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Der Verschollene: Karl Roßmann oder der Verlust der Identität

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KAFKA. Einbahnstraße zur Hölle
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Zusammenfassung

„Ein Käfig ging einen Vogel suchen“2, so lautet einer der berühmten Aphorismen Kafkas. Was an diesem sonderbaren Bild verwirrt, sind weder der Vogel noch der Käfig als solche, sondern vielmehr die Verbindung, die zwischen ihnen besteht. Wir befinden uns hier vor einer totalen Inversion, die die Gesetze bricht, auf denen unser Wirklichkeitsverständnis gründet.

Franz KAFKA, Der Verschollene, Frankfurt a.M., Fischer Tb, Nr. 12442, 1996, kritische Ausgabe von Jost SCHILLEMEIT, erste Veröffentlichung 1927 unter dem Titel Amerika, hg. von Max BROD.

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Notizen

  1. Alfred WIRKNER, Kafka und die Außenwelt. Quellenstudien zum ‚Amerika‘-Fragment, Stuttgart, Ernst Klett, 1976. A. Wirkner schreibt S. 46–47: „Bemerkenswert ist ferner, daß Kafka (…) die allgemeinen Informationen verarbeitet, um die Mechanismen eines Systems in seinen Auswirkungen auf das Individuum und dessen Reaktionen auf die Verhältnisse deutlich werden zu lassen.“

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  2. Marthe ROBERT, Kafka, Paris, Gallimard, 1960, S. 74. Vgl. ebenfalls Gerhard NEUMANN, „Der Wanderer und der Verschollene : Zum Problem der Identität in Goethes Wilhelm Meister und in Kafkas Amerika-Roman, in Paths&Labyrinths. Nine Papers from a Kafka Symposium, hg. von J.P. STERN und J.J. WHITE, London, Institute of Germanic Studies, University of London, 1985; S. 43–65. G. Neumann bemerkt zum Lebensweg der Helden folgendes : „Der Gang durch die Welt als Gang zu sich selbst.“ S. 43.

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  3. Heinz POLITZER, Franz Kafka. Der Künstler, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1978, S. 202–3.

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  6. Vgl. Dietz BEHRING, Der Name als Stigma. Antisemitismus im deutschen Alltag 1812–1933, München, Klett Verlag, 1994, S. 253 und Anmerkungen 19–27, S. 471. Es handelt sich hier um eine Vorstellung, die nicht immer geteilt wird. So sagen z.B. G. Deleuze und F. Guattari, daß der Eigenname „nicht das Individuum bezeichnet.“ Ihrer Meinung nach verhält es sich im Gegenteil so, daß das Individuum erst dann, wenn es sich der Vielzahl der Möglichkeiten öffnet, die es allerorts durchdringen, seinen wahrhaften Eigennamen im Anschluß an einen ernsthaften Prozeß der Entpersönlichung erwirbt. Vgl. Gilles DELEUZE und Félix GUATTARI, Mille Plateaux. Capitalisme et Schizophrénie, Paris, Verlag Minuit, 1990, S. 51. Sich den zahlreichen Möglichkeiten öffnen, sich entpersönlichen, kennzeichnet für die Autoren das, was sie „Entterritoriali-sierung“ (déterritorialisation) in Bezug auf die Gesellschaft nennen. In der vorliegenden Analyse soll aufgezeigt werden, wie sich das Ichgefühl oder das Ego an Hand eines sich wechselseitig durchdringenden Prozesses zwischen dem Ichbewußtsein und der sozialen Welt heranbildet.

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  10. Vgl. Claude LÉVI-STRAUSS, La pensée sauvage, 1962.

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  22. Vgl. Odo MARQUARD, „Der angeklagte und der entlastete Mensch“, in Abschied vom Prinzipiellen, Stuttgart, Reclam Verlag, 1995, insbesondere S. 45.

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  23. Vgl. Franz KAFKA, Briefe, hg. von Max Brod, Frankfurt a.M., 1966.

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Poulain, E. (2003). Der Verschollene: Karl Roßmann oder der Verlust der Identität. In: KAFKA. Einbahnstraße zur Hölle. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02931-7_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02931-7_2

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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