Zusammenfassung
Die gelegentlich noch heute anzutreffende Meinung, »dass man im Chinesischen gar nicht nach grammatischen Formen fragen muß« (Humboldt 1968:315, [11826]) und die Wortstellung »ausser Stande [ist], anzudeuten, in welcher bestimmten grammatischen Form jedes Wort eines Satzes genommen werden muss« (ibid., S.319) hat bereits v. der Gabelentz (1960, [11881]) relativiert, der seine Grammatik des klassischen Chinesisch auf der Basis von „Wortkategorien“ und »ihrer jeweiligen Function im Satze« (ibid., S.113) aufgebaut hat. In Kapitel 2.1 wurde ansatzweise gezeigt, daß für das moderne Chinesisch Wortklassen gebildet werden können, wobei neben syntaktischen und semantischen Kriterien auch morphologische (wie insbesondere Reduplikationstypen) eine Rolle spielen. Die Grammatik der Argumente des Prädikats wurde in Kap. 2.2 und 2.3 in Zusammenhang mit Positionsmarkierungen und dem Begriff der Valenz angedeutet. In diesem Kapitel werden nun einige grundsätzliche Überlegungen zur Subjekt- und Objektrelation im modernen Chinesisch angestellt, wobei die Frage im Zentrum stehen wird, ob das Chinesische eine Subjekt- oder nicht vielmehr eine Topikfunktion hat, ob das Chinesische also eine „topikprominente“ Sprache ist oder nicht (vgl. Kap. 2.4). Es wird nicht angestrebt, die syntaktischen Funktionen im Sinne einer Referenzgrammatik erschöpfend zu behandeln.
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Literatur
Im Hinblick auf Permutationen von Konstituenten vgl. DeFrancis (1967), wobei die von DeFrancis als akzeptabel eingestuften Sätze 1,2,10,13 (ibid., S.26) durch von mir befragte Chinesen als nicht akzeptabel eingestuft wurden.
Die Struktur der Nominalgruppe ebenso wie die der Präpositionalgruppe ist über interne Struktur- bzw. Rektionseigenschaften aufzubauen. So ist meiner Ansicht nach die erste Nominalgruppe dadurch gekennzeichnet, daß der Klassifikator durch das Kernnomen und den Determinator regiert wird, also ein interdependentes Rektionsverhältnis besteht. Bei der zweiten Nominalgruppe handelt es sich um eine adnominale Attributkonstruktion, wobei das Attribut immer im Vorfeld des Kernnomens und adjazent zu diesem steht.
So auch Liejiong/Langendoen (1985). Mir ist jedoch nur eine chinesische Grammatik bekannt, in der der Begriff Topik explizit übernommen wurde, nämlich Hu (1989:349).
Die Definitionspunkte folgen exakt Chao (1968: 67f.).
In chinesischen Grammatiken wird in diesen Fällen die Differenzierung in dà zhüyu großes Subjekt“ (= Topik) und xiăo zhŭyŭ „kleines Subjekt“ vorgenommen (vgl. Yinsheng/Debing 1979:108). Chao (1968:100) unterscheidet zwischen main subject für Temporal- und Lokalnominale und second subject, das eigentliche Subjekt des Satzes.
In anderen Fällen, die als „Doppelsubjekt-Konstruktionen“ behandelt werden, ist im einzelnen das zugrundeliegende Strukturierungsprinzip zu prüfen. In den meisten ausstehenden Fällen, die in der Literatur diskutiert werden, handelt es sich entweder um Objekte in Erstposition oder um freie Nominalgruppen, die im Sinne von Altmann (1981) als „Freie-Thema-Nominalgruppen“ behandelt werden können.
Insbesondere ausgehend von der Theorie der „Double-subject“-Konstruktionen formuliert Burridge (1986) die Hypothese, daß das Holländische ursprünglich nicht eine „subject-prominent language“, sondern vielmehr eine topikprominente Sprache gewesen sei. In dem Satz aus dem Holländischen von 1350 Als een vrouwe een kint in haren lichaem doet is, so salse drinken cancel met warmen water (Wenn eine Frau ihr Kind tot ist, dann soll sie Zimt mit warmem Wasser trinken) ist een vrouwe Topik: «the initial topic in the double-subject construct has no grammatical relation whatsoever with the verb, but syntactically totally independent» (ibid., S. 58). Natürlich ist een vrouwe een kint eine komplexe Nominalgruppe mit een vrouwe als Attribut zu een kint.
Neben gěi können auch wèi und bāng gebraucht werden, wobei letztere präferiert bei einem belebten Ziel, also einem Benefiziär auftreten, z.B. Tābāng wŏ tí xíngli „Er hilft mir das Gepäck zu tragen“.
Ebenso jiāogěi, fāgěi, xiàngěi, fùgěi und gònggěi.
Obwohl in Grammatiken die Voranstellung des direkten Objektes immer wieder als wichtige Struktur thematisiert wird, scheint dies in der gesprochenen Sprache weniger relevant. Dies bestätigt auch die Auswertung des dialogischen und umgangssprachlichen Stückes Léi yŭ „Gewitter“ von Cao (1978). Auf 100 Seiten tritt nur einmal ein vorangestelltes direktes Objekt auf (ibid., S. 53):
Sìfàng, nĭ lái, lăo yě de yùy ī nĭ gěi fàng zài năr la?
Sifang, du kommen, Vater PART Regenmantel du PART legen P wo PART
Sifang, komm, wo legst du Vaters Regenmantel hin?
Im Sinne von Prince (1981) als «inferrable information».
Subjektlose Imperativsätze, wie sie aus der Literatur zu erwarten wären, treten im Korpus nicht auf. In den wenigen Imperativsätze sind die Adressaten immer kodiert.
«Adjacency pairs consist of sequences which properly have the following features: (1) two utterances length, (2) adjacent positioning of component utterances, (3) different speakers producing each utterance (...), (4) relative ordering of parts (i.e., first pair parts precede second pair part), and (5) discriminative relations (i.e., the pair type of which a first pair part is a member is relevant to the selction among second pair parts)» (Schegloff/Sacks 1973:295–96).
Und prinzipiell auch mit zhīdao „wissen“, wenn auch nicht im Korpus belegt.
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© 1992 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Schlobinski, P. (1992). Über die Subjekt- und Objektrelation im modernen Chinesisch. In: Funktionale Grammatik und Sprachbeschreibung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99761-6_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99761-6_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12348-6
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