Zusammenfassung
Betrachtet man die gegenwärtige Diskussionslage um die Zukunft des christlichen Glaubens in Europa, so fällt auf, dass den Gemeinden — insbesondere in ihrer Ausprägung als Territorialgemeinden — in der Regel wenig Zukunftsfähigkeit attestiert wird. „Man wird nüchtern zur Kenntnis nehmen müssen“ — so Franz-Xaver Kaufmann — dass die gegenwärtigen Formen kirchlicher Seelsorge an den nachwachsenden Generationen weitgehend vorbeigehen“ (Kaufmann 2000, 136). Kaufmann betont die Bedeutung von Aktivitäten mit Erlebniswert wie Wallfahrten und gemeinsame Bauprojekte und verweist auf Initiativen mit Bewegungscharakter wie Dritte-Welt-Gruppen und Kirchenvolksbegehren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Michael N. Ebertz. Im Anschluss an die Milieuanalysen Gerhard Schulzes konstatiert er für die 90er Jahre die Fortsetzung einer Tendenz zur Vergreisung der Gottesdienstgemeinden „und damit eine deutliche — auch ästhetische — Milieuverengung der Kirchengemeinden überhaupt“. (Ebertz 1997, 132). Auf diesem Hintergrund schlägt Ebertz die Hinwendung zu einer Kommunikationspastoral anstelle einer Gemeindepastoral vor, die er „vor und neben, jedenfalls jenseits oder zwischen den Grenzen und Ebenen der Kirchengemeinden“ angesiedelt wissen will (Ebertz 1997, 141).
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Literatur
Zur Unterscheidung von Sozial- und Glaubenspastoral siehe Fuchs (1998).
So explizit im die einschlägige Forschung dominierenden „John Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project“ (Salomon/Anheier u.a. 1999, 41).
In der neueren Diskussion ist es insbesondere Detlef Pollack, der die prinzipielle Inkompatibilität zwischen Religion und gesellschaftlicher Differenzierung betont und die Daten des religiösen Wandels in Europa und Deutschland auf diesem Hintergrund interpretiert. Siehe neuerdings: Pollack 2000, 21.
So explizit die Position von J. Casanova (1994), der auf diesem Hintergrund die unterschiedlichen religiösen Entwicklungen in Europa und den Vereinigten Staaten interpretiert.
Zu den drei Grundstrategien im Verhältnis von Glaube und Moderne—Kapitulation, Verschanzung und Verhandlung—sieheRerer 194 47
Die Veränderung der Beziehungen auf der Gemeindeebene schon in den 50er Jahren dokumentiert gut: Schreuder 1962, 102–122.
„Aggiornamento bedeutet somit mehr als nur ‘Reform’; es fordert dazu auf, nach einer neuen Inkulturation der Offenbarung zu suchen in einer Menschheit, die im Umbruch begriffen ist. Es geht weder bloß um eine Erneuerung der Institutionen noch um eine Veränderung der Lehre, wohl aber um ein neues rakikales Eintauchen in den überlieferten Glauben mit dem Ziel, das christliche Leben und das Leben in der Kirche zu erneuern im Geist der Freundschaft mit den Menschen. Auf der Grundlage dieser Überzeugung hielt es Johannes XXIII. für unerläßlich, ein Konzil abzuhalten, das alle Energien sammeln sollte, um ein Jungwerden der Kirche zu bewirken, das sie befähigen sollte, dem heutigen Menschen das Evangelium darzustellen und zu vermitteln. Das Konzil sollte die Kirche von den Verkrustungen der Geschichte befreien, welche sich im Laufe der Jahrhunderte angelagert haben. Die Konzilsversammlung hat ihrerseits dieses Ziel geteilt und sich zu eigen gemacht.“ (Alberigo 1993, 231)
Wenn dieser Eid auch erst später in den deutschen Bistümern geleistet werden musste, so wird doch deutlich, dass sich von da ab die Pfarrer immer stärker auf den Eid, den sie dem Bischof geleistet haben, berufen.
Anerkennung seitens der Kirchenleitungen der „geistlichen Erfahrungen“ vor Ort, wo die Gläubigen „im christlichen Gewissen“ ein gemeinsames Abendmahl für geboten hielten, verlangt der katholische Theologe Bernd Jochen Hilberath (2001, 6).
Dieses Zitat ist typisch für alle jüngeren befragten katholischen Pfarrer
Die schärfste Analyse der hier angesprochenen Phänomene stammt von Richard Sennett (1998).
Es handelt sich um einen längerfristigen Trend der Veränderungen des sozialen Modells der Transzendenzerfahrung. An die Stelle eines vorgegebenen, sozial abgestützten Modells dauerhafter Transzendenzerfahrung tritt die Tendenz zur individuellen Auswahl und Konstruktion individueller Transzendenzmuster (Luckmann 1991, 178f; Gabriel 1999, 205ff).
Interessant in diesem Zusammenhang erscheint, dass mit dem ersten Konjunktureinbruch 1966 in der Bundesrepublik die Bereitschaft, langfristige Bindungen einzugehen, zurückgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt setzte der Geburtenrückgang ein, von da ab stieg das Heiratsalter wieder; auch die Zahl der Priesteramtskandidaten sank von diesem Zeitpunkt an ab.
Zu einer breiten Erörterung der Thematik Kundenorientierung in Kirche und Gemeinde siehe neuerdings: Pott (2000).
Zum (neuen)Ehrenamt im Kontext von Caritas und Gemeinde siehe: Bock (1998); Lehner (1999).
Zur gut dokumentierten Situation in der Diözese Essen siehe: Institut für kirchliche Sozialforschung (2000).
Insofern finden sich in den Gemeinden die von der Pastoraltheologie betonten Grundfunktionen von Zeugnis, Liturgie, Koinonie und Diakonie wieder. Zur neueren Diskussion siehe: Karrer (2000).
Zur Problematik kirchlicher „Erst- und Zweitstruktur“ siehe: Steinkamp 1994; Kaiser 2001.
Die neuere Diskussion um die Zusammenlegung von Gemeinden wird breit dekumentiert in: Eckart (1998).
Bürokratische Maßnahmen können auch für den Familienbereich akzeptabel sein. Das zeigt sich z.B. an der Akzeptanz des Familienlastenausgleichs, des Krankenkassenwesens usw.) Durch die genannten Maßnahmen werden diese Strukturen sogar eher gestützt als in Frage gestellt, was schon anders wäre, wenn das Kindergeld dem jeweiligen Kind individuell zustände.
Ein Positionspapier des ZdKs spricht von der „Gefährdung der sakramentalen Mitte der Gemeinde“ durch den Priestermangel. (ZdK 2000).
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Gabriel, K., Geller, H. (2002). Ausblick: Entwicklungstrends in Kirchengemeinden. In: Ökumene und Gemeinde. Forschung Soziologie, vol 147. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99955-9_6
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