Zusammenfassung
Um die Verfassungsgrundsätze einer gerechten Gesellschaft zu begründen, bedient sich John Rawls der Gesellschaftsvertragslehre, die bereits in der frühen Neuzeit der politischen Philosophie von Hobbes bis Kant als Legitimationstheorie diente. Gesellschaftsvertragstheorien sind dem rechtfertigungstheoretischen Individualismus verpflichtet, der für die Moderne charakteristisch ist und metaphysikfreie Begründungen erlaubt. Nach dem Zerfall der traditionellen Orientierungssysteme und der Entstehung der modernen Wissenschaften und der kapitalistischen Welt mußte die kulturelle Rechtfertigungspraxis umgestellt und den veränderten Denk-und Lebensverhältnissen angepaßt werden. Die einzige Instanz, auf die sich die philosophische Begründung fortan stützen konnte, war das souveräne und autonome Individuum. Das autonome Individuum ist der uneingeschränkte Herr seiner Verbindlichkeiten: nur das kann eine rechtmäßige Freiheitseinschränkung seines Handelns sein, was es selbst vernünftigerweise als eine Freiheitseinschränkung seines Handelns will. Das besagt jedoch, daß eine Rechtfertigung von Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und von gesellschaftsgestaltenden ethischen Prinzipien die Zustimmung und Billigung aller Beteiligten verlangt. Die traditionellen Rechtfertigungsszenarien ermöglichten eine Allgemeinheitsherstellung von oben; in der Moderne wird das Begründungsgeschäft jedoch mühseliger, in der Moderne muß die Allgemeinheit von unten aufgebaut werden, durch Diskurs, Übereinkunft, Mehrheitsbeschaffung.
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Kersting, W. (2000). Soziale Gerechtigkeit und Differenzprinzip bei John Rawls. In: Theorien der sozialen Gerechtigkeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01668-3_3
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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