Zusammenfassung
Bisher wurde versucht, die Problematik des Hofmeistertums von der gelebten Kontinuität der häuslichen Erziehung und ihrem Selbstverständnis her anzugehen, von der Spiegelung des Hofmeistermotivs in der Dichtung und dem Schicksal der lehrenden Schriftsteller, von den kodifizierten Erwartungen an die Hauslehrer, ferner von ihrem sozialen Status, jetzt muß noch gefragt werden, ob und inwiefern die theoretische Pädagogik von der Institution der Privatunterweisung beeinflußt war bzw. diese prägte.
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Anmerkungen
In der deutschen pädagogischen Bewegung, die auf Rousseau folgte, etwa Campe, hat man dieses Grundmotiv mehrfach variiert. Siehe Ludwig Fertig, Campes politische Erziehung. Eine Einführung in die Pädagogik der Aufklärung, Darmstadt 1977.
Rousseau, Nouvelle Héloïse, 5. Teil, 3. Brief.
Siehe z. B. Johannes von den Driesch / Josef Esterhues, Geschichte der Erziehung und Bildung, Bd. 2, Paderborn, 31952, S. 109.
Siehe z. B. Georg Holmsten, Jean-Jacques Rousseau in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1972, S. 43 f.
Vgl. zu diesen Einflüssen z. B. die Einleitung Martin Rangs zum »Emile«, Stuttgart 1965, S. 16.
Siehe ebd. S. 971, Anm. 62.
Vgl. den betr. Abschnitt in: K. A. Schmid, Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, IV, 1, Stuttgart 1896.
Vgl. dazu Gerth S. 91 f.: »Wir sahen oben, das Kind wurde wohl meist in der autoritär-patriarchalen Hausgemeinschaft geschützt vor der Zuchtrute des Informators durch die Mutter und durch den höheren sozialen Rang. Andererseits mußte der Informator danach streben, die Achtung des Zöglings zu erwerben, wenn er seiner pädagogischen Aufgabe genügen und vor seiner Selbstachtung bestehen wollte. In diesem Dilemma hatte er die Chance, im Kinde den erziehbaren und bildsamen Zögling zu entdecken, will sagen, das Kind war nicht mehr bloß zu domenstizierender Wildling oder bloß fehlerhafter Erwachsener, sondern die Kindheit wurde dem erinnernden Verstehen klar als in sich eigenständige Alters- und Entwicklungsstufe; im distanzierenden Verständnis gewinnt der Erwachsene Einsicht in die Andersartigkeit der kindlichen Welt, in deren Eigengesetzlichkeit er sich einfügen muß, wenn er entgegenkommend den Zögling aus ihr führen will, die soziale Anschlußlosigkeit verwies den Informator in die Gesellschaft des Kindes; es mochte nahe liegen, aus der Not eine Tugend zu machen.«
Die wohl ausführlichste Aufzeichnung des Tagesablaufs und der Lernfortschritte bei einer Privatunterweisung haben wir in Johann Friedrich Gottfried Delbrücks, des Bruders Friedrich Delbrücks, »Denkwürdigkeiten meines Berufsgeschäfts bey den Königl. Prinzen«. Delbrück war von Basedow beeinflußt, hatte bei Niemeyer in Halle gewohnt und studiert und war auch von diesem als Prinzenerzieher den Hohenzollern empfohlen worden. Abgedruckt in: Georg Schuster (Hrsg.), Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV von Preußen und des Kaisers und Königs Wilhelm I. (= MGP Bd. 36, Berlin 1907, Bd. 37, Berlin 1907, Bd. 40, Berlin 1907).
So findet man in J. Reins repräsentativem Werk »Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik« neben den Abschnitten über Privatschulen und Prinzenerziehung auch solche über Hauslehrer und Hauspädagogik.
Vgl. dazu: K. A. Schmid, Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, IV, 2, Stuttgart 1898, S. 40 ff.
Ein Blick in das »Elementarwerk« belegt dieses. Vgl. z. B. die Kapitelüberschrift »Vom Gebrauch und Mißbrauch des Elementarwerkes in Schulen, von Hofmeistern und Hofmeisterinnen«. Johann Bernhard Basedow, Elementarwerk, hg. v. Theodor Fritzsch, Bd. 1, Leipzig 1909, Nachdr. Hildesheim/N.-York 1972, S. 39 ff.
Vgl. für das Folgende Schmid S. 35 ff.
Johann Bernhard Basedow, Ausgewählte pädagogische Schriften, hg. v. A. Reble, Paderborn 1965, S. 130.
Vgl. Ludwig Fertig, Campes politische Erziehung. Eine Einführung in die Pädagogik der Aufklärung, Darmstadt 1977, S. 86 ff.
Ebd. S. 117.
Braunschweigisches Journal, 1790, 12. Stück, S. 386.
Fertig S. 88.
Vgl. z. B.: Friedrich Schaffstein, Wilhelm von Humboldt. Ein Lebensbild, Frankfurt/Main 1952, S. 13 ff., und Herbert Scurla, Wilhelm von Humboldt. Werden und Wirken, Düsseldorf 1976, S. 22 ff.
Zit. nach: Rudolf Freese (Hrsg.), Wilhelm vom Humboldt. Sein Leben und Wirken, dargestellt in Briefen, Tagebüchern und Dokumenten seiner Zeit, o. O., o. J., S. 422.
Siehe Brief v. Wolf v. 12. 12. 1801, ebd. S. 429 f.
Vgl. den Kommentar in: A. H. Niemeyer, Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Erzieher, Halle 1796, hg. v. Hans-Hermann Groothoff und Ulrich Herrmann, Paderborn 1970.
»Niemeyer ist vor allem von pietistischen und neuhumanistischen Motiven bestimmt. Vereinfachend könnte man seine Pädagogik als eine Resultante aus Pietismus, Humanismus und Kantischer Philosophie bzw. neologischer Theologie bezeichnen.« Ebd. S. 382.
»Im Zweifelsfalle kommt alles darauf an, wie der Erwachsene mit dem Heranwachsenden als einer potentiellen Person umgeht und diesen in sein Leben einführt.« Ebd. S. 397.
Vgl. Hans-Hermann Groothoff, Funktion und Rolle des Erziehers, München 1972, S. 83 f.
Die folgende Aufzählung nach der ersten Auflage.
Johann Michael Sailer, Ueber Erziehung für Erzieher oder Pädagogik, hg. v. Joseph Widmer, Bd. 1, Sulzbach 1831, S. 141 ff.
Immanuel Kant, Über Pädagogik, hg. v. Hermann Holstein, 3Bochum o. J., S. 39.
Vgl. zu Fichte: Heinrich Gerbracht, Das Problem der Hauslehrerpädagogik von der Reformation bis Herbart, Diss. Köln 1928, S. 2 ff.
Vgl. z. B. Wilhelm Dilthey, Leben Schleiermachers, in: Ges.Schr. Bd. 13/1, Göttingen 1970, S. 53 ff.
Siehe z. B. Friedrich Schleiermacher, Päd. Schr., hg. v. Theodor Schulze und Erich Weniger, Bd. 1, Düsseldorf/München, 21966, S. 58 ff.
Ebd. Bd. 2, Düsseldorf/München 1957, S. 180 f.
Siehe dazu Horst Friebel, Über den Begriff der öffentlichen Erziehung in der Pädagogik Schleiermachers, in: Berthold Gerner (Hrsg.), Schleiermacher. Interpretation und Kritik, München 1971, S. 103 ff.
Vgl. z. B. Friedrich Fröbel, Ausgew. Schr., hg. v. Erika Hoffmann, Bd. 1, Düsseldorf/München 1951, S. 151 ff., und Marie-Anne Kuntze, Friedrich Fröbel. Sein Weg und sein Werk, Heidelberg 21952, S. 22 ff.
Darauf hat hingewiesen: Dietrich Benner, Herbart als Schultheoretiker. Zur Bedeutung seiner Konzeption des »erziehenden Unterrichts« für eine Entschulung der Schule, in: Friedrich W. Busch / Hans-Dietrich Raapke (Hrsg.), Johann Friedrich Herbart. Leben und Werk in den Widersprüchen seiner Zeit, Oldenburg 1976, S. 53 ff.
Allg. Päd., Einleitung, 20.
Siehe Walter Asmus, Johann Friedrich Herbart. Eine pädagogische Biographie, Bd. 1, Heidelberg 1968, S. 57 ff.
Vgl. für das Folgende vor allem Asmus Bd. 1, S. 108 ff; J. Fr. Herbart: Hauslehrerberichte und pädagogische Korrespondenz 1797–1807. Eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Wolfgang Klafki, Weinheim o. J. (hier die entscheidenden Quellen), und Gerbracht S. 20 ff.
Vgl. Klafki S. 10: »In den Hauslehrererfahrungen liegen, biographisch und zugleich systematisch gesehen, die Ursprünge der pädagogischen Theorie Herbarts!«
Zit. nach Gerbracht S. 34.
Siehe Klafki S. 12 über die von ihm vorgelegten Quellen: »Die Texte dieses Heftes können, über den ersten Aspekt hinaus, als ›Ursprünge‹ der pädagogischen Theorie des reifen Herbart und damit als Einführung in sein pädagogisches System, insbesondere in die ›Allgemeine Pädagogik‹ (1806) betrachtet werden; stößt man doch — teils der Sache nach, teils schon in der späteren begrifflichen Fassung — bereits in diesen Berichten und Briefen auf die meisten Zentralprobleme der späteren Erziehungstheorie Herbarts, und zwar hier im konkreten Zusammenhang der aus lebendiger Erfahrung aufsteigenden Reflexion; auf das Problem des ›erziehenden Unterrichts‹ im Verhältnis zur ›Zucht‹ als einer ›kontinuierlichen Begegnung‹; auf die Frage der ›Regierung‹ als Voraussetzung von Unterricht und Zucht; auf das Phänomen des ›pädagogischen Taktes‹ und die intensive Bemühung um Erfassung und Förderung der Individualität des Zöglings; auf das Erspüren der bereits vorhandenen oder zu erweckenden ›Interessen‹ des Zöglings; auf die Frage nach der Ermöglichung geistiger Konzentration im Unterricht und auf die Bemühung um Kontinuität der unterrichtlichen und erzieherischen Entwicklung; auf das von Herbart auch später nie gelöste Problem des Verhältnisses von ›Kontemplation‹ und aktiver Handlung im Zusammenhang der Charakterbildung; auf die Idee der (wie Herbart wenige Jahre später sagt:) ›ästhetischen Darstellung der Welt als des Hauptgeschäftes der Erziehung‹; auf den Gedanken, den altsprachlichen Unterricht mit der Odyssee-Lektüre zu beginnen; auf die Anknüpfung des Unterrichts an die (sachliche) ›Erfahrung‹ und den (menschlichen) ›Umgang‹ des Zöglings außerhalb der Unterrichtszeit; auf die Konzeption zweier Unterrichtsbereiche, die einerseits Bildung der ›Erkenntnis‹, andererseits Bildung der ›Teilnahme‹ ermöglichen sollen.«
Siehe Asmus S. 151.
Zit. ebd. S. 109 f.
Herbarts Briefe an den Altlandvogt Steiger über seiner Fortschritte mit den Zöglingen (Joh. Fr. Herbart, Sämtliche Werke, hrsg. v. Karl Kehrbach, Bd. 1, Langensalza 1887, S. 39 ff.) belegen sein inniges Verhältnis zur Familie.
Vgl. ebd. S. 135: »Mit seinem die Totalität des Seins ergreifenden Einswerden von Erzieher und Zögling erfuhr beider personale Beziehung antiken, an den sokratisch-platonischen Eros selbst rührenden Ausdruck.«
Ebd. S. 136.
Ebd.
Das Folgende nach Gerbracht S. 35 ff.
Ebd. S. 36.
Herbart, Umriß pädagogischer Vorlesungen, § 337.
Vgl. dazu vor allem Benner, Herbart als Schultheoretiker.
Johann Friedrich Herbart, Kleine Schriften zur Pädagogik, hrsg. von Theo Dietrich, Bad Heilbrunn 1962, S. 7.
Ebd. S. 8.
Ebd. S. 10.
Ebd.
Ebd. S. 10 f.
Ebd. S. 11.
Ebd. S. 12.
Ebd. S. 12. — Caselmann (Christian Caselmann, Der unsystematische Herbart, Heidelberg 1962, S. 41) bemerkt hinsichtlich anderer Herbart-Zitate: »Herbart zielt also, was in der Folge ganz übersehen wurde, mit seiner Pädagogik praktisch auf Elitebildung, auf aristokratische Bildung und hat nicht die allgemeine Volksbildung im Auge! Der Weg zum Charakter geht für Herbart über den Unterricht; erziehender Unterricht aber ist nur bei einer ganz kleinen Schülerzahl möglich, weil nur hier individualisiert werden kann und die Tyrannei des Stoffes vermieden wird. Nur wenn individualisiert werden kann, kann der Gedankenkreis wirksam werden, d. h. in Gefühle, Willensimpulse, in Haltungen und Handlungen umgesetzt werden. Es ist eine Paradoxie der Geschichte, daß Herbarts Pädagogik zur Bibel für den Volksschulunterricht des Staates wurde, in dem das nötige Individualisieren unmöglich war und bei dem es notwendiger Weise infolge des so vielseitigen Gedankenkreises zu einer intellektuellen Überforderung der Kinder kommen mußte; die herbartianische Volksschule wurde zu einer unherbartischen, einseitigen, intellektualistischen Massen- und Paukschule.«
Zit. nach Theo Dietrich (Hrsg.), Die pädagogische Bewegung »Vom Kinde aus«, Bad Heilbrunn, 21967, S. 95.
Ebd. S. 96.
Zit. nach Norbert Kluge (Hrsg.), Das pädagogische Verhältnis, Darmstadt 1973, S. 1.
Vgl. dagegen Hans-Jochen Gamm. Kritische Schule. Eine Streitschrift für die Emanzipation von Lehrern und Schülern, München 1970, S. 28: »Der pädagogische Bezug war nach dem Kontaktmodell zwischen einem Erzieher und einem Zögling konstruiert und ließ darin noch die feudale Hauslehrersituation durchscheinen, als man dem jungen Adeligen einen studierten ›Hofmeister‹ hielt, der ihn in die Anfänge der Wissenschaft einführte, seinerseits aber auf Domestikenebene blieb. Bertolt Brechts Bearbeitung des Lenzschen Schauspiels ›Der Hofmeister‹ beleuchtet scharf die soziale Problematik dieses Berufsstandes. Es war nicht ohne Bedeutung, daß einige der pädagogischen Klassiker — wie Herbart und Schleiermacher — ihr Brot zeitweise in Hauslehrerfunktion verdienten und aus diesem Modell Anregungen für ihre späteren pädagogischen Theorien entlehnten.«
Vgl. Werner Faber, Das Dialogische Prinzip Martin Bubers, Ratingen, 21976, S. 34 f.
Vgl. Berthold Gerner (Hrsg.), Personale Erziehung, Darmstadt 1965, und Norbert Kluge (Hrsg.), Das pädagogische Verhältnis, Darmstadt 1973.
Hermann Nohl, Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie, Frankfurt/Main 61963, S. 124 ff.
Daß auch die in der rein geisteswissenschaftlichen Tradition stehende Nohl-Schule die Verhaftung der Bezugs-Theorie in der Hauslehrerpraxis nicht sah, belegt das Buch von Helene Hertz, Die Theorie des pädagogischen Bezuges, Langensalza 1932.
Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie, Gesammelte Schriften, Bd. 6, Frankfurt/M. 1973, S. 413 ff. bes. S. 423.
Vgl. Gamm S. 28 f.
Ebd. S. 28 ff.
Gamm S. 30 spricht in diesem Zusammenhang vom »Lehrdienstverweigerer«.
Jean Paul, Werke, Bd. 5, München 1963, S. 663.
Ebd. S. 668.
Vgl.: Die Psychologie des 20. Jdts, Zürich 1976, Bd. 2, S. 487 und 919 f., und Hubertus Tellenbach, Suchen nach dem verlorenen Vater, in: Hubertus Tellenbach (Hrsg.), Das Vaterbild in Mythos und Geschichte, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976, S. 7–11, S. 7.
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Fertig, L. (1979). Pädagogen und Pädagogik. In: Die Hofmeister. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03126-6_6
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