Zusammenfassung
In der wechselvollen Wirkungsgeschichte Heinrich Heines bilden seine Denkmäler zweifellos eines der interessantesten Kapitel — und eines der beschämendsten. In der Gestaltung der Standbilder und in den Auseinandersetzungen, die um sie geführt wurden, spiegelt sich nicht nur die Rezeption eines Dichters, der niemanden gleichgültig lässt. Die Tendenzen, die sich in Denkmälern wie Denkmalsdebatten offenbarten — latenter oder offener Antisemitismus, Gedanken- oder Geschmacklosigkeit, das bewegte Nebeneinander von Ausgrenzung und Vereinnahmung, Schmähung und (Wieder-) Entdeckung, politischer Indienstnahme oder Entpolitisierung Heines — warfen auch stets Schlaglichter auf den Zeitgeist, von denen Gustav Karpeles bereits 1899 vermutete, sie würden später »einmal dem Kulturhistoriker […] wichtiges Material zur Charakteristik unserer Zeitverhältnisse bieten.«1 Und Rudolf Kahn, der als erster eine Bilanz dieser Debatten zog (obwohl er selbst noch mitten in den Kontroversen um die ›Denkmalwürdigkeit‹ Heines steckte), befand 1911:
Dem aufmerksamen Leser deutscher Tageszeitungen bot sich in den letzten paar Jahren ein sonderbares Schauspiel dar. Beinahe täglich erschien da im Feuilleton […] eine Notiz, etwa des Inhalts, daß Heine nun doch ein Denkmal bekommen, oder daß er es endgültig nicht bekommen werde […]. Bei diesem anscheinend lächerlich geringfügigen Streit um ein Heine- Denkmal handelt es sich allerdings im Grunde nicht bloß um das Denkmal und schließlich nicht einmal bloß um Heine. In Wahrheit sehen wir, wie in seinem Verlaufe Fragen der Weltanschauung zu leidenschaftlicher Erörterung gelangen.2
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Anmerkungen
Gustav Karpeles: Heinrich Heine. Aus seinem Leben und aus seiner Zeit. Leipzig 1899, S. 327f.
Rudolf Kahn: Der Kampf um das Heine-Denkmal. Ein Rückblick. Leipzig 1911, S. 5f.
Dietrich Schubert: »Jetzt wohin?« Heinrich Heine in seinen verhinderten und errichteten Denkmälern. Köln, Weimar, Wien 1999.
Für eine ältere, knappe Übersicht vgl. Joseph A. Kruse: Heine im Bild: Zwischen Denkmälern und Illustrationen. Eine Bestandsaufnahme. — In: Literatur, Verständnis und Vermittlung. Eine Anthologie für Wilhelm Gössmann zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Joseph A. Kruse, Monika Salmen, Klaus Hinrich Roth. Düsseldorf 1991, S.162–186, hier S. 167f.; für eine Zeittafel zu Heine-Gedenkskulpturen und -plaketten — allerdings ebenfalls nicht vollständig — vgl. Bernd Kortländer: Tribulations posthumes d’une figure de poète. — In: romantisme 101 (1998), S. 63–71.
Vgl. Rolf Selbmann: Dichterdenkmäler in Deutschland. Literaturgeschichte in Erz und Stein. Stuttgart 1988, S. 3f.
Zur Entstehung des Bildes und seiner Bedeutung für die Heine-Rezeption vgl. Christian Liedtke: Bilderstreit und Bilderrätsel. Zur Biographie der Heine-Porträts. — In: Heinrich Heine im Porträt. Wie die Künstler seiner Zeit ihn sahen. Hrsg. von Christian Liedtke. Hamburg 2006, S. 85–112, 147–151, hier S. 108f.
Das Denkmal Heinrich Heines in den Urwäldern des Kongo. — In: Jan Wellem. Heimatblätter. Monatsschrift für Düsseldorf, Niederrhein und Bergisches Land 1 (1926), H. 8 [Sondernummer Heinrich Heine], S. 196.
Sigmar Mehring: Eine neues Heine-Buch. — In: Ost und West 14 (1914), H. 4, S. 271–278, hier S. 276.
Katrin Adler, Christine Stelzig: Robert Visser and His Photographs from the Loango Coast. — In: African Arts 35 (2002), H. 4, S. 38–51, 92–93, hier S. 44. Das »Afrika Album«, aus dem das Foto mit dieser Angabe stammt, befindet sich im Besitz der Familie Visser.
Vgl. Ruth Meyer-Kahrweg: Denkmäler, Brunnen und Plastiken in Wuppertal. Wuppertal 1991, S. 184f.
Vgl. Jefrey L. Sammons: The Restoration of the Heine Monument in the Bronx. — In: Germanic Review 74 (1999), S. 337–339.
Zu Geschichte und Bedeutung des Grabdenkmals vgl. Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 145f.; Bernd Kortländer: Ein lebender Toter. Über das Bemühen, Heinrich Heine zu begraben. — In: »… und die Welt ist so lieblich verworren.« Heinrich Heines dialektisches Denken. Festschrift für Joseph A. Kruse. Hrsg. von Bernd Kortländer und Sikander Singh. Bielefeld 2004, S. 491–507;
Gerhard Höhn, Christian Liedtke: »Auf der Spitze der Welt«. Mit Heine durch Paris. Hamburg 2012, S. 110f. Für eine Abbildung des ursprünglichen Grabsteins vgl. Karpeles: Heinrich Heine [Anm. 1], S. 337.
Vgl. Axel Seibert: Die Heine-Bank im Bremer Bürgerpark. — In: HJb 42 (2003), S. 164–177.
W[ilhelm]. Scharrelmann: Ein unbekannter »Heine«-Denkstein. — In: Niedersachsen. Illustrierte Halbmonatsschrift für Geschichte, Landes- und Volkskunde, Sprache, Kunst und Literatur Niedersachsens 11 (1905/06), Nr. 18, 15.6.1906, S. 371. Darauf bezieht sich ofenbar Meh-ring, der 1914 einen Heine-Stein »bei Oldenbüttel in einsamer Heide« erwähnt. Vgl. Mehring: Eine neues Heine-Buch [Anm. 15], S. 276. Der Dank für das Auffinden der Quelle gilt Elena Camaiani, Bibliothekarin des Heinrich-Heine-Instituts, Düsseldorf.
Vgl. Johannes Feest mit Heinz Bock u. a.: Emil Sonnemann, 1869–1950. Eine Chronik. Bremen 1985.
Vgl. Irene Suchy: Lilly Lieser — eine Übersehene. Eine Co-Produzentin der Schönberg’schen Musikgeschichte. — In: Österreichische Musikzeitschrift 63 (2008), H. 10, S. 6–16.
Vgl. Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden. Bearb. von Wolfgang Schelfler. Hrsg. vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Bd. 1. München 2003, S. 416.
Vgl. Ralf Miche, Tomas Falkner: Das Heine-Denkmal in Halle-Trotha. Hrsg. von der Bürgerinitiative Gesundes Trotha e. V. Halle (Saale) 1996; Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 282f.; Martina Springer: Halle hatte die erste Büste. — In: Mitteldeutsche Zeitung (Halle), 5.2.2009.
Vgl. Vladimir Pavlovič Tolstoi: Uistokov sovjetskovo monumental’novo iskusstva, 1917– 1923. Moskau 1983;
Jurij Minajevič Pirjutko: »Monumental’naja propaganda« — plan i mif. — In: Iskusstvo Leningrada 3 (1991), Nr. 1, S. 12–21;
Christina Lodder: Lenin’s Plan for Monumental Propaganda. — In: Art of the Soviets. Painting, Sculpture and Architecture in a One-Party State, 1917–1992. Hrsg. von Matthew Cullerne Browne und Brandon Taylor. Manchester 1993, S. 16–30 (zu Heine ebd., S. 23); Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 237f.
und Constanze Wachsmann: Der sowjetische Heine. Die Heinrich Heine-Rezeption in den russischsprachigen Rezeptionstexten der Sowjetunion (1917–1953). Berlin 2001, S. 37f.
Leo Narodny: Early Days in New York. — In: The Uncommon Vision of Sergei Konenkov, 1874–1971. A Russian Sculptor and His Times. Hrsg. von Marie Turbow Lampard, John E. Bowlt, Wendy R. Salmond. Piscataway 2001, S. 179.
Vladislav Felicianovič Chodasevič: Sobranije sočineniij v četyrech tomach. Bd. 4: Ne-kropol’, Vocpominanija, Pis’ma. Hrsg. von I. P. Andreeva, V. P. Kočetov u. a. Bd. 4. Moskau 1997, S. 201.
Eine weitere Statute im öffentlichen Raum ist das Standbild Nikolaj Aleksandrovič Do-broljubovs (1959) an der Ecke Bolschoi Prospekt/Vvedanskaja ulica. Zu seinem Werk vgl. W. S. Speranskaja: Skul’ptor Viktor Aleksandrovič Sinaiskij. Leningrad 1971.
Vgl. Jeffrey L. Sammons: Die Renovierung der Heine-Büste in Cleveland/USA. — In: HJb 44 (2005), S. 200–203.
Kurt Tucholsky: Bänkelbuch. — In: ders.: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Reinbek 1975. Bd. 7, S. 127–130, hier S. 130.
Vgl. Peter Kuhlbrodt, Jörg-Michael Junker: Das alte Ellrich. Bilder einer Südharzstadt. Bd. 1. Horb 1997, S. 17f. Für diesen Hinweis sowie weitere Auskünfte bin ich Frau Ingrid Reinhardt, Sachgebietsleiterin Bauamt bei der Stadtverwaltung Ellrich, zu herzlichem Dank ver-pflichtet.
Vgl. Joseph A. Kruse: Heine und Düsseldorf. 2., erw. Auf. Düsseldorf 1998, S. 128f., und Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 278ff.
Vgl. den Text der Rede bei Walther Victor: Heines Heimkehr. — In: Wochenpost (Berlin), Jg. 3, 1956, Nr. 38, S. 9.
Vgl. Werner Hartmann: Heinrich Heine und der Harz. — In: Unterm Brocken. Heimatzeitschrift des Kreises Wernigerode. H. 5, 1960, S. 158. Für diesen Hinweis sowie weitere Auskünfte danke ich Herrn Bernd Wolf, Wernigerode, und Dr. Friedhart Knolle, Nationalpark Harz.
Vgl. Edmond Bouchard: Henri Heine et sa Statue. Mit einem Nachwort von Fritz H. Eisner. — In: HJb 9 (1970), S. 134–139; Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 140f.
Vgl. ebd., S. 284f., und Erich Wulf: Das Berliner Heine-Denkmal von Waldemar Grzimek. — In: HJb 38 (1999), S. 215–224.
Vgl. Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 296f., und Stefan Söhn: Die Erinnerung an Heine in Bayern. — In: HJb 50 (2011), S. 183–188, hier S. 185.
Vgl. Dirk Stemmler: Zum Typus des Denkmals oder Tempels von Ulrich Rückriem. — In: Städtisches Kunstmuseum Bonn. Sammlung deutscher Kunst seit 1945 . [Red. Alfred M. Fischer]. Bonn 1983. Bd. 2, S. 709–710; Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 313f.
Vgl. Klaus Briegleb: Rede wider das Hamburger Heine-Denkmal am 15. Mai 1982. — In: ders.: Opfer Heine? Versuche über Schriftzüge der Revolution. Frankfurt a. M. 1986, S. 421–432; Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 301f.
Vgl. Joachim Petsch: Heinrich-Heine-Denkmal von Arno Breker auf Norderney. Eine Provinzposse? — In: Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 12 (1984), H. 1, S. 95–98;
Hildegard Peters: Ein Heine-Denkmal auf Norderney im Widerstreit. Heinrich Heine — ja! Arno Breker — nein! — In: HJb 23 (1984), S. 156–168; Schubert: »Jetzt wohin?« [Anm. 4], S. 345f.
Vgl. Wolfram Zöller: Das Heine-Denkmal von Carin Kreuzberg in Berlin. — In: HJb 39 (2000), S. 200–205.
Vgl. Ingrid Maut: Ein Heine-Denkmal von Werner Löwe für das Heilbad Heiligenstadt. — In: Storm-Blätter aus Heiligenstadt 6 (2000), S. 37–39; Ferdinand Schlingensiepen: Grußwort zur Enthüllung des Heine-Denkmals in Heiligenstadt. — In: ebd., S. 40–42. Für Hinweise danke ich dem Künstler, Herrn Werner Löwe, Heiligenstadt.
Vgl. Oh Hansin: Die neue Heine-Stele in Seoul (Hankuk-Universität). Zur Heine-Rezeption in Korea. — In: HJb 39 (2000), S. 206–208.
Vgl. Arie Hartog: Rede zur Einweihung des Bremer Heine-Denkmals am 1. Oktober 2010. — In: HJb 52 (2013), S. 240–244.
Vgl. Victoria Meinschäfer: In Bronze gegossen. Das »Buch Heine«. Auf dem Campus steht ein neues Heine-Denkmal. — In: Magazin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2012, H. 4, S. 26–30,
und die bei der Einweihung gehaltene Rede von Joseph A. Kruse: Spiegelbilder. Gedanken zum Düsseldorfer Heine-Denkmal 2012. — In: HJb 52 (2013), S. 233–239.
Vgl. Dieter Borchmeyer: Heinrich Heine in der Walhalla. Festrede zur Aufstellung der Büste. — In: Bayerische Akademie der Schönen Künste. Jahrbuch 24 (2010) 2011, S. 81–84, sowie die bei gleicher Gelegenheit gehaltene Ansprache von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer unter URL: https://www.bayern.de/Reden-.345.10318706/index.htm [letzter Zugrif: 28.6.2014].
Vgl. gryps: Heine und der Hühner-Hugo. — In: Die Weltbühne 67 (1972), H. 27, 4.7.1972, S. 861.
Vgl. die Abbildung in Kruse: Heine und Düsseldorf [Anm. 55], S. 34, sowie Herbert Eulenberg: Worte vor der Enthüllung des Heinedenkmals im Haus zum goldenen Kessel. — In: ders.: Ein rheinisches Dichterleben. Bonn 1927, S. 177–180. Vgl. dazu Sabine Brenner: »Heinrich Heine hat mich gebeten, in seinem Namen folgendes zu erklären.« Der ›rheinische‹ Dichter Herbert Eulenberg und sein literarisches Vorbild Heinrich Heine. — In: Kortländer, Singh (Hrsg.): »… und die Welt ist so lieblich verworren« [Anm. 22], S. 409–417.
Vgl. Till Schröder: Der Gipfel des Berges flunkert. Am Ende einer abenteuerlichen Vorgeschichte: Vor 20 Jahren nahm die Loreley aus Bronze unterhalb des berühmten Felsens auf einer Hafenmole Platz — In: Süddeutsche Zeitung (München), 29.7.2003.
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Liedtke, C. (2014). Heines Denkmäler, 1891–2012 Ein kommentiertes Verzeichnis. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine Jahrbuch 2014. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01375-0_10
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