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Medienkonkurrenz und Massenkommunikation

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Zusammenfassung

Der auf Öffentlichkeit in besonderer Weise angelegte kultur- und gesellschaftskritische Impetus des literarischen Expressionismus kollidierte notgedrungen mit kontemporärem »Preßbetrieb« und zeitgenössischer »Journaille« Abfällig nannte man so in expressionistischen Kreisen das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, das in Deutschland erst eigentlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Mittel der Massenkommunikation aufgerückt war. [1] Die Massenblätter zogen schriftstellerische Kritik auf sich, weil ihr primärer Effekt, den Prozeß der Meinungsbildung zu monopolisieren, als ein negativer gesellschaftspolitischer Machtfaktor erkennbar wurde: statt korrekter Information und sachbestimmter Argumentation schienen sie der Manipulation Tür und Tor zu öffnen. [2] Immer wieder berief man sich auf Ferdinand Las-salles berühmte Rede Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag vom September 1863 und ihr absolutes Diktum: »Eines müssen Sie ohne Unterlaß festhalten, ohne Unterlaß verbreiten: Unser Hauptfeind, der Hauptfeind aller gesunden Entwicklung des deutschen Geistes und des deutschen Volkstums, das ist heutzutage die Presse!« [3] Zum prinzipiellen Ideologieverdacht trat zugleich die Erfahrung rezeptionshemmender Wirkungen durch mangelhafte, einseitige oder nicht selten auch denunziative Darstellungen der neuen Kunst. Nach einer summarischen Feststellung inszenierte sich damals »im Blätterwald« gewöhnlich, »wo nicht das Grienen und der psychiatrische Gesichtspunkt, so die gemeinste Totschweigerei«. [4] Entsprechend affektgeladen reagierten die jüngsten der Literaten: mit der »Druckerschwärze, die man bei Scherl auf die Rotationsmaschinen tut«, wollte Hugo Kersten »den Redakteuren die Fresse zuschmieren«. [5] Franz Pfemferts Leitartikel zum Thema (Dok. 120) gibt nicht nur eine realistische Selbsteinschätzung der publizistischen »Macht« expressionistischer Zeitschriften wieder, sondern dokumentiert die frühe Übertragung des Gewaltbegriffs auf die Presse, wo sie zum Instrument der Gegenaufklärung absinkt. Neben der Entlarvung der »Sensationspresse«, die übrigens mit der kulturkonservativen Kritik des marktschreierischen »Amerikanismus« [6] nicht zu verwechseln ist, galt die expressionistische Medienkritik dem ausschließlich auf Aktualität fixierten Tagesjournalismus und seinem formalen Pendant, dem Feuilletonismus. Lion Feuchtwanger schrieb über dessen Ursachen: »Man will neu bleiben, immer Neues, Überraschendes, Unerwartetes bringen. Reicht der Inhalt nicht aus, so muß eben die Form es bieten«. [7] Journalismus und Feuilletonismus zu vermeiden, gehörte, wie die Herausgebernotiz zur ersten Nummer des »Sturm« bezeugt, zur Programmatik expressionistischer Zeitschriften:

Zum vierten Male treten wir mit einer neuen Zeitschrift in die Öffentlichkeit. Dreimal versuchte man, mit gröbsten Vertragsbrüchen unsere Tätigkeit zu verhindern, die von den Vielzuvielen peinlich empfunden wird. Wir haben uns entschlossen, unsere eigenen Verleger zu sein. Denn wir sind noch immer so glücklich, glauben zu können, daß an die Stelle des Journalismus und des Feuilletonismus wieder Kultur und die Künste treten können. Die Schriftleitung der Wochenschrift Der Sturm. Berlin im Februar 1910. [8]

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Thomas Anz Michael Stark

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© 1982 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Anz, T., Stark, M. (1982). Medienkonkurrenz und Massenkommunikation. In: Anz, T., Stark, M. (eds) Expressionismus. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03107-5_13

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00412-3

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