Norbert Christian Wolf: Streitbare Ästhetik. Goethes kunst- und literaturtheoretische Schriften 1771–1789. Tübingen 2001, 566 S.

Zusammenfassung

In einer Epoche, die das Autor-Subjekt problematisiert hat und die durch Strukturalismus und Poststrukturalismus dazu bewogen worden ist, über Kontexte und intertextuelle Muster intensiver nachzudenken als über die private Befindlichkeit eines Dichters und die Individualgenese seines Werkes, war der Verfasser gut beraten, sich dem epistemologischen Umfeld von Goethe zuzuwenden. Auf diesem Schauplatz wird Goethes Einmaligkeit exemplarisch für etwas Allgemeines. Zur Erkundung der Dialektik von Individualität und Allgemeinheit, Souveränität und Determiniertheit, Innovation und Tradition, Subversion und Orthodoxie, Wahl-Entscheidung und Angebot dient dem Verfasser Piene Bourdieu als methodischer Gewährsrnann. Bourdieus Theorie des literarischen Feldes wird umgesetzt in ein Koordinatensystem, das die Ästhetik Goethes nicht nur in der Singularität eines einmaligen „Standpunktes” (vgl. S. 14), sondern auch in der Nähe oder Ferne zu anderen Autor-Standpunkten bestimmbar macht. Es geht um den „Entscheidungsspiekaum, den der Dichter im Rahmen der zuhandenen Theorietradition und der künstlerischen Praxis zu gewissen Zeitpunkten hatte“, und um die „Rekonstruktion einer […], diskurshistorischen’ Funktionsebene, deren Reichweite über das historische Problembewußtsein Goethes hinausgeht” (S. 16).