Zusammenfassung
Die Wirtschaft, die sich auf die Grundsätze des Liberalismus berufende freie Marktwirtschaft, ist der wichtigste Motor nicht nur technischer Innovationen und wirtschaftlicher Fortschritte, sondern auch des sozialen und nicht selten des politischen Wandels. Manche werfen deshalb dem wirtschaftlichen Fortschritt vor, er sei blind für seine sozialen und politischen Folgen. Die Auseinandersetzung zwischen den wirtschaftsliberalen Fortschrittsoptimisten und den bald konservativen, bald sozialreformerischen Fortschrittsskeptikern (ich lasse die ebenfalls fortschrittsoptimistischen, aber historisch wenig erfolgreichen revolutionären Sozialisten außer Betracht) dauert nun schon zwei Jahr-hunderte und hat in jüngster Zeit erneuten Auftrieb erhalten. Zwar haben sich die Interpretationen der Sachlage und die Schlagworte, mit denen die ideologischen Kämpfe ausgetragen wurden, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewandelt, aber an der Grundkonstellation hat sich vergleichsweise wenig geändert: Stets ging es um die Frage nach dem Verhältnis von als antagonistisch deklarierten Größen: Von Marktwirtschaft und Staat, von Ökonomie und Moral, von Wachstum und Verteilung, von Freiheit und Sicherheit. Und doch zeigt gründliches Nachdenken, daß diese Größen so zusammengehören wie Motor und Bremsen: Je stärker das eine, desto notwendiger das andere. Die neuzeitliche Entwicklung ist die Erfolgsgeschichte der gleichzeitigen Steigerung von Selbststeuerung und Fremdsteuerung.
Entstanden als öffentlicher Vortrag im Rahmen des Jubiläumsprogramms „ 100 Jahre Hochschule St. Gallen “. Veröffentlicht in: Arbeit in der Schweiz des 20. Jahrhunderts: wirtschaftliche, rechtliche und soziale Perspektiven, hrsg. von Thomas Geiser/Hans Schmid/ Emil Walter-Busch. Verlag Paul Haupt, Bern, 1998, S. 1–26. — Preprint: Universität St. Gallen, Aulavorträge Nr. 61, St. Gallen 1998. Redaktionell bearbeitet.
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Literatur
Die folgende Darstellung orientiert sich an Kaufmann 1997, bes. 21 ff.
Dementsprechend bestimmt der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde die Aufgabe von Sozialstaatlichkeit als Gewährleistung der „sozialen Voraussetzungen der Realisierung grundrechtlicher Freiheit“ (Böckenförde 1976: 238).
Eine differenzierte Begründung findet sich nunmehr bei Huf 1998.
Für einen systematischen Vergleich von familialem Wandel und Familienpolitik in den meisten europäischen Staaten vgl. Kaufmann/Kuijsten/Schulze/Strohmeier 1997–2002.
Dieses Problem ist durch AHV-Reform von 1995 in der Schweiz in international vorbildlicher Weise gelöst worden.
Sonntagszeitung vom 1. März 1998, S. 21.
„Anomie bedeutet den Geisteszustand von jemandem, der seinen moralischen Wurzeln entrissen ist, der keine MaBstäbe mehr hat, sondern nurmehr unzusammenhängende Antriebe, der keinen Sinn für Kontinuität, für gewachsene Gruppen, für Obligationen mehr hat. Der anomische Mensch ist geistig steril geworden, nur auf sich selbst bezogen, niemendem verantwortlich. Er mokiert sich über die Werte anderer Menschen. Sein einziger Glaube ist die Philosophie des Neinsagens. Er lebt auf der schmalen Linie des Empfindens zwischen der fehlenden Zukunft und der fehlenden Vergangenheit... Anomie ist ein Geisteszustand, in dem der Sinn des Individuums für sozialen Zusammenhalt — die Hauptquelle seines moralischen Halts — gebrochen oder tödlich geschwächt ist.“ (Robert MacIver, zit. bei Dahrendorf 1984: 39).
Zu unterschiedlichen Dimensionen der Entsolidarisierung vgl. Kaufmann 1997 a: 16.
Für eine Vor- und Nachteile abwägende Darstellung vgl. Kulessa 1996.
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Kaufmann, FX. (2002). Wohlfahrt, Arbeit und Staat unter den Bedingungen von Individualisierung und Globalisierung. In: Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen. Sozialpolitik und Sozialstaat. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99962-7_10
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