Zusammenfassung
Die Literatur der Epoche nach der Revolution von 1848 ist schwer unter einem einheitlichen Aspekt zu beschreiben: Einerseits steht sie noch immer unter dem Leitbild Goethe, andererseits waren besonders Schriftsteller des liberalen Lagers schon seit 1830 nicht mehr bereit, dem »Fürstenknecht« nachzueifern. Sie standen in deutlicher, oft auch polemischer Opposition zur idealistischen und romantischen Kunstauffassung. Der Begriff ›Realismus‹ wurde in Europa zwischen 1830 und 1880 als allgemeiner kunsttheoretischer Terminus für die neue Literatur und zugleich als Selbstkennzeichnung des künstlerischen Standpunkts dieser Epoche benutzt. Man ging von der Wiedergabe der zeitbezogenen Aktualität aus, glaubte alle wichtigen Zusammenhänge — soziale, ökonomische, politische — an der gesellschaftlichen und individuellen Entwicklung der Figuren eines Romans, einer Novelle oder eines Dramas darstellen, auf diese Weise also »das Leben« beschreiben zu können, »wie es eigentlich gewesen ist«, wie der Historiker Leopold von Ranke (1795–1886) diese »realistische Neutralität« formulierte. Während aber die französischen Realisten schon um 1830 die Haltung der handelnden Figuren ihrer Romane als bürgerliche Illusion oder Selbstbetrug darstellten (Stendhal: Rouge et noir, 1830), zeichnete die deutschsprachige Dichtung des Realismus sich durch »Verspätung« (sie begann erst nach 1848), durch distanzierenden Humor (Raabe) aus, durch eine zur Idylle neigende Resignation (Keller) und oft durch starke landschaftliche oder provinzielle Bindung der Menschen (Storm, Keller, Raabe).
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Beutin, W. et al. (2013). Realismus und Gründerzeit. In: Deutsche Literaturgeschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00813-8_7
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