Hauptteil

Zusammenfassung

Thomas Manns Sicht der Kunst ist durch die Ästhetik des deutschen Idealismus bestimmt Er hat die zentrale Forderung der Kunsttheorien der Goethezeit nach Autonomie der Kunst und des Künstlers [1] zeit seines Lebens vertreten und gegen abweichende zeitgenössische Kunstauffassungen verteidigt. Thomas Manns politischer Einsatz für die Republik und gegen den Nationalsozialismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er seiner in den Betrachtungen eines Unpolitischen vorgenommenen Grundentscheidung gegen eine »Politisierung der Kunst« [2] bis zu seinem Lebensende treu geblieben ist. [3] Dabei schließt er — bereits in den Betrachtungen — eine indirekte politische Wirkung der Kunst nicht aus:

Als ob nicht die Kunst, wie sehr sie immer eine Sache der einsamen Seele, des Gewissens, des Protestantismus und der Gottesunmittelbarkeit sei, — als ob sie nicht an und für sich und allewege eine soziale Macht wäre, welche immer »die Menschen eng zusammenhielt«! Da geschichtliche Beispiele lehren, daß politisch willenlose Kunst, welche nur um ihrer selbst willen da zu sein schien und jedenfalls nur um ihrer selbst willen da sein wollte, gleichwohl zum politischen Werkzeug größten Stiles werden und eines Volkes seelische Einigung bewirken kann; da persönliche Beispiele lehren, daß eine Kunst, die sich nie in sozialer Attitüde gefiel, eine schmarotzerhaft unpolitische Kunst der persönlichen Ethik dennoch den Menschen leben helfen kann: was fange ich an mit dem Geschrei nach Politisierung der Kunst und was mit der unverschämten und blödsinnigen Unterscheidung zwischen dem ›Privatdichter‹ und dem ›Verantwortlichen Dichter‹, die vorzunehmen man heute beliebt? Wo ist der abgeschmackte Tor, der glaubt, ein produktiver Trieb könne je unsozialen, antisozialen Wesens sein? [4]