Politisierung der Literatur (1960–1968)

Zusammenfassung

Lassen sich die 50er Jahre als Epoche politischer und ökonomischer Restauration bezeichnen, so die 60er als Jahrzehnt der Veränderungsbewegungen. Auf die restaurativen Entwicklungen der Ära Adenauer mit Wirtschaftsaufschwung, gesellschaftlichen Verkrustungen und Konformismus, mit einer Kulturszene, die sich ins soziale Abseits gedrängt oder auf prinzipielle Oppositionshaltungen festgelegt sah, nach dem »motorisierten Biedermeier«, wie Erich Kästner diese Epoche genannt hat, folgen Bewegungen eines politisch-kulturellen Selbstbewußtseins, das auf einen grundsätzlichen Wandel drängt. Die Alternative oder Brauchen wir eine neue Regierung?, lautete der signifikante Titel eines 1961, kurz vor der Bundestagswahl, von Martin Walser herausgegebenen Bandes, in dem sich Carl Amery, Axel Eggebrecht, Peter Rühmkorf, Paul Schallück, Hans Magnus Enzensberger, Wolfdietrich Schnurre, Günter Grass, Heinz von Cramer, Hans Werner Richter, Martin Walser, Siegfried Lenz und Erich Kuby unmißverständlich gegen die CDU aussprachen und für eine SPD-Regierung plädierten. Und nur zwei Jahre später erschien, herausgegeben von Horst Krüger, ein Sammelband mit Antworten auf die Frage: Was ist heute noch links?, ein Versuch der Selbstbestimmung oppositioneller, linker Intellektueller. Beide Bände gaben den Veränderungsbewegungen der 60er Jahre frühzeitig Ausdruck, wenn sie auch keineswegs die programmatische Schärfe der späteren außerparlamentarischen Bewegung erreichten.