Zusammenfassung
Als Gottfried Benn 1930 seine Essays über Genie und Gesundheit und über Das Genieproblem veröffentlichte, stand er noch gänzlich quer zur nationalsozialistischen Ideologie. Er hatte das 1928 erschienene Buch Genie, Irrsinn und Ruhm des Psychiaters Wilhelm Lange-Eichbaum gelesen. Und was er hier mit schier unerschöpflicher Fülle an biographischem Material belegt fand, schien ihm all die biologischen »Züchtungswerte«1, die das Jahrhundert kultivierte, »möglichst große Gesundheit, möglichst große Leistungs- und Lebensfähigkeit, günstige Arterhaltung«2 und dergleichen, vollkommen in Frage zu stellen. »Und nun stoßen wir bei der Betrachtung des Genialen plötzlich auf Vorbedingungen, die diesen Werten entgegenstehen. Wir stoßen auf Abnormes und Entartung und aus ihnen entsteht der Menschheit die große Suggestion der Kunst.«3
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Notizen
Gottfried Benn: Das Genieproblem. In: ders.: Gesammelte Werke in der Fassung der Erstdrucke. Textkritisch durchgesehen und hg. v. Bruno Hillebrand. Frankfurt/M. 1989 ff., Bd. 3: Essays und Reden in der Fassung der Erstdrucke, S. 131–143, hier S. 141.
Gottfried Benn: Genie und Gesundheit. In: Benn 1989 (wie Anm. 1), S. 105–109, hier S. 106.
Wilhelm Lange-Eichbaum: Genie, Irrsinn und Ruhm. München 1928.
Wilhelm Lange-Eichbaum: Genie, Irrsinn und Ruhm. Hg. v. Wolfram Kurth. 6., völlig umgearb. um weitere 800 Quellen verm. Aufl. München/Basel 1967.
Wilhelm Lange-Eichbaum und Wolfram Kurth: Genie, Irrsinn und Ruhm. 11 Bde. 7., völlig neu bearb. Aufl. von Wolfgang Ritter. München/Basel 1986–1995. — Der zunächst angekündigte »Bd. 12: Zur Bilanz der Geniedeutung« ist nicht erschienen.
Sigmund Freud: Die Traumdeutung. In: ders.: Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet. Hg. v.Anna Freud, E. Bibring u. a. Frankfurt/M. 1999 (Reprint), Bd. II/III, S. 1–642, hier S. 107.
Sigmund Freud: Der Dichter und das Phantasieren. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. VII, S. 213–223, hier S. 216.
Vgl. den Überblick zu psychoanalytischen Kreativitätstheorien in Walter Schönau: Einführung in die psychoanalytische Literaturwissenschaft. Stuttgart 1990, S. 1–36.
Vgl. Michael Rutschky: Lektüre der Seele. Eine historische Studie über die Psychoanalyse der Literatur. Frankfurt/M. u. a. 1981, S. 70 f.
Vgl. Johannes Cremerius (Hg.): Neurose und Genialität. Psychoanalytische Biographien. Frankfurt/M. 1971, insb. S. 16.
Ilse Grubrich-Simitis: Sigmund Freuds Lebensgeschichte und die Anfänge der Psychoanalyse. In: Sigmund Freud: Selbstdarstellung. Schriften zur Geschichte der Psychoanalyse. Hg. und eingel. von Ilse Grubrich-Simitis. Frankfurt/M. 1973, S. 17–31, hier S. 16.
Siehe vor allem Henry F. Ellenberger: Die Entdeckung der Psychoanalyse. Geschichte und Entwicklung der dynamischen Psychiatrie von den Anfängen bis zu Janet, Freud, Adler und Jung. Zürich 1985.
Karl Philipp Moritz: Anton Reiser. In: ders.: Werke in zwei Bänden. Hg. v. Heide Hollmer und Albert Meier. Band I: Dichtungen und Schriften zur Erfahrungsseelenkunde. Frankfurt/M. 1999.
Siehe dazu Georg Reuchlein: Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur. Zur Entwicklung der Wahnsinnsthematik in der deutschen Literatur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. München 1986, S. 98–130.
Sigmund Freud: Leonardo. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. VIII, S. 128–211, hier S. 153.
Sigmund Freud und Josef Breuer: Studien über Hysterie. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. I, S. 75–312, hier S. 227.
Sigmund Freud: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse: Libidoentwicklung und Sexualorganisation. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. XI, S. 331–350, hier S. 348.
Brief von Sigmund Freud an Arnold Zweig vom 31. Mai 1936. In: Ernst Freud (Hg.): Sigmund Freud — Arnold Zweig. Briefwechsel. Frankfurt/M. 1968, S. 137.
Hanns Sachs: Freud — Master and Friend. London 1945, S. 108.
Sigmund Freud: Ansprache im Frankfurter Goethe-Haus. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. XIV, S. 547–550, hier S. 550.
Sigmund Freud: Der Wahn und die Träume in W. Jensens » Gradiva«. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. VII, S. 31–125, hier S. 33.
Norbert Groeben: Literaturpsychologie. Literaturwissenschaft zwischen Hermeneutik und Empirie. Stuttgart 1972, S. 15.
Vgl. Peter von Matt: Literaturwissenschaft und Psychoanalyse. Stuttgart 2001, S. 66 ff.
Sigmund Freud: Selbstdarstellung. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. XIV, S. 31–96, hier S. 54.
Zit. nach Rutschky 1981 (wie Anm. 20), S. 73. Gleichzeitig schätzte Ferenczy es jedoch als »wissenschaftlichen Vorteil einer posthumen Analyse« ein, »daß man in diesem Fall den Analytiker nicht beschuldigen kann, er habe der analysierten Person die Angaben suggeriert.« — Vgl. dazu auch Edgar Weiß: Die Bedeutung der Psychoanalyse in der biographischen Forschung. In: Hedwig Röckelein (Hg.): Biographie als Geschichte. Tübingen 1993, S. 63–88, hier S. 74 f.
Sigmund Freud: Konstruktionen in der Analyse. In: ders. 1999 (wie Anm. 16), Bd. XVI, S. 41–56, hier S. 47 f.
Johann Wolfgang Goethe: Römische Elegien. Fünfte Elegie. In: ders.: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. Hg. v. Hendrik Birus, Dieter Borchmeyer u. a. Bd. 1: Gedichte 1756–1799. Frankfurt/M. 1987, S. 404–406, hier S. 406.
Roy Schafer: Erzähltes Leben: Narration und Dialog in der Psychoanalyse. München 1995;
Gerald Monk, John Winslade, Kathie Crocket (Hg.): Narrative Therapy in Practice. The Archaeology of Hope. San Francisco 1997;
Andreas Hamburger: Traumnarrativ und Gedächtnis. Psychoanalyse im Dialog mit den Neurowissenschaften. In: Martha Koukkou-Lehmann, Marianne Leuzinger-Bohleber und Wolfgang Mertens (Hg.): Erinnerung von Wirklichkeiten. Psychoanalyse und Neurowissenschaften im Dialog. Stuttgart 1998, hier das Kapitel »Wissenschaftstheoretische Implikationen des narrativen Paradigmas«.
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Anz, T. (2002). Autoren auf der Couch? Psychopathologie, Psychoanalyse und biographisches Schreiben. In: Klein, C. (eds) Grundlagen der Biographik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02884-6_6
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