Zusammenfassung
Die europäischen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts haben drei bittere Wahrheiten zu verkraften. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein Wesen, daß sich in Jahrmillionen aus primitiven Einzellern entwickelt hat und dessen Vervollkommnungsfähigkeit höchst begrenzt ist. Es gibt keinen Gott, der alle Ungerechtigkeit auf Erden im Jenseits vergilt. Es gibt keine Paradiese, weder auf Erden noch im Himmel. Die bitteren Pillen der Erkenntnis im 20. Jahrhundert sind: die Sinnlosigkeit und zugleich die Unvermeidbarkeit des Krieges, die Grenzen des menschlichen Wissens, die Grenzen des Wachstums, auch des Wachstums der menschlichen Gattung, die Unmöglichkeit der Utopie. Fünfhundert Jahre europäischer Zivilisation haben dem Menschen vor allem die Grenzen seiner Welt und seiner selbst gezeigt. Am Ende erfuhr er sogar im Drogenrausch die Grenzen seiner Phantasie. Die Grenzen, aus denen der Europäer mit Kolumbus, Francis Bacon und dem Ruf »plus ultra!« in der Renaissance ausbrach, begannen sich im 19. Jahrhundert wieder um ihn zu schließen. Die Utopie, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zum Greifen nahe, verschwand in immer weitere Fernen. Der Traum vom großen Menschheitsglück erfuhr bis zur nebulösen Hoffnung auf die klassenlose Gesellschaft immer dünnere Aufgüsse, und schließlich blieb nur noch der Traum von der großen Karriere, der Traum vom Selfmademan.
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Winter, M. (1993). Frankenstein. In: Ende eines Traums. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00006-4_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00006-4_9
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00840-4
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