Literatur versus Politik Konstellationen der 50er Jahre (1950–1959)

Zusammenfassung

Im Frühjahr 1960 erschien in München eine Schrift mit dem Titel: Verschwörung gegen die Freiheit. Die kommunistische Untergrundarbeit in der Bundesrepublik. Diese Schrift enthielt die Namen von 452 Professoren, Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern, die einer »kommunistischen Kulturarbeit« bezichtigt wurden, darunter die Physiker und Nobelpreisträger Max Born und Hermann Staudinger, die Pastoren Albrecht Goes und Martin Niemöller, die Komponisten Werner Egk und Carl Orff, die Maler Hans Purrmann und Otto Dix, die Theaterregisseure Heinz Hilpert und Peter Lühr, die Schriftsteller Erich Kästner und Wolfgang Koeppen. Wer die Verfasser dieser Schrift waren, blieb unbekannt. Daß der Staatsschutz sie finanziert hatte, wurde vermutet. Welches Verhältnis aber sich zwischen Intelligenz und Herrschaft, Kunst und Macht, Literatur und Politik in den 50er Jahren herausgebildet hatte — das legte dieses »Rotbuch«, wie es alsbald genannt wurde, ganz unmißverständlich offen. Nach der Konstituierungsphase der Bundesrepublik, nach der Desillusionierung aller Hoffnungen, die in der Nachkriegszeit auf einen Neuanfang gesetzt worden waren, trat die Literatur in eine prekäre Spannung zur offiziellen politischen Sphäre der Adenauer-Zeit. Das Klima des Antikommunismus und der Restauration, die Verabschiedung eines »Schund- und Schmutzgesetzes« im Jahre 1952 und die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, das Verbot der KPD, der Eintritt in die NATO und die atomare Rüstung — dies waren die beherrschenden Themen der politischen Diskussion in den 50er Jahren. Die Schriftsteller haben sich ihnen engagiert gestellt. Ihre Quittung bildete jene Schrift des Jahres 1960.