Zusammenfassung
Im neugegründeten Sarajever Verlag »Ljiljan« (Die Lilie) — dem Symbol Bosniens — ist vor einiger Zeit die bislang wohl größte Sammlung bosnischer (?) — nach unserer Tradition vielleicht eher südslavischer — Liebeslieder in Text und Noten erschienen1, die als einziges Gedicht deutscher, ja ausländischer Herkunft Heines »Asra«, das 15. Gedicht aus dem Zyklus »Historien« des »Romanzero« enthält (13).2 Auf die Existenz eines derartigen Heine-Textes als Volkslied wurde erstmals von Reinhard Lauer3 und wieder, unter besonderer Betrachtung der Sevdalinka als bosnisches Volks- und Liebeslied, von Wolfgang Eschker4 hingewiesen. Unklar ist jedoch auch durch diese Beiträge bis heute noch immer geblieben, wie der Weg von Heines »Asra« zum bosnischen Volkslied verläuft. Die Einengung auf das bosnische Liedgut, wie von Eschker und Muhamed Zero vorgenommen, ist nicht gerechtfertigt, da das Volkslied auch in Serbien als ein solches gesungen wird.5
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Anmerkungen
Zero, Muhamed: Sevdah Bosnjaka. 430 sevdalinki sa notnim zapisom. [Notografi: Elvidin Krilic, Sakip Jakupovic, Edvin Ferizovic.] [Sarajevo:] Ljiljan, 1995, 464 S. (Biblioteka Sehara) (Des Bosniers Liebesleid. 430 Sevdalinken mit Noten; serbokroat.-lat.).
Ebd., S. 172, als 163. Sevdalinka.
[Reinhard Lauer:] Dragutin J. Ilic. (1858–1926). — In: R. L.: Heine in Serbien. Die Bedeutung Heines für die Entwicklung der serbischen Literatur 1847–1918. Meisenheim am Glan 1961, S. 153–154. (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen. Reihe 3: Frankfurter Abhandlungen zur Slavistik. 4 = Frankfurt, Phil. Fakultät, Dissertation vom 24.2.1960)
Wolfgang Eschker: Die Sevdalinka und das Kunstlied. — In: W. E.: Untersuchungen zur Improvisation und Tradierung der Sevdalinka an Hand der sprachlichen Figuren. München 1971, S. 197–207. — Wolf gang Eschker Gedicht von Heinrich Heine wird in Bosnien als Liebeslied gesungen. Ein gebürtiger Stendaler: Liebessehnsucht und Trauer des deutschen Dichters berühren.— In: Stendaler Volksstimme. Stendal, 17.2.1993. Wiederabdruck in: HJb 33 (1994), S. 310–311.
»So war es denn auch das Schicksal der Übersetzung Dragutin Ilics, daß sie, mit einer melancholischen, langezogenen und verschnörkelten Sevdah-Melodie versehen, zum Volkslied wurde, das zum Repertoire der serbischen Kaffeehaussänger gehört, ohne daß der Ursprung des Gedichtes noch bekannt wäre. Die mündliche Überlieferung dieser zum Volkslied gewordenen Übersetzung führte schließlich auch dazu, daß mehrere Textvarianten von ihr im Umlauf sind«. Lauer [Anm. 3], S. 154.
Vgl. Anm. 5.
Lauer [Anm. 3], S. 154.
S. Anm. 2.
S. [Anm. 10], S. 171 f.
[Safvet beg R. Basagic:] Heine. »Nek mnogi u te svoje pero krese«. — In: Safvet R. Basagic: Dojmovi. — In: Nada. Sarajevo, 5 (1899), Nr 20, S. 313. Wiederabdruck siehe: [Anm. 10,] S.400 (Heine. »Mögen auch viele über dich die Feder schwingen«; kroat.)
Basagics »Asiklija« ist eine leidenschaftliche, versgenaue, allerdings durch Turzismen entfremdete Nachdichtung von »Lyrisches Intermezzo« 9: »Auf Flügeln des Gesanges«, erstmals veröffentlicht in: Mearif. Muhamedanski kalendar za godinu 1312 (1894–1895). Zagreb, (1894), S.68.
Dies gilt ebenso für Lermontovs Heine-Übersetzung von »Lyrisches Intermezzo« 3:. »Ein Fichtenbaum steht einsam« ins Russische wie für das Weihnachtslied »Stille Nacht, heilige Nacht«, das die meisten Deutschen wohl nicht für italienischen Ursprungs halten möchten.
Zur Entstehungsgeschichte des »Asra« vgl. die Erläuterungen von Alberto Destro in DHA III/2, S. 647–649.
Jovan Jovanovic-Zmaj (1833–1904) hat nach der Übersetzung von Michail L. Michajlov übersetzt, vermutlich nach dessen Heine-Gedichte-Ausgabe von 1858 (Pesni Gejne. Sankt Petersburg: Jakov Trej, 1858, S. 129), die relativ weite Verbreitung fand. Dafür sprechen die Titelgleichheit der russischen und serbischen Übersetzungen und die Verwendung gleicher Stilmittel, auch wenn Jovanovic-Zmaj aus den zwei Vierzeilern Michajlovs (was dem deutschen Original entspricht) zwei Fünfzeiler machte. Die zeitgleichen russischen Übersetzungen dieses Heine-Gedichtes von L. A. Mej und V. Kostomarov kommen als Vorbilder für die Zmajsche Übersetzung deshalb nicht in Frage, weil Zmaj die Übersetzung Mej s nicht kennen konnte und die Kostomarovsche Übersetzung keine Überschrift besitzt, Jovanovic Zmaj sie also hätte hinzudichten müssen — und dabei wäre er zufällig auf den gleichen Titel wie Michajlov gekommen!
Schallplatte Yugoton EPY 3514 A, gesungen von Himzo Polovina, vgl. Eschker: Sevdalinka [Anm. 4], S. 201, Anm. — Zaim Imavovic (1920–1994) hat den gleichen Text ebenfalls interpretiert, vgl. Hrenovica Muhamed Zlatan: Slovo 0 Zaimu. Sarajevo: Vidam, 1997, Audiokassette iA Nr. 1. Doch in dieser Prachtausgabe findet man keinen Hinweis auf Heine.
Lauer datiert diese Veröffentlichung auf 1922 (vgl. Reinhard Lauer: Serbokroatische Heine-Übersetzungen. Wiesbaden 1963, S. 52).
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Pertschi, O. (2001). »Der Asra« — ein bosnisches Volkslied und/oder eine Übersetzung aus Heine?. In: Kruse, J.A. (eds) Heine-Jahrbuch 2001. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02819-8_7
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