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Übersetzen ins Klassische

  • Chapter
Kleist-Jahrbuch 2003

Part of the book series: Kleist-Jahrbuch ((KLJA))

  • 169 Accesses

Zusammenfassung

Ein literarischer Übersetzer hegt Misstrauen gegenüber seiner eigenen Übersetzung, auch wenn sie gut gelungen ist. Er vergleicht sie immer wieder mit dem Original, er besorgt die letzten originalsprachlichen historisch-kritischen Ausgaben und findet immer etwas, mit dem er nicht zufrieden ist. Die Unzufriedenheit gilt einerseits kleineren Ungenauigkeiten, die von einem guten Lektor korrigiert werden können. Das Unbehagen entsteht andererseits dann, wenn die Interpretation zu sehr in die Formwelt des Originaltextes eingeflossen ist. Die interpretative Geste des Übersetzers ist zwar bis zu einem gewissen Grad unerlässlich. Die Prosa von Joyce oder Proust könnte man gar nicht genießen, wenn der fremdsprachige Text die Lektüre, einen ähnlichen Blick wie den des Autors, nicht widerspiegeln würde. Die Sprache würde ohne die Kraft der Interpretation und des persönlichen Interesses nicht zum Leben erweckt. Und in manchen Fällen ist es auch gar nicht so einfach, sich der gewissenhaft verfassten Übersetzung eines angesehenen Übersetzers zu widersetzen.

Die Zeichnungen, sagte Meyer, haben etwas Ungeübtes, aber man sieht, daß derjenige, der sie machte, ein zartes richtiges Gefühl von den Bildern hatte, die vor ihm waren, welches denn in die Zeichnungen übergegangen ist, so daß sie uns das Original sehr treu vor die Seele rufen. Würde ein jetztiger Künstler jene Bilder kopieren, so würde er alles weit besser und vielleicht auch richtiger zeichnen; aber es ist vorauszusagen, daß ihm jene treue Empfindung des Originals fehlen, und daß also seine bessere Zeichnung weit entfernt sein würde, uns von Raphael und Dominichin einen so reinen vollkommenen Begriff zu geben.

Ist das nicht ein sehr artiger Fall? sagte Goethe. Es könnte ein Ähnliches bei Übersetzungen Statt finden.

Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe. In den letzten Jahren seines Lebens. Zweiter Teil. Mittwoch, den 8. April 1829.

Die Länge der Sätze lässt das Niveau und die Konsistenz des schriftstellerischen Könnens durchblicken. […] Über die Beschaffenheit des Autors erfahren wir […] vom Satzbau und von der inneren Gliederung des Textes. Durch das Verhältnis der einzelnen Absätze miteinander […] signalisiert er, wie er zu einem Urteil kommt oder wie er einen Urteil entweicht. Wenn wir beobachten, […] wie Teile und Kapitel miteinander verknüpft werden, dann nehmen wir seine Absichten zur Kenntnis. Die Art und Weise, wie er Absätze verknüpft, lässt seine Instinkte nachspüren. Die Überlegungen und Absichten konsolidieren sich in der Textstruktur durch die Teile und die Kapitel, während die Wahrnehmungen und Empfindungen durch kleinere strukturelle Einheiten der Sätze und Absätze bestimmt werden. Wie er diese Elemente miteinander harmonisiert: das ist sein Charakter.

Péter Nádas: Beschaffenheit und Textstruktur

Gekürzte und überarbeitete Fassung des Aufsatzes von András Forgách, Schwierigkeiten beim Übersetzen klassischer Autoren / A klasszikusok fordításának nehézségei (Ungarisch). In: Vorlesungen über die literarische Übersetzung / Előadások a műfordításról (Ungarisch), hg. von Hans-Henning Paetzke, Budapest: Collegium Budapest 1996, S. 105–114.

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Günter Blamberger

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© 2003 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Forgách, A. (2003). Übersetzen ins Klassische. In: Blamberger, G. (eds) Kleist-Jahrbuch 2003. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02897-6_18

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01978-3

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