Zusammenfassung
Eine erste Annäherung an das Hofmeisterproblem ermöglicht die Literaturgeschichte. Wer erinnert sich nicht an Jakob Michael Reinhold Lenz’ Tragikomödie [1] Der Hofmeister mit dem ironischen Untertitel »Oder Vorteile der Privaterziehung«, die 1774 — auf Veranlassung Goethes — gedruckt wurde und welche die Zeitgenossen — so etwa Schubart — für ein neues leidenschaftliches, kraftstrotzendes, stürmisch-drangvolles Stück des Götz-Autors hielten? [2] Wir wollen das Drama, das paradigmatische Bedeutung zu haben scheint, ausführlich behandeln. Wem kommen nicht die Szenen ins Gedächtnis, in denen der Satiriker Lenz das Anschleichen des Pastorensohns Läuffer an seine Herrschaft, die ihn als Erzieher mieten wird, auf die Bühne bringt, nicht die Scharrfüße, mit denen er in der ersten Szene seinem Herrn Reverenzen erweist, welche so nachdrücklich sein geäußertes Selbstbewußtsein in Frage stellen? [3] Läuffer produziert sich damit dem Major von Berg, einem ungeschliffenen ostpreußischen Landadeligen, als »ein ganz artiges Männichen« (I,2) [4]; auch in der Szene, in der er der Majorin gegenüber seine Fähigkeiten anpreist, setzt er sich in Pose und figuriert à la mode (I,3).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Vgl. zur Gattungsbezeichnung Heinz Otto Burger, J. M. R. Lenz: »Der Hofmeister«, in: Hans Steffen (Hrsg.), Das deutsche Lustspiel, Teil 1, Göttingen o. J. (1968), S. 48–67.
Siehe M. N. Rosanow, Jakob M. R. Lenz, Leipzig 1909, S. 207.
Brecht hat später in den Anmerkungen seiner Bearbeitung des »Hofmeisters« hervorgehoben, diese Scharrfüße seien zu spielen als »eine artistische Prozedur, die Läuffers Unterwürfigkeit, tänzerische Ausbildung und Verhungertheit, nicht zu vergessen etwas Ungelenkes bei ihm in Maß und Rhythmus bringen.« Bertolt Brecht, Gesammelte Werke in 20 Bdn, Frankfurt/Main 1967, Bd. 17, S. 1240. Die Szene zeige den stellungsuchenden Pädagogen »sozusagen auf dem Strich.« Ebd. S. 1223.
Zitiert wird Lenz nach: Sturm und Drang. Dramatische Schriften, Bd. 1, Heidelberg o. J., S. 135 ff.
Brecht hat angemerkt, die Szene erhalte ihre Bedeutung durch die Kunst des Schauspielers, »die aufsässige, brutale Vitalität des niedriggeborenen Läuffers in den Schnürstiefel der feudalen Etikette geschnürt aufzuzeigen.« Brecht, S. 1250. Vgl. auch ebd. S. 1224 f.
Siehe Rosanow, S. 208.
Siehe z. B. Werner Meier, Der Hofmeister in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Diss. Zürich 1938, S. 84.
Vgl. W. Meier, S. 86 f.
Bertolt Brecht, Gesammelte Werke, Frankfurt/Main 1967, Bd. 6, 2333. Brecht hat dazu angemerkt, in seiner Aufführung sei dem Sprecher des Prologs »etwas von der Mechanik von Glockenspielfiguren verliehen« worden, da er »die ganze historische Spezies Hofmeister vertritt.« Ebd. Bd. 17, S. 1222.
Vgl. z. B.: Wolfgang Stammler, »Der Hofmeister« von Jakob Michael Reinhold Lenz. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Diss. phil. Halle 1908, S. 35.
Siehe Rosanow S. 239 ff.
Ebd. S. 234 und S. 378.
Einzelheiten bei Rosanow S. 401, 404 f., 414 f.
Siehe Stammler S. 44 f.
In: »Komedia« Bd. 15, Berlin 1969.
Vgl. vor allem: Stammler a.a.O. und Hermann Ritter, Die pädagogischen Strömungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in den gleichzeitigen deutschen pädagogischen Romanen und romanhaften Darstellungen, Diss. phil. Halle (S.) 1938.
(Johann Georg Heinrich) Feder, Der neue Emil oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen, Erlangen 1768. Bereits 1774 gab es eine 3. Auflage. Vgl. z. B. Hermann Ritter S. 3 ff.
Johann Heinrich Merck wünschte in seiner Rezension, »daß die Erziehung des Basedowschen Prinzen weniger auf Ausmeublierung seines Kopfes abzielen, und das Ganze nicht solch ein gewaltiger Educationshandel von Realien seyn möchte.« Johann Heinrich Merck, Werke, Frankfurt 1968, S. 533.
Vgl. Ritter S. 13 ff.
Vgl. Friedrich Sengle, Wieland, Stuttgart 1949, S. 260.
Siehe Hans Schulz, Joh. Gottlieb Fichte als Hauslehrer, Langensalza 1919, S. 7 ff.
Siehe Stammler S. 17 f. — Werner Meier, S. 66 ff. folgt ihm z. T. wörtlich — ohne Zitatangabe.
(Johann Gottwerth Müller), Siegfried von Lindenberg, Neue, verbesserte und vermehrte Aufl., Carlsruhe, 1791, Teil 1, S. 14 f.
Zitiert nach Stammler S. 19 f.
Wilhelm Harnisch, Das Leben des fünfzigjährigen Hauslehrers Felix Kaskorbi oder die Erziehung in Staaten, Ständen und Lebensverhältnissen ein Nutzbuch den guten, ein Trutzbuch den schlechten Eltern, den Hauslehrern und ihren Herrn ein Spiegel, allen Erziehern und Lehrern ein Handweiser, und manchen Staatsbeamten eine Warnungstafel, 2 Bde, Breslau 1817.
Werke in 6 Bdn, hg. v. Norbert Miller, Bd. 1, München 1960, S. 105.
Ebd. S. 82.
Ebd. S. 124.
Ebd. S. 125.
Ebd. S. 129 ff.
Ebd. S. 133.
Ebd. S. 135.
Ebd. Bd. 3, München 1961, S. 93.
Wilhelm Raabe, Sämtliche Werke, 1. Serie, Bd. 5, Berlin o. J. S. 136.
Ebd. S. 137.
Ebd. S. 138.
Ebd. S. 142.
Ebd. S. 146.
Ebd. S. 187 f.
Literaturangaben bei Franz Anselm Schmitt (Hrsg.), Beruf und Arbeit in deutscher Erzählung. Ein historisches Lexikon, Stuttgart 1952, S. 259 f.
Wilhelm Roeßler, Die Entstehung des modernen Erziehungswesens in Deutschland, Stuttgart 1961, S. 38 f.
Ebd. S. 255 u. S. 17, 141, 255.
Ebd. S. 139.
Siehe MGP Bd. 14, S. LXXX, und Bd. 19, S. CXXII f.
Nach: Wilhelm Dorn, Benjamin Neukirch. Sein Leben und seine Werke, Weimar 1897, S. 12. — Die übrigen biographischen Daten dieses Abschnittes sind, wenn nicht anders vermerkt, der ADB und folgendem Werk entnommen: Richard Newald, Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit, 1570–1750, München, 61967 (= de Boor/Newald, Gesch. d. dt. Lit. Bd. 5) und ders., Von Klopstock bis zu Goethes Tod, 1750–1832, T. 1, München 1957 (= de Boor/Newald, Gesch. d. dt. Lit., Bd. 6/1.)
Siehe Marian Szyrocki, Der junge Gryphius, Berlin (Ost) 1959, S. 76.
Ebd. S. 109 ff. und ders., Andreas Gryphius. Sein Leben und Werk, Tübingen 1964, S. 28 ff.
Ebd. S. 31 ff.
Talander, Der getreue Hoffmeister adelicher und bürgerlicher Jugend …, Leipzig 1706.
Einleitung von Ludwig Fulda zu: Die Gegner der zweiten schlesischen Schule, 1. Teil: Johann Christian Günther, hg. v. Ludwig Fulda (Deutsche National-Litteratur, hg. v. Joseph Kürschner, Bd. 38, Berlin/Stuttgart o. J.), S. XXI.
Siehe J. G. Seume, Prosaische und poetische Werke, Bd. 1, Berlin o. J., S. 85 (Fortsetzung von »Mein Leben« von Clodius). Vgl. auch: Inge Stephan, Johann Gottfried Seume. Ein politischer Schriftsteller der deutschen Spätaufklärung, Stuttgart 1973, S. 23.
Johann Heinrich Voß, Abriß meines Lebens, Rudolstadt 1818, S. 5.
Vgl. Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, Bd. 1, Leipzig 1872, S. 46 ff.
Vgl. zu Merck: Helmut Prang, Johann Heinrich Merck, o. O., 1949, S. 28 ff.
18. 7. 67 an Riedesel. Siehe dazu und zum Folgenden Franz H. Mautner, Lichtenberg. Geschichte seines Geistes, Berlin 1968, S. 32 f., 59, 61, 129, 132 f., 160.
Die betreffenden Briefe Lichtenbergs: Georg Christoph Lichtenberg, Briefe, hg. v. A. Leitzmann und C Schüddekopf, Bd. 1, Leipzig 1901, S. 4, 160, 249, 251, 261.
In: Wielands Ges. Werke, Akademieausg., 1. Abt. Bd. 4, S. 176–182.
Vgl. zu den biografischen Umständen Friedrich Sengle, Wieland, Stuttgart 1949, S. 68 ff.
Neben anderen Schülernachschriften ist die »Gesch. der Gelehrtheit« abgedr. in: Akademieausgabe, 1. Abt., Bd. 4, außerdem wurde diese Vorlesung herausgegeben von L. Hirzel, Frauenfeld 1891.
Vgl. auch Sengle S. 70.
Siehe z. B. Walther Harich, Jean Paul, Leipzig 1925, S. 174 ff., und Günter de Bruyn, Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter, Frankfurt/Main 1976, S. 68 ff.
Siehe Walther Harich S. 184 ff.
Jean Paul, Werke in 6 Bdn, hg. v. Norbert Miller, Bd. 1, München 1960, S. 135. Vgl. zu Jean Pauls Bemühung, die Kinder beim Lernprozeß zu aktivieren, die Bemerkung ebd. S. 78, die Komödien, die sich die Kinder machen, seien weitaus nützlicher als die, die sie nur spielen, und seien sie von Weiße. Vgl. auch die folgende Stelle aus der »Selberlebensbeschreibung«, Werke, Bd. 6, S. 1095: »Schreiben verhält sich als eine sokratische Hebammenkunst, die man an sich selber übt, zum Lesen, wie Sprechen zum Hören. In England und bei Hof- und Weltleuten bildet das Sprechen aus und hilft dem seltenern Lesen nach.«
Vgl. dazu auch Wilhelm Münch, Jean Paul, der Verfasser der Levana, Berlin 1907, S. 22 f. und de Bruyn S. 71 f.
Eine andere Quelle sei hier noch angefügt, um dies noch deutlicher zu machen: Goethe berichtet in »Dichtung und Wahrheit« aus seiner Frankfurter Jugendzeit: »Mein Vater hatte einen jungen Menschen erzogen, der bei ihm Bedienter, Kammerdiener, Secretär, genug nach und nach alles in allem gewesen war.« Dieser Mann wurde von seinen »Gönnern« angeregt, eine »Pension« zu errichten, »die sich nach und nach zu einer kleinen Schulanstalt erweiterte, in der man alles nothwendige, ja zuletzt sogar Lateinisch und Griechisch lehrte.« Goethe, D. u. W., I. Teil, 4. Buch. Sämtl. Werke in 40 Bdn, Bd. 20, Stuttgart/Tübingen 1855, S. 142.
Johann Georg Hamann, Briefwechsel. Bd. 1: 1751–1759, hg. v. Walter Ziesemer und Arthur Henkel, Wiesbaden 1955, S. 11 f.
Ebd. S. 10.
Hamann, Briefe, S. 35.
Ebd. S. 46 f.
Ebd. S. 47.
Ebd. S. 48.
Ebd. S. 52.
Ebd. S. 56.
Ebd. S. 49.
Ebd. S. 64 ff.
Ebd. S. 119.
Ebd. S. 204.
Siehe dazu und zum Folgenden vor allem Wilhelm Michel, Das Leben Friedrich Hölderlins, Darmstadt 1963, S. 101 ff.
Zit. ebd. S. 101.
Ebd. S. 115.
Ebd. S. 117.
Vgl. ebd. S. 164 ff.
Peter Härtling, Höderlin. Ein Roman, Darmstadt/Neuwied, 21976, S. 406.
Siehe Hans Strahm, Aus Hegels Berner Zeit. Nach bisher unbekannten Dokumenten, in: Archiv für Geschichte der Philosophie, Bd. XLI, 1932, S. 514–535.
Er studierte nach Dilthey (Wilhelm Dilthey, Die Jugendgeschichte Hegels, Göttingen, 31959, = Ges. Schr. Bd. 4, S. 16) »in dieser Umgebung das hippokratische Antlitz der absterbenden Berner Oligarchie«.
Vgl. etwa Rudolf Kayser, Kant, Wien 1935, S. 34 ff.
Siehe dazu z. B. Ernst Cassirer, Kants Leben und Lehre, Darmstadt 1975, S. 31 ff.
Siehe Hans Schulz, Joh. Gottlieb Fichte als Hauslehrer, Langensalza 1919.
Ebd. S. 10.
Vgl. den Brief an Kant ebd. S. 34.
Ebd. S. 34.
Ebd. S. 35.
Franz Grillparzer, Werke, Bd. 2, München 1950, S. 526 ff. und S. 551 ff.
Rights and permissions
Copyright information
© 1979 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Fertig, L. (1979). Dichtende Hofmeister — Hofmeister in der Dichtung. In: Die Hofmeister. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03126-6_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03126-6_2
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00437-6
Online ISBN: 978-3-476-03126-6
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)