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Epistolarisches

Überlegungen zu einer Gattung

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Zusammenfassung

»[K]ann man 7 Zeilen einen Brief nennen?«2 Kleist verneint diese Frage, wenn er am 16. August 1800 weiter an Wilhelmine von Zenge schreibt: »Laß mich also lieber noch ein Weilchen mit Vertrauen und Innigkeit mit Dir plaudern.«3

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Anmerkungen

  1. Bernhard Siegert, Relais. Geschicke der Literatur als Geschichte der Post 1751–1913, Berlin 1993.

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  2. Zu Ökonomischem vgl. auch Inka Kording, »Biete Brief, wünsche Kuss« — Tauschgeschäfte des Ich in den Briefen Heinrich von Kleists. In: Christine Künzel und Bernd Hamacher (Hg.), Tauschen und Täuschen. Heinrich von Kleist und (die) Ökonomie, Frankfurt a.M. u.a. 2013 (im Druck).

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  3. Peter Bürgel, Der Privatbrief. Entwurf eines heuristischen Modells. In: DVjs 50 (1976), S. 281–297, hier S. 281.

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  4. Wilhelm Voßkamp, Dialogische Vergegenwärtigung beim Schreiben und Lesen. Zur Poetik des Briefromans im 18. Jahrhundert. In: DVjs 45 (1971), S. 80–116,

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  5. hier S. 89. Ro-hith-Gerald Delilkhan kategorisiert z.B. Kunstwerk, Dialog und Tagebuch als »Matrix der Gattung«, während sie die Definition des Briefes als Mischform als Methexis der Gattung bezeichnet (Rohith-Gerald Delilkhan, Apologie der Briefkultur. Historische Gestaltung und hermeneutische Anforderungen der Briefe aus dem Gleimkreis, Konstanz 1991, S. 244).

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  6. Eine intertextuelle Dreiecksbeziehung ergibt sich in Kleists Brief an seine Schwester vom 13. und 14. März 1803 (vgl. S. 321ff.), wenn er Ulrike von seinem gerade beendeten Aufenthalt in Oßmannstedt bei Wieland berichtet und seinem Brief als Intertext Wielands ›Gandalin oder Liebe um Liebe‹ unterlegt. Vgl. dazu Inka Kording, »Wie die Mäuse, die man aus Apfelkernen schneidet«. Kleists Rezeption von Christoph Martin Wielands ›Gan-dalin oder Liebe um Liebe‹. In: Ingo Breuer, Katarzyna Jaśtal und Pawel Zarychta (Hg.), Gesprächsspiele & Ideenmagazine. Heinrich von Kleist und die Briefkultur um 1800, Köln u.a. 2013, S. 183–196.

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  7. Dieter Kimpel, Der Roman der Aufklärung (1670–1774), 2. völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 1977, S. 21.

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  8. Reinhard M.G. Nickisch, Brief, Stuttgart 1991, S. 229. Auch Delilkhan beschreibt neben dem Adressatenbezug als gattungskonstitutivem Merkmal (vgl. Delilkhan, Apologie der Briefkultur, wie Anm. 18, S. 179) den Brief gleichzeitig als Ort für den Entwurf von Selbstreferenz und als Ort der Systematisierung eben jener Selbstreferenz (vgl. ebd., S. 174), wobei die Kritik daran (vgl. ebd., S. 182) zur basalen Dialogizität des Briefes (vgl. ebd., S. 212) beiträgt.

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  9. Eva Meyer, Briefe oder Die Autobiographie der Schrift. In: Manuskripte 26 (1986), H. 94, S. 18–22, hier S. 19.

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  10. Hier funktionalisiere ich den Aufsatztitel von Sigrid Weigel, Der schielende Blick. Thesen zur Geschichte weiblicher Schreibpraxis. In: Inge Stephan und Sigrid Weigel (Hg.), Die verborgene Frau. Sechs Beiträge zu einer feministischen Literaturwissenschaft, Berlin 1983, S. 83–137.

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  11. Zum Begriff der Imago vgl. Jean Laplanche und Jean-Bertrand Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, aus dem Französischen von Emma Moersch, Frankfurt a.M. 71986, S. 229. Die komplizierten autogenetischen und relationalen Einflusssphären, die derartige Imagines generieren, hat Gudrun Loster-Schneider 1995 in ihrer Habilitationsschrift am Beispiel der verschiedenen Sophienbilder, die Sophie von La Roche synthetisieren musste, kenntnisreich und differenziert beschrieben. Vgl. Gudrun Loster-Schneider, Sophie von La Roche. Paradoxien weiblichen Schreibens im 18. Jahrhundert, Tübingen 1995.

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  12. Vgl. Wolfgang Müller-Funk und Hans Ulrich Reck (Hg.), Inszenierte Imagination. Beiträge zu einer historischen Anthropologie der Medien, Wien und New York 1996;

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  13. Herbert Willems und Martin Jurga (Hg.), Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, Opladen und Wiesbaden 1998;

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  14. Rüdiger Ontrup und Christian Schichta (Hg.), Medieninszenierungen im Wandel. Interdisziplinäre Zugänge, Münster 1999;

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  15. Erika Fischer-Lichte und Isabel Pflug (Hg.), Inszenierung von Authentizität, Tübingen und Basel 2000;

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  16. Erika Fischer-Lichte u.a. (Hg.), Wahrnehmung und Medialität, Tübingen und Basel 2001.

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  17. Hierzu auch Stefan Rieger, Die Suggestionen des Selbst. Zur Emergenz rekursiver Individualisierung. In: Thomas Wägenbaur (Hg.), Blinde Emergenz? Interdisziplinäre Beiträge zu Fragen kultureller Evolution, Heidelberg 2000, S. 191–209

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  18. und Stefan Rieger, Die Individualität der Medien. Eine Geschichte der Wissenschaften vom Menschen, Frankfurt a.M. 2000.

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  19. Vgl. Tanja Reinlein, Der Brief als Medium der Empfindsamkeit. Erschriebene Identitäten und Inszenierungspotentiale, Würzburg 2003.

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  20. Zur Kommunikationstheorie in Bezug auf mein Arbeitsfeld vgl. Klaus Merten, Siegfried J. Schmidt und Siegfried Weischenberg (Hg.), Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994 (darin vor allem der Beitrag von Gebhard Rusch, Kommunikation und Verstehen, S. 60–87);

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  21. Georg Stanitzek, Was ist Kommunikation? In: Jürgen Fohrmann und Harro Müller (Hg.), Systemtheorie der Literatur, München 1996, S. 21–55;

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  22. Klaus Merten, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Bd. 1.1: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft, Münster 1999;

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  23. Thomas Wägen-baur, Emergenz der Kommunikation. In: Ders. (Hg.), Blinde Emergenz? Interdisziplinäre Beiträge zu Fragen kultureller Evolution, Heidelberg 2000, S. 123–141 und Wilhelm Voß-kamp, Kommunikation — Medien — Repräsentation — Archive. In: Georg Stanitzek und Wilhelm Voßkamp (Hg.), Schnittstelle: Medien und Kulturwissenschaften, Köln 2001, S. 9–13.

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  24. Gottfried Honnefelder, Der Brief im Roman. Untersuchungen zur erzähltechnischen Verwendung des Briefes im deutschen Raum, Bonn 1975, S. 11.

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  25. In Anbetracht der Komplexität der Briefgattung, der Aporien, in die eine Verbalisie-rung bzw. Verschriftlichung individualer Verfasstheiten führt, und der Paradoxien von Individualitätsentwürfen scheint der Vorwurf, den Robert Vellusig in seiner Rezension über den Band ›Der Liebesbrief‹ gegenüber den Herausgebern Renate Stauf, Annette Simonis und Jörg Paulus erhebt, etwas unterkomplex. Vgl. Robert Vellusig, To whom it may concern. Facetten einer Geschichte des Liebesbriefs. In: IASLonline, 26. Juni 2010, www.iaslonline.de/ index.php?vorgang_id=2997 (15.7.2013). Für Vellusig ist die »Vorstellung, dass das Medium Brief zwischen ›Authentizität und Fiktion, Unmittelbarkeit und Raffinesse, Leben und Literatur changiert‹ (S. 23), wie Irmela von der Lühe meint […] in der Sache ebenso haltlos wie der von den Herausgeberinnen profilierte Gegensatz zwischen dem ›Bedürfnis nach sprachlicher Beglaubigung der Gefühle‹ und dem ›Bewusstsein vom Inszenierungscharakter der Sprache‹ (S. 2)« (ebd.).

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  26. Annette C. Anton, Authentizität als Fiktion. Briefkultur im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart und Weimar 1995, S. 134.

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  27. Denis Diderot, Die Nonne, nach der ersten deutschen Übersetzung von 1797, mit einem Nachwort von Robert Mauzi, Frankfurt a.M. 1973, S. 243.

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  28. Vgl. Michail M. Bachtin, Das Wort im Roman [1934]. In: Ders., Die Ästhetik des Wortes, hg. und eingeleitet von Rainer Grübel, aus dem Russischen übers. von Rainer Grübel und Sabine Reese, Frankfurt a.M. 1979, S. 244ff. Wenn zwei Horizonte, nicht nur Sprachen, sondern auch sozial-sprachliche Weltanschauungen und darüber hinaus dichotome Diskurs-formationen bzw. soziale Praktiken, in ein dialogisches Verhältnis treten, entstehen laut Bachtin hybride Denkformen, Weltdeutungen und neue innere Formen des Welterkennens. Vor allem die unbewußte Hybridisierung, wie sie im 18. Jahrhundert zu beobachten ist, erscheint historisch sehr produktiv, nicht zuletzt in der Literatur und dort besonders im Roman.

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  29. Markus Heilmann, Die Krise der Aufklärung als Krise des Erzählens. Tiecks ›William Lovell‹ und der europäische Briefroman, Stuttgart 1992, S. 9.

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  30. Heilmann, Die Krise der Aufklärung als Krise des Erzählens (wie Anm. 51) betrachtet nur die Briefromane unter dem Aspekt der Variation von Worttypen. Meiner Meinung nach muss aber der Analysefokus zum einen auf den Bereich der so genannten ›Privatbriefe‹ ausgedehnt werden, da sonst zwar Fragen zum Identischen im disparaten empirischen Feld der ›Briefe‹ und zur Differenzierung, Wandlung und Entwicklung der Gattung noch gestellt, aber nicht mehr beantwortet werden können (vgl. Bürgel, Der Privatbrief, wie Anm. 17, S. 282f). Zum anderen darf bei der Untersuchung eines Genres, das so eng mit gesamtgesellschaftlichen Prozessen verknüpft ist wie der Brief, eine Kontextualisierung und Diskur-sivierung in dieser Richtung nicht unterbleiben, da sonst nur noch sehr schematische Statements (wie »Der Teufel klaut Gott die Frau, und die Frau wird danach mit dem Tode bestraft«; Christine Lehmann, Das Modell Clarissa. Liebe, Verführung, Sexualität und Tod der Romanheldinnen des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1991, S. 11) bilanziert werden können.

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  31. Allerdings nicht deshalb, weil der Romanbrief die »Kommunikationsformen nicht-fik-tionaler Briefe« (Herbert-Günther Klein, Der Romanbrief in der englischen Literatur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1986, S. 9) nachahmt, sondern weil ›wirkliche‹ Briefe dem Spiel von Sein und Schein strukturell genauso unterworfen sind wie ›ausge-dachte‹ epistolare Schreiben.

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  32. Johann Wolfgang von Goethe notiert im so genannten ›Biographischen Schema‹ zum Jahr 1775: »Der Dichter verwandelt das Leben in ein Bild / Die Menge will das Bild wieder zu Stoff erniedrigen / Wirklichkeits Wesen« (Johann Wolfgang von Goethe, Paralipomena zu ›Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit‹. In: Ders., Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche, I. Abt., Bd. 14, hg. von Klaus-Detlef Müller, Frankfurt a.M. 1986, S. 868).

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  33. Hans-Jürgen Schrader, Unsägliche Liebesbriefe. Heinrich von Kleist an Wilhelmine von Zenge. In: KJb 1981/82, S. 86–96, hier S. 90, wenngleich die psychologisierende Konsequenz, die Schrader aus diesem Befund zieht, dass z.B. die Briefe an Kleists Verlobte »wirkliche, nach Zuwendung, Trost und Halt beim geliebten Partner schreiende Liebesbriefe« (ebd., S. 95) seien, auf eine biografische Ebene abzielt, während hier der Fokus auf die Konstruktionsbedingungen von Individualität gelenkt werden soll. Gegen Schrader wendet sich Günter Blamberger in seiner Kleist-Biographie

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  34. (vgl. Günter Blamberger, Heinrich von Kleist. Biographie, Frankfurt a.M. 2011, S. 85ff.). Auch Kleist orientiere sich »an Christian Fürchtegott Gellerts seit 1751 den Zeitgeschmack prägendem Briefsteller, dem zufolge ›die Sprache des Herzens […] sich in keine Chrie zwingen‹ lasse« (ebd., S. 94). Vgl. auch Dieter Heimböckel, Emphatische Unaussprechlichkeit. Sprachkritik im Werk Heinrich von Kleists. Ein Beitrag zur literarischen Sprachskepsistradition der Moderne, Göttingen 2003, S. 44ff.

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Günter Blamberger Ingo Breuer Wolfgang de Bruyn Klaus Müller-Salget

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Kording, I. (2013). Epistolarisches. In: Blamberger, G., Breuer, I., de Bruyn, W., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2013. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01199-2_6

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