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Ein Italiener im „gelobten Land des Liedes“

Vincenzo Righini und die Berliner Liederschule

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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz
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Zusammenfassung

In der Geschichte des deutschen Liedes stellt der von Franz Schubert geschaffene Typus des romantischen Kunstlieds ohne Zweifel eine gravierende Zäsur dar.1 So wenig er aus den Prämissen der um 1800 bestimmenden Liedtraditionen ableitbar ist, fordert er doch zur Beschäftigung mit den Voraussetzungen dieses geschichtlichen Entwicklungssprungs heraus. Bereits mehrfach ist etwa auf die Modellfunktion von Kompositionen Johann Rudolf Zumsteegs für die frühen Balladen Schuberts hingewiesen worden.2 Unabhängig von solchen konkreten Orientierungspunkten lassen sich ganz allgemein vor und neben Schubert im frühen 19. Jahrhundert wirksame Tendenzen zur Stärkung des Kunstcharakters des Liedes, zur Aufwertung der Gesangsbegleitung und zum Übergang von der Textrepräsentation zur Textinterpretation ausmachen, und zwar weit eher in der Kompositionspraxis als in der Liedästhetik.3 Die Divergenz zwischen Theorie und Praxis lässt die weitere Erschließung des schier unerschöpflichen Bestandes an Kompositionen aus der Zeit um 1800 als unausweichlich erscheinen, wenn Wandel und Kontinuität in der regional sowie von Komponist zu Komponist unterschiedlich verlaufenden Gattungsentwicklung dieser Zeit näher bestimmt werden sollen. Es braucht nicht betont zu werden, dass es dabei nicht darum gehen kann, den Verlockungen der Teleologie nachzugeben und nach Vorläufern Schuberts Ausschau zu halten, sondern vielmehr darum, die „Polyphonie“ der Entwicklungstendenzen präziser in den Blick zu bekommen.

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Literatur

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Henzel, C. (2002). Ein Italiener im „gelobten Land des Liedes“. In: Wagner, G. (eds) Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02886-0_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02886-0_8

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