Zusammenfassung
Kleist-Leser sehen sich seit langem mit dem Phänomen des Medienwechsels konfrontiert. In der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft hat man darauf bereits früh reagiert: 1977 mit der Jahresgabe ›Werke Kleists auf dem modernen Musiktheater‹,1 1981 mit der Jahresgabe ›Erzählstrukturen — Filmstrukturen‹.2 Nehmen wir z.B. Kleists Erzählung ›Die Verlobung in St. Domingo‹. Wir kennen Theodor Körners Drama ›Toni‹ (1812), Hans Albert Mattauschs Musikdrama ›Die Jassa-Braut‹ (1922), Winfried Zilligs Funkoper von 1957, danach 1961 in szenischer Darbietung, auch Werner Egks Oper (1963), Hans J. Syberbergs Film ›San Domingo‹ (1970) und das 1995 in der Schlosserei des Kölner Schauspiels uraufgeführte Ballett in der Choreographie von Jochen Ulrich. Jedes dieser Werke beruht auf dem Sujet der Erzählung, aktualisiert ausgewählte Zeichen und ist ein Werk eigenen Rechts, das jeweils gemäß seiner unterschiedlichen medialen Voraussetzungen analysiert werden muss. Aus komparatistischer Sicht ist ein Vergleich hier nur auf aufgrund tragfähiger Begriffe möglich. Der Begriff ›Choreographie‹ muss auf das Ballett beschränkt bleiben. Als Parameter für die Beurteilung aller Realisierungen des Sujets eignet er sich nicht. Denn die Notation einer Choreographie orientiert sich an den ballettspezifischen Ordnungskriterien. Sie wählt Wortkürzel für Tanzschritte und Posen, skizziert Bodenwege, visualisiert mit Strichfiguren die Form des sich bewegenden Körpers, macht Musiknoten zu Zeichen und verwendet daneben auch abstrakte Zeichen.3
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Anmerkungen
Erzählstrukturen — Filmstrukturen. Erzählungen Heinrich von Kleists und ihre filmische Realisation, hg. von Klaus Kanzog, Berlin 1981 (Jahresgabe der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft 1978/79).
Claudia Jeschke, Tanzschriften. Ihre Geschichte und Methode. Die illustrierte Darstellung eines Phänomens von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bad Reichenhall 1983, S. 48ff.: Definition der Ordnungskriterien.
Siehe hierzu Wolfgang Eismann und Peter Grzybek, In memoriam Juri Michajlovič Lotrnan (1922–1933). In: Zeitschrift für Semiotik 16 (1994), S. 105–116.
Roland Posner, Das Bild in der Semiotik. Interview mit Roland Posner. In: Wege zur Bildwissenschaft. Interviews, hg. von Klaus Sachs-Hombach, Köln 2004, S. 22–51, hier S. 31.
Jurij M. Lotman, Die Struktur literarischer Texte, München 1972 (UTB; 103), zum Begriff ›Raum‹ S. 312f. und ›Suiet‹ S. 329ff.
Ausführlicher dargelegt in Klaus Kanzog, Wege zu einer Theorie der Literaturverfilmung am Beispiel von Volker Schlöndorffs ›Michael Kohlhass — Der Rebell‹. In: Methodenprobleme der Analyse verfilmter Literatur, hg. von Joachim Paech, 2., überarbeitete Auflace, Münster 1988, S. 21–45, hier S. 32ff.
Ikon = Erkennen der #x00C4;hnlichkeit. Nach Charles Sanders Peirce, Collected Papers, ed. by Charles Hartshorne and Paul Weiss, Cambridge 1931–1960, Nr. 2.247: »An Icon is a sign which refers to the Object that it denotes merely by virtue of characters of its own, and which it possesses, just the same, wether any such Object actually exists or not.«
Vgl. zum Begriff ›Extrempunkt‹ Karl N. Renner, Zu dem Brennpunkten des Geschehens. Erweiterung der Grenzüberschreitungstheorie: die Extrempunktregel. In: Strategien der Filmanalyse, hg. von Ludwig Bauer, Elfriede Ledig und Michael Schaudig, München 1987 (diskurs film: 1), S. 115–130.
Vgl. hierzu Klaus Kanzog, Heinrich von Kleist, ›Prinz Friedrich von Homburg.‹ Text, Kontexte, Kommentar, München 1977 (Reihe Hanser. Literaturkommentare; 7), S. 94–112.
Günther Grack, Ein Traum von Kleist. Peter Steins ›Homburg#x2039;-Inszenierung in der Schaubühne In: Der Tagesspiegel 7. November 1977 (= Nr. 8255).
Roland Posner, Der Mensch als Zeichen. In: Zeitschrift für Semiotik 16 (1994), S. 195— 216, hier S. 195.
Vgl. Klaus Kanzog, Im Geiste der tragédie de l’âge classique. Die Rhetorik in Racines ›Phèdre‹ und Heinrich von Kleist ›Penthesilea‹. In: Beiträge zur Kleist-Forschung 17 (2003), S. 211–232.
Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, 3. Auflage mit einem Vorwort von Arnold Arens, Stuttgart 1990, S. 571–583.
Vgl. hierzu Klaus Kanzog, Heinrich von Kleists ›Über das Marionettentheater‹ — wirklich eine Poetik? In: Poetik und Geschichte. Victor Zmegaĉ zum 60. Geburtstag, hg. von Dieter Borchmeyer, Tübingen 1989, S. 349–362.
Michael Moering, Witz und Ironie in der Prosa Heinrich von Kleists, München 1972, S. 234.
Eric Rohmer, Murnaus Faustfilrn. Analyse und szenisches Protokoll, aus dem Französischen von Frieda Grafe und Enno Patalas, München 1980, S. 10.
Vgl. zur sozialen Hierarchie und zu den Situationsfunktionen Klaus Kanzog, Grundkurs Filmrhetorik, München 2001 (diskurs film; 9), S. 63–66.
Vgl. zu Begriff und Modell Klaus Kanzog, , München 2007 (diskurs film; 10), S. 74.
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Kanzog, K. (2007). Körperzeichen und Raumordnung. In: Blamberger, G., Brandstetter, G., Breuer, I., Doering, S., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2007. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00319-5_12
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