.
Friedrich Ebert: Schriften, Aufzeichnungen, Reden. Zweiter Band. Dresden 1926, S. 155/56.
Zitiert nach Winfried Schüler: Der Bayreuther Kreis. Münster 1971, S. 82.
Rudolf Eucken: Zur Sammlung der Geister. 4. und 5. Tsd. Leipzig 1914, S. 15.
Vgl. Hermann Lübbe: Politische Philosophie in Deutschland. 1963, 2. Aufl. 1974.
Die Klassik-Legende. Hg. von Reinhold Grimm und Jost Hermand. Frankfurt 1971, S. 7.
Hans Robert Jauß: Racines und Goethes Iphigenie. Mit einem Nachwort über die Partialität der rezeptionsästhetischen Methode. In: Rezeptionsästhetik. Hg. von Rainer Warning. München 1975, S. 374.
Hans Schwerte: Faust und das Faustische. Ein Kapitel deutscher Ideologie. Stuttgart 1962, S. 11/12.
Egon Erwin Kisch: Gesammelte Werke. Hg. von Bodo Uhse und Gisela Kisch. Bd. V. Berlin/Weimar 1974, S. 401 ff.
Hierzu Helga Gallas: Marxistische Literaturtheorie. Kontroversen im Bund proletarischrevolutionärer Schriftsteller. Neuwied/Berlin 1971; bes. S. 48.
Zu verweisen ist ferner auf den von Peter Ludz herausgegebenen Band ausgewählter Schriften und auf die Einleitung dort: Georg Lukács: Schriften zur Literatursoziologie. Neuwied 1961.
P. Ludz: Lukács, Schriften zur Literatursoziologie, S. 122. — Vgl. auch Helga Gallas: Marxistische Literaturtheorie. Neuwied 1971, S. 135.
Vgl. H. Gallas: ebda, S. 170; — Rolf Günter Renner: Aesthetische Theorie bei Georg Lukács. Bern 1976, S. 169 ff.
Georg von Lukács: Die Seele und die Formen. Essays. Berlin 1911.
Wilhelm von Scholz: An Um und Isar. Lebenserinnerungen. Leipzig 1939, S. 115.
Hugo von Hofmannsthal/Harry Graf Keßler: Briefwechsel 1898–1939. Hg. von Hilde Burger. Frankfurt 1968, S. 44.
Samuel Lublinski: Die Bilanz der Moderne. Berlin 1904. — Der Ausgang der Moderne. Dresden 1909. — Beide Texte hat Gotthart Wunberg/ in der Reihe „Deutsche Texte“ (Max Niemeyer Tübingen) 1974 und 1976 neu herausgegeben.
Hierzu Eberhard Lämmert: Der Dichterfürst. In: Dichtung, Sprache, Gesellschaft. Hg. von Victor Lange und Hans-Gert Roloff. Frankfurt 1971, S. 439–455.
Ernst Toller: Prosa, Briefe, Dramen, Gedichte. Reinbek 1961, S. 46.
Sämtliche Werke. Hg. von Hans-Egon Hass. Berlin 1963. Bd. VI, S. 732/33.
Vgl. Hans R. Vaget/Dagmar Barnouw: Studien zu Fragen der Rezeption. Bern/Frankfurt 1975; ferner der schon genannte Beitrag von Vaget in: Jahrbuch der Deutschen SchillerGesellschaft 17 (1973), S. 432–454.
Vgl. Helm Stierlin: Eltern und Kinder im Prozeß der Ablösung. Familienprobleme in der Pubertät. Frankfurt 1975.
Claude David: Stefan George. München 1961, S. 282.
Georg Simmel: Zur Philosophie der Kunst. Philosophische und kunstphilosophische Aufsätze. Potsdam 1922, S. 85.
Friedrich Wolters: Stefan George und die Blätter für die Kunst. Deutsche Geistesgeschichte seit 1890. Berlin 1930, S. 159/60.
Friedrich Gundolf: Goethe. Berlin 1916, S. 1.
Friedrich Hölderlin: Historisch-kritische Ausgabe, hg. von D. E. Sattler. Frankfurt 1975, S. 17.
Alfred Döblin: Schicksalsreise. Bericht und Bekenntnis. Frankfurt 1949, S. 159.
Hierzu Friedrich Gundolf: Romantiker. Berlin 1930. — Romantiker. Neue Folge. Berlin 1931.
Der Kleist-Preis. 1912–1932. Eine Dokumentation. Hg. von Helmut Sembdner. Berlin 1968.
Friedrich Gundolf: Heinrich v. Kleist. Berlin 1924, S. 93.
Friedrich von der Leyen: Deutsche Dichtung in neuer Zeit. Jena 1922, S. 230–232.
Max Nordau: Entartung. 2. Bd. Berlin 1893 (in 2. Aufl.). Jens Malte Fischer hat sich in neuerer Zeit mit diesem seinerzeit verbreiteten Werk energisch auseinandergesetzt: Dekadenz und Entartung — Max Nordau als Kritiker des Fin de Siècle, in: Fin de Siècle, hg. von Roger Bauer u. a. Frankfurt 1977, S. 93–111.
Peter Szondi: Poetik und Geschichtsphilosophie I. Frankfurt 1974, S. 53.
Günter Kunert: Pamphlet für K. In: Sinn und Form 27 (1975), S. 1091–1097, jetzt auch in: Die Aktualität Kleists. Darmstadt 1982, S. 229–231.
Vgl. Max Kommereil: Geist und Buchstabe der Dichtung. Frankfurt 1943.
Ludwig Marcuse: Mein zwanzigstes Jahrhundert. Auf dem Weg zu einer Autobiographie. München 1960, S. 139.
Karl Viëtor: Goethes Altersgedichte (Euph. 1932), jetzt in: Geist und Form. Bern 1952, S. 144–193.
Else Buddeberg: Gottfried Benn. Stuttgart 1961, S. 71. — Anders Jürgen Schröder in seinem Buch: Gottfried Benn. Poesie und Sozialisation. Stuttgart 1980. Eine ausführliche Begründung solcher von der neueren Forschung abweichender Auffassungen enthält ein mehrfach gehaltener Vortrag über diesen Essay Benns, der demnächst erscheinen soll.
Walter Laqueur: Weimar. Die Kultur der Republik. Berlin 1977, S. 62.
Literatur im Klassenkampf. Zur proletarisch-revolutionären Literaturtheorie 1919–19 Hg. von W. Fähnders und M. Rector. München 1971, S. 71.
Vgl. dagegen: Die Geschichtlichkeit der Moderne. Festschrift für Ulrich Fülleborn, hg. von Theo Elm. München 1982. Hier wird der Begriff etwas anders gebraucht: im Sinne der Vorgeschichte oder Einbettung in die geschichtliche Welt.
Vgl. Walther Gerlach: Die Fortentwicklung der klassischen Physik, in: Propyläen Weltgeschichte, 9. Bd., Berlin 1960, S. 472.
Vgl. Walther F. Otto: Die Berufung des Dichters. In: Hölderlin-Gedenkschrift. Hg. von Paul Kluckhohn. Tübingen 1944, S. 203–223.
StA VI/426. — Zur »Überwindung des Klassizismus« vgl. Peter Szondi: Überwindung des Klassizismus. Der Brief an Boehlendorff vom 4. Dez. 1804. In: Hölderlin-Studien. Frankfurt 1970, S. 95–118.
Vgl. Max L. Baeumer: Der Begriff »klassisch« bei Goethe und Schiller. In: Reinhold Grimm/ Jost Hermand: Die Klassik-Legende. Frankfurt 1971, S. 17–49.
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Müller-Seidel, W. (1983). Einleitung Weimarer Klassik und Weimarer Republik. In: Die Geschichtlichkeit der deutschen Klassik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03177-8_1
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