Zusammenfassung
Eine genuine Funktion von Kunst und Literatur ist bisher nicht aufgeführt worden: daß sie Freude bereiten. Für Aristoteles ist die Freude an der Dichtung nicht allein »in der Natur gegründet«, sondern zusammen mit der den Menschen angeborenen Fähigkeit zur Mimesis Ursache der Dichtung:
»[…] und außerdem freuen sich alle Menschen an den Nachahmungen.« [1] In der Formel des Horaz »aut prodesse volunt aut delectare poetae« [2], die zumeist im Zusammenhang des bis ins 18. Jahrhundert gültigen Postulats zitiert wird, Kunst habe nützlich zu sein, ist die Funktion der Literatur, Freude zu bereiten, ebenso festgehalten, wie in dem ersten Satz, mit dem Kant den ersten Teil der Kritik der Urteilskraft beginnt, und in der zentralen Bedeutung, die das Wohlgefallen für seine weiteren Überlegungen hat: »Um zu unterscheiden, ob etwas schön sei oder nicht, beziehen wir die Vorstellung nicht durch den Verstand auf das Objekt zum Erkenntnisse, sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht mit dem Verstande verbunden) auf das Subjekt und das Gefühl der Lust oder Unlust desselben.« [3]
»Gedichte sind gemalte Fensterscheiben! Sieht man vom Markt in die Kirche hinein, Da ist alles dunkel und düster; Und so siehts auch der Herr Philister: Der mag denn wohl verdrießlich sein Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein, Begrüßt die heilige Kapelle! Da ists auf einmal farbig helle, Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle, Bedeutend wirkt ein edler Schein; Dies wird euch Kindern Gottes taugen, Erbaut euch und ergetzt die Augen!«
J. W. Goethe
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Wild, R. (1982). Freude an der Literatur. In: Literatur im Prozeß der Zivilisation. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03170-9_19
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03170-9_19
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