Zusammenfassung
Sexual-Therapeutik grassiert, aber nicht nur das: Sie nimmt heute viele verschiedene Formen an. Man findet sie auf der Couch, als Kurzzeittherapie, aber auch als Beratung im Fernsehen oder per Leserbrief. Annemarie, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde, hat sich für einen Kurs mit dem Titel ‘Weibliche Sexualität’ an der Münchner Volkshochschule entschieden; und in jüngerer Zeit nehmen auch nicht-therapeutische Professionen Sexualtherapie in ihr Repertoire auf, so z.B. Journalisten und Dominas. Die therapeutische Praxis, das erkennen die an der ‘Archäologie des Wissens’ (Foucault 1973) Geübten nach diesem Streifzug schnell, zeigt heute eine erhebliche ‘Streuung’. Das Erstaunen über die Streuung oder Positivität der therapeutischen Praxis ist ein erster wichtiger Schritt: Erst das Erstaunen bringt uns dazu, dieses Phänomen nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern es genauer zu betrachten. Dabei wissen die diskursanalytisch Geübten natürlich auch, dass das mit Erstaunen registrierte Phänomen zwar auf Ereignisse in der Welt referiert, also ‘wirklich’ ist. Gleichwohl ist die Einheit der Ereignisse, die wir zu diesem Phänomen bündeln, nicht in der Welt gegeben. Diese Einheit wird diskursiv hergestellt (vgl. Karpenstein-Eßbach 2000: 102), und zwar nicht nur durch einen, sondern viele Diskurse.
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Literatur
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Maasen, S. (2004). Zur Therapeutisierung sexueller Selbste. „The Making Of“ einer historischen Diskursanalyse. In: Keller, R., Hierseland, A., Schneider, W., Viehöver, W. (eds) Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99764-7_5
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