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Obrigkeitliche Krisenregulierung und kommunale Interessen: Das Beispiel Württemberg 1770/71

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Zusammenfassung

In der sozialhistorischen Debatte um den sozialen Protest in Subsistenzkrisen hat sich ein weitgehender Konsens darüber hergestellt, daß weite Teile der städtischen Bevölkerungen während der Frühen Neuzeit und noch weit in das 19.Jahrhundert hinein von den Obrigkeiten die Einlösung eines Fürsorgeversprechens, nämlich die Herstellung „gerechter“ Preise sowie Transparenz im Versorgungssystem erwarteten. Wenn diese Erwartungshaltung nicht eingelöst wurde, konnte sie unter bestimmten Bedingungen zum kollektiven Protest führen1. In weiterführenden Beiträgen hat inzwischen die Frage nach den Manifestationsbedingungen sozialen Protests besondere Bedeutung bekommen2: Weder gab es eine direkte Beziehung zwischen Notlagen und Protest3 noch kann die Existenz einer normativen Ökonomieauffassung allein erklären, warum es jeweils zu Protestaktionen kam und in welcher Häufigkeit sie auftraten. In diesem Zusammenhang erwies sich insbesondere die These John Bohstedts als anregend, daß Protestaktivitäten gehäuft in kleinen und mittleren Marktstädten mit dichter sozialer Kohäsion aufgetreten seien. Offener Protest stellte eines und zwar das letzte unter verschiedenen Mitteln dar, innerhalb der Kommunen Interessen zu vertreten4. In welchem Ausmaß es in der Untersuchungsregion Württemberg zu sozialem Protest kam oder doch Protestbereitschaft vorhanden war, wird deshalb von besonderem Interesse sein.

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Literatur

  1. Die Angaben über Archivalien beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, auf die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Im Dezember 1770 wurden die Bäckerläden nach einem zeitweiligen Backstreik der Stuttgarter Bäcker (wegen des unzureichenden Getreideangebots) “mit Wachen besetzt, damit sie nicht gestürmt würden”; Karl Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart, 2. Teil: 1651–1845, Stuttgart 1846, S. 322f.

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  2. Vgl. Manfred Gailus, Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Pmußens 1847–1849,Göttingen 1990, S.31, 205; Heinz-Dietrich Löwe, Teuerungsrevolten, Teuerungspolitik und Marktregulierung im 18. Jahrhundert in England, Frankreich und Deutschland, in: Saeculum,37/1986, Heft 3–4, S.291–312, hier S.292ff.

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  3. Allein, weil materielle Not auch zu repressiven Reaktionen breiter Schichten gegen Arme, d.h. zu einer “moral panic; führen konnte; vgl. Peter Wettmann-Jungblut, ”Stelen inn rechter hungersnodtt“. Diebstahl, Eigentumsschutz und strafrechtliche Kontrolle im vorindustriellen Baden 1600–1850, in: Richard van Dülmen (Hrsg.), Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle. Studien zur historischen Kulturforschung III, Frankfurt 1990, S.133–177, v.a. S.154, 166.

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  4. Zum sozialen Protest als tendenziell gewaltloses Mittel kommunaler Interessenartikulation vgl. John Bohstedt, Riots and Community Politics in England and Wales, 1790–1810, Cambridge/London 1983, S. 202.

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  5. Andrew Charlesworth/Adrian J.Randall, Comment: Morals, Markets and the English Crowd in 1766, in: Past and Prrsent,114/1987, S.200–213, hier S.209.

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  6. Zur einsetzenden Diskussion um ökonomische Freiheit(en) vgl. Jürgen Schlumbohm, Freiheit. Die Anfänge der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland i: Spiegel ihres Leitwores, Düsseldorf 1975, S.125–127; zur Debatte über die Freiheit des Getreidehandels vgl. Michael Huhn, Zwischen Teuerungspolitik und Freiheit des Getreidehandels: Staatliche und städtische Maßnahmen in Hungerkrisen 1770–1847, in: Hans-Jürgen Teuteberg (Hrsg.), Durchbruch zum modernen Massenkonsum. Lebensmittelmärkte und Lebensmittelqualität im Städtewachstum des Indust iezeitalters, Münster 1987, S.37–90, hier S.42–54. - Zweifel an der Wirksamkeit von Fruchtsperren und Ansätze einer nichtmoralistischen Betrachtung des Getreidehandels generell finden sich in: Oeconomische Untersuchung, die Sperrung der Fruchtausfuhrr betreffend, in einem Gespräche zwischen zween Reichsständischen Oberamtsmännem in Schwaben, Ulm 1768.

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  7. Die Steuern kamen in Württemberg seit dem Erbvergleich von 1770 etwa zu 30% der Landschaft zugute. Für 1797 schätzt man deren Einnahmen auf 1 Million fl., die zu 400.000 fl. als Militärbeitrag, zu 200.000 fl. für Schloß-und Straßenbau und zu 300.000 für die eigene Verwaltung ausgegeben wurden; Barbara Vopelius-Holtzendorff, Das Nagolder Cahier und seine Zeit. Beschwerdeschrift mit Instruktionen für den Abgeordneten zum württembergischen Landtag von 1797 (Edition), in: ZWLG,37/1978, S.122–178, hier S.132.

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  8. Vgl. z.B. J.H.G.v.Justi, Die Gnmdfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten, Band 1, Königsberg/Leipzig 1760, S.265–271: In wie weit die Regierung vor den Unterhalt des Volkes zu sorgen schuldig sey, S.272–287: Von denen Anstalten wieder die Theuerung, S.287–292: Von dem Verboth das Getraide auszuführen; ders., Staatswirthschaft oder systematische Abhandlung aller oeconomischen und Cameralwissenschaften, 2.Tei1, Leipzig 1758, S.606f.; grundsätzlich ist die Krisensteuerung durch den Staat durch das Glückseligkeitspostulat begründet: ders., Natur und Wesen der Staaten, Mitau 1771, S. 318f.

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  9. Vgl. Karl Pfaff, Geschichte der Reichsstadt Eßlingen, Eßlingen 1840, S. 664.

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  10. Vgl. Johannes Fettel, Die Getreide-und Brotversorgung der freien Reichsstadt Esslingen von 1350 bis 1802,Diss. Tübingen, Stuttgart 1930, S.80–92; Pfaff, Eßlingen (Anm. 10), S.662, 893. - Der eigene Getreideanbau Eßlingens reichte nur für einen Monat: vgl. ebd., S.662.

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  11. In Stuttgart besaßen die privaten Haushalte im Oktober 1770 insgesamt nur über 4925 Scheffel “Frucht”, ausreichend für ca. 3 Wochen. In Stadt und Amt Ludwigsburg waren 59769 Scheffel Getreide vorhanden, d.h. 5 Scheffel je Einwohner, was eigentlich bis zur nächsten Ernte ausreichte, nur befanden sich die Vorräte fast ausschließlich in den Amtsdörfern; A 243a Bü 14. Im gut versorgten Marktort Oberlin-gen am Bodensee hatte ebenfalls nur eine Minderheit (ein Fünftel der Privathaushalte) einen nennenswerten Getreidevorrat im Haus; einschließlich der öffentlich verfügbaren Lagerbestände verfügte man aber hier noch im Mai 1771 über Getreide für vier Monate; vgl. Frank Göttmann, Die Versorgungslage in Uberlinpn zur Zeit der Hungerkrise 1770/1, in: ders.(Hrsg.), Vermischtes zur neueren Sozial-, Bevölkenings-und Wirtschaftsgeschichte des Bodenseeraumes: Horst Rabe zum Sechzigsten,Konstanz 1990, S.75–134, hier S.103, 108, 111.

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  12. Eine Teuerung im 18.Jahrhundert [Chronik von Johann Jakob Schanz in Mössingen], in: Mitteilungen des königlichen statistischen Landesamtes. Beilage des statistischen Anzeigers für Württemberg,Nr. 12, 20.12.1901, S.177–181, hier S.178; Pfaff, Stuttgart (Anm. 1), S.323.- Im April 1771 verbreitete sich das Gerücht, in Göppingen würden alle Tage hundert Kinder in den Wald zur “Sammlung gewisser Wurzeln und Kraut” geschickt, wie der Kammerrat Drescher auf einer Reise in Liebenzell erfuhr; A 243a Bü 15.

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  13. Vgl. Rolf Walter, Die Kommerzialisierung von Landwirtschaft und Gewerbe (ca. 1750–1850). Zur Genese einer Komplementärregion in vorindustrieller Zeit, dargestellt am Beispiel Württembergs, Habilschrift Erlangen-Nürnberg 1988, S. 124f.

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  14. Pfaff, Stuttgart (Anm. 1), S.322.

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  15. A 282 Bü 725, Prot. Pol.dep. Stgt. 4. 7. 1769.

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  16. Dies entspricht dem Preisauftrieb auf den Durlacher und Pforzheimer Märkten; vgl. Clemens Zimmermann,“Noth” und ‘Theuerung“ im badischen Unterland. Reformkurs und Krisenmanagement unter dem aufgeklärten Absolutismus, in: Aujklänmg,2/1987, S.95–119, hier S.99f. In Mössingen stiegen die Preise für den Scheffel Dinkel von ”gleich nach der Ernte“ 5 fl. bis Weihnachten bereits auf 8 fl. und bis zum Mai 1771 dann auf 15 bis 16 fl. In Heilbronn stiegen die Preise für das Malter Dinkel kontinuierlich von 2 fl. 58 Kreuzer am 4. April 1770 bis auf ein Maximum von 7 Gulden 40 Kreuzer am 23. März 1771, um dann während 1772 noch auf einem relativ hohen Niveau zu verharren; vgl. Eine Teuerung im 18. Jahrhundert (Anm. 13), S.178; Heinrich Titot, Hundertjährige Obersicht der Lebensmittel-Preise in Heilbronn von 1744 bis 1843,Heilbronn 1844, S.7. Weiteres Material in: Hermann Losch, Durchschnittliche Preise für Getreide in Württemberg 1766–1895, in: Württembetgisc/re Jahrbücher für Statistik und Landeskunde,1896, S.117–122.

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  17. Gutachten J.F. Schultheiß vom 24.1.1771, in: A 243a Bü 6.

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  18. Wo 10% bis 40% der Bürgerschaft von Woche zu Woche nicht wußten, ob und unter welchen Bedingungen sie Absatz bei ihren Verlegern finden würden, wo dieselbe Zahl überhaupt nur alle 2 bis 3 Wochen bares Geld in die Hände bekam, da konnten… viele andere Gewerbe auf keinen grünen Zweig kommen“: Walter Troeltsch, Die Calwer Zeughandlungskompagnie und ihre Arbeiter. Studien zur Gewerbe-und Sozialgeschichte Altwürttembergs,Jena 1897, S.307. In der Stadt Calw stellten die protoindustriellen Familien 25% der Bevölkerung, in Stadt und Amt Wildberg 27%. In dieser Region war der gesamte Ernährungsstandard deutlich geringer als etwa am unteren Neckar; vgl. Troeltsch, S.295. - Zu den protoindustriellen Ansätzen in Württemberg vgl. Reiner Flik, Die Textilindustrie in Calw und Heidenheim 1750–1870,Stuttgart 1990; Sheilagh C.Ogilvie, Women and proto-industrialization in a corporate society: Württemberg woollen weaving, 1590–1760, in: Pat Hudson/W.R.Lee, Women’s Work and the Familiy Economy in Historical Perspective,Manchester/New York 1990, S.76–103.

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  19. Troeltsch, Zeughandlungskompagnie (Anm. 19), S.299.

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  20. Vgl. dazu die “Danck-Erstattung vor die zu Abwendung des BrodMangels geleistete Interimshülfe” durch den Ludwigsburger Stadtmagistrat an die Regierung (23.3.1771 in: A 243a Bü 14), das Gesuch des Magistrats um eine Erhöhung der Brottaxen in Ludwigsburg am 17. und 19.4.1771 (A 243a Bü 6), das Unterstützungsgesuch des Magistrats vom 22.4.1771 und am 26.5.1771 die Eingabe des Oberstallmeisters v. Schenck über den Mangel an Brot bei der “Stalldienerschafft”, die “oft zwei oder drei Tage lang kein Brot mehr kaufen” könnte (A 243a Bü 14).

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  21. Wolfgang v. Hippel, Am Ende des Alten Reiches - wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, in: Reiner Rinker/Wilfried Setzler (Hrsg.), Die Geschichte Baden-Württembergs, Stuttgart 1986, S.201–210, hier S.203; Wolfgang Kaschuba/Carola Lipp, 1848 - Provinz und Revolution. Kultureller Wandel und soziale Bewegung im Königreich Württemberg, Tübingen 1979, S. 18.

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  22. Dazu Vopelius-Holtzendorff, Nagolder Cahier (Anm. 7), S.127f.

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  23. Nach den Angaben bei Pfaff, Stuttgart (Anm. 1), S.555. In Ulm zeigt sich ein ganz analoges Bild: Andreas Erdel, Die Pest und andere ansteckende Krankheiten in der Freien Reichsstadt Ulm im 18.1ahrhundert, med. Diss. Ulm 1985, S.201f. - Die verfügbaren Daten zu Baden deuten ebenfalls auf den Typ einer Crise larvée hin: Christina Müller, Karlsruhe im 18.Jahrhundert. Zur Genese und zur sozialen Schichtung einer residenzstädtischen Bevölkerung, phil. Diss. Heidelberg 1990, S.60f.; Zimmermann, “Noth” (Anm. 17), S.102f. Dieser Krisentyp ist durch relativ geringe Sterbeüberschüsse - bis zu einer zweifachen Gesamtmortalität gegenüber dem langjährigen Durchschnitt -, den Aufschub von Heiraten und dem daraus sich ergebenden Konzeptionsrückgang definiert. Zu ernährungsbedingten Auswirkungen der Krise (durch das Absinken auf den Breistandard) auf die Geschlechterbilanz bei den Geburten vgl. Christoph von Gundlach, Agroinnovationen und Bevölkerungsdynamik, aufgezeigt am Wandel der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechselwirtschaft unter dem Einfluß der Kartoffeleinfühnmg im 18. Jahrhundert. Eine Fallstudie im südwestdeutschen Raum, phil. Diss. Freiburg 1986, S.175ff.

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  24. Arthur E.Imhof, Lebenserwartungen in Deutschland vom 17. bis 19.Jahrhundert,Darmstadt 1990, S.23. - In Uberlingen, das, wie erwähnt, während der Krise relativ gut versorgt war, zeigten sich immerhin “deutliche Ansätze” einer Bevölkerungskrise, v.a. die Rückstellung von Heiratsplänen und ein um Monate vorgezogenes Sterben von “Schwachen”; vgl. Göttmann, Versorgungslage (Anm. 12) S.121ff.

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  25. Zu Basel vgl. Markus Mattmüller, Die Hungersnot der Jahre 1770/1 in der Basler Landschaft, in: Gesellschaft und Gesellschaften. Festschrift zum 65. Geb. von Prof. Dr. Ubich Im Hof, Bern 1982, S. 271–291.

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  26. Aufgrund des relativ großen Staatsterritoriums bestand in Krisenzeiten wenigstens theoretisch eine gewisse Chance, über eine solche Strategie die Krise einzudämmen. Zur protektionistischen Krisenpolitik des schwäbischen Reichskreises vgl. Frank Göttmann, Getreidemarkt am Bodensee (1650–1810),St.Katharinen 1991, S.218f., 224ff.

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  27. Exportverbot für Adelige und Bürgerliche gleichermaßen, eiligste Auffüllung von “Commun-Vorräten” (13.7.1770); Ermittlung sämtlicher privater und öffentlicher Vorräte durch die Oberämter in Tabellenform und Bedarfsermittlung für das Jahr 1771, ständige Marktbeobachtung (Mengen-und Preisangaben), landesweite Preisregulierung, Durchsetzung des Marktzwangs; Ausdehnung der Sperre auf Heu und Öhmd, um Futtergetreide zu sparen (23.9.1770/2.1.1771); Verbot der Ausfuhr von Brot (6.10.1770); Untersagung des Weiterverkaufs von “ausländischem” Getreide, Ausdehnung der Exportbeschränkung bei Kartoffeln (20.10.1770) und Stroh (27.10.1770), verschärfte Verfolgung des Schmuggels, Beaufsichtigung der Müller, Verbot übereilter Aufkäufe durch Armenpfleger und Spitalaufseher (s.aber oben unter dem 13.7.1770), Vermehrung des Zollpersonals (5.12.1770), Erhöhung des Anteils für diejenigen, welche Unterschleife anzeigen, auf ein Drittel der Confiscations-Strafen (31.8.1771).

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  28. Die 1665 gegründete Armendeputation hatte während der französischen Einfälle in Süddeutschland 1692/94 Umverteilungsmaßnahmen durchgeführt, als Getreide aus kirchlichen Vorräten mittels “Assignation” im Land ausgeteilt worden war. Dies beschränkte sich auf eine begrenzte Unterstützung zur “Conservation” von Ortsarmen, um diese von Bettelzügen nach Stuttgart abzuhalten: Insgesamt wurden von der Armendeputation während des Frühjahrs 1692 8000 Gulden als Geld-und 4000 Scheffel Getreide als Sachbeihilfe zur Verfügung gestellt; s. A 244a Bü 5, bes. pag. 34–39, 175ff., und Hans-Joachim Ernst, Das württembergische Ahnenwesen im 18.Jahrfrundert,phil. Diss. Tübingen 1951(MS), S.28.

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  29. Von einer quantitativ sehr guten Ernte 1771 und einem qualitativ guten Ergebnis 1772 berichtet Pfaff, Stuttgart (Anm. 1),S.324.

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  30. Vgl. Rechtfertigungsschrift des Sulzer Oberamtmannes Müller v. 9.9.1770, in: A 211 Bü 320a.

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  31. Generaltabelle“ der Vorräte, Einwohnerzahl, Viehbestand und Getreide vom 25.2.1771, in: A 282 Bü 724; Gutachten von J. F. Schultheiß in der Fruchtdeputation (26.3.1771), in: A 243a Bü 15.

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  32. Vgl. z.B. Anfrage des Oberamtes Balingen am 18.2.1771, in: A 243a Bü2.

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  33. A 243a Bü 6 (Gutachten J.F. Schultheiß v. 24.1.1771); Entwurf eines Generalreskripts vom 7.3.1771, in: ebd.

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  34. Dazu gaben Eingaben der Ludwigsburger Bäcker (15.3. 1771, A 243a Bü 14), die erwähnten “Klagen” der “Dienerschaft” [d.h. der Hofbediensteten verschiedener Ränge] über “äußersten Brotmangel”, Anlaß: A 243a Bü 3–2.4.1771. Am 3.4.1771 wurde in der Fruchtdeputation festgestellt, daß die “Schonung der Residenz” Vorrang habe; ebd.–Die erste Bestandsaufnahme des Oberamtmanns G. L. Reimer in Stadt und Amt Ludwigsburg ergab im Oktober 1770, daß die Ernte vielleicht um die Hälfte geringer als üblich ausgefallen sei, man habe allgemein geringere Vorräte als im Vorjahr, die durch die Verwendung von Kartoffeln aber noch etwas gestreckt werden könnten. Zugunsten der “armen Handwercks Genoßen, Weingärttner und Taglöhner” solle man eine Preisfixierung bei 5 fl je Scheffel (also etwa dem Marktpreis von 1769) durchführen (A 243a Bü 14). Zur–allerdings um 1770 in Württemberg noch sehr beschränkten–Ergänzungsfunktion der Kartoffeln im Konsum der ländlichen Bevölkerung vgl. von Gundlach, Agrminnovationen (Anm. 25), S. 32–45, 75.

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  35. A 243a Bü 11 v. 6.4. 1771: In Württemberg hatte das städtische Amtsbürgertum, die “Ehrbarkeit”, seit dem 16. Jahrhundert eine starke Position inne: An ihr scheiterte die Durchsetzung des Absolutismus, so daß in Württemberg das “Land” an zentraler Stelle wie auch auf der Ebene der Amtskörperschaften an der staatlichen Herrschaft partizipierte.

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  36. Vgl. Vopelius-Holtzendorff, Nagolder Cahier (Anm. 7), S.140f; Walter Grube, Dorfgemeinde und Amtsversammlung in Altwürttemberg, in: ZWLG,13/1954, S.194–219. - Demnach verfügten ca. 50 der rund 1200 württembergischen Dörfer und Weiler über zehn der 86 Landtagsabgeordneten. Die Masse der ländlichen Bevölkerung war allerdings nur indirekt durch die Prälaten der Klosterämter und durch die städtischen Abgeordneten der “Städte und Ämter” repräsentiert, d.h. die Dorfgemeinden partizipierten direkt nur auf Ebene der “Städte und Ämter”, wobei sie gegenüber den Amtsstädten seit dem 17. Jahrhundert erhebliche, durch die Kommunordnung von 1758 freilich bis zum Erbvergleich von 1770 zurückgenommene Kompetenzgewinne verzeichneten.

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  37. In Nürtingen z.B. nahm der Magistrat Anfang Juni 1771 200 Säcke Getreide ab, die mit 21fl. 28 kr. für Weizen und 19 fl. 33 kr. für Roggen teuer genug erworben wurden - wobei die Landschaft ja den Betrag zunächst vorfinanzierte. Die Subventionierungsleistung betrug hier insgesamt 13748 fl., was sich je zur Hälfte Spital und Amtsbezirk teilten. Dieser Einkauf reichte zur regelmäßigen Verteilung an die bedürftigen Haushalte bis zum Sommer gut aus; J. Kocher, Geschichte der Stadt Nürtingen,Stuttgart 1924, S.165. - Ein anderer Bericht, der aber die staatliche Versorgungspolitik 1816/18 herausstellt, spricht von einem erhobenen “kleinen Kostenaufschlag an die Armen”, d.h. unterstreicht, daß keine unentgeltliche Abgabe oder Verkauf unter dem Gestehungspreis erfolgt sei; vgl. Eine Teuerung im 18. Jahrhundert (Anm. 13), S.179ff.

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  38. Vgl. insbes. Kocher, Nürtingen (Anm. 47), S.160–165.

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  39. Die Stuttgarter Haushalte verfügten im Oktober 1770 insgesamt nur über 4925 Scheffel “Frucht”, ausreichend für ca. 3 Wochen. Im Mai 1771 - auf dem Höhepunkt der Krise - fanden sich 9029 Scheffel Getreide, also je Kopf ca. 95 kg, was etwa für 40–50 Tage ausreichte; Pfaff, Stuttgart (Anm. 1), S.322ff. und A 243a Bü 16.

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  40. Nach A 243a Bü 6 (13.7.1771),In der Fruchtdeputation war am 19.4. erneut davon die Rede, “hin und wieder” begegne man “Widersetzlichkeiten bei Abführung von Früchten in andere Städte”, dabei sei künftig auch an militärische Einsätze zu denken. Doch auch hierauf ging die Regierung nicht ein.

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  41. Vgl. z.B. Kocher, Nürtingen (Anm. 47), S.165. Eine generelle Freigabe des Getreidehandels kam aber dennoch nicht in Frage: Schon im August 1771 beobachtete man wieder eine zu starke Konsumption bestimmter Getreidesorten im Land; man sann nun auf eine effektivere Neuauflage des Protektionismus, nicht auf Freihandel; vgl. das ausführliche Gutachten der Fruchtdeputation vom 14.8.1771 über die weitere Getreidepolitik, in: A 243a Bü 6. Im August 1771 lockerte man aber die Sperre für

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  42. Ein anderer Fall waren z.B. die “sämtlichen Meister des Becken Handwercks” in St.Georgen mit ihrer Bitte, “die ausl. benachbarte Märcktte mit ihrem Brod besuchen zu dürfen”; A 243a Bü 2–25.2.1771.

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  43. Z.B. A 243a Bü 2–4.1.1771.- Gemäß dem Edikt vom 5.12.1770 war ein “Besuch” ausländischer Mühlen ausnahmsweise und unter strenger Aufsicht gestattet, außer, es bestünden rechtlich verbindliche Verträge mit anderen Herrschaften und eine rechtlich verpflichtende “Observanz”.

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  44. A 211 Bü 320a: Durch eine vollständige Exportsperre, d.h. die Unterbindung des Transithandels, werde der wichtige Sulzer Markt, aber eben auch der “Abgang des Salzes (aus der wichtigen Saline Sulz), (der Eingang von) Zoll, Ungeld, Accis, Weg-, Stand-und Meßgeld, desgleichen (die) Nahrung der Wirthe, Mezger, Becken, Wagner, Schmied, Sattler, Fuhrleute” geschmälert.

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  45. Vgl. z.B. das Petitum der St.Georgener Stabsvögte “um das freie Frucht-und Viehcommercium”, zeitgleich mit der oben erwähnten Eingabe der Bäcker, in: A 243a Bü 2–25.2.1771.

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  46. Vgl. Löwe, Teuerungsrevolten (Anm. 2 ), S. 298f.

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  47. Zur enormen Ausstattung des württembergischen Kirchengutes (24 Klöster samt ihren Ländereien, 450 Dörfer, Weiler und Höfe, sonstige geistliche Güter, Gefälle und Gerechtigkeiten) vgl. Martin Hasselhorn, Der altwiintembeigische Pfarrstand im 18.Jahrhunden,Stuttgart 1958, S.1–3. Die Finanzierung von Staatsaufgaben über das - vom Kirchenrat zentralistisch geleitete - Kirchengut scheint seit dem 16. Jahrhundert üblich gewesen zu sein. Ein Drittel der staatlichen, von der Landschaft übernommenen Schulden mußte jeweils aus dem geistlichen Gut bestritten werden. Dazu kamen direkte Ansprüche der herzoglichen Hofverwaltungen, so daß für die Pfarrbesoldungen letztendlich weniger übrig blieb als in anderen Ländern.

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  48. Aus Tuttlingen wurden z.B. am 10.4.1771 insgesamt 14 Oberämtern 8550 Scheffel Kernen und 2000 Scheffel Gerste und Bohnen “angewiesen”; A 243a Bü 3.

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  49. a Bü 3 und A 243a Bü 5. Der Pfullinger Tumult im wesentlichen (siehe die folgenden Quellenzitate) nach Stadtarchiv Pfullingen, Gemeinderatsprotokolle 1771, Nr. 798.

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  50. Zur physischen Übermacht von Volksmengen gegenüber Ordnungskräften vgl. Gailus, Straße (Anm. 2), S.275.

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  51. Die Stadt, das Amt und das Klosteramt Pfullingen hatten 1770 zusammen 4975 Einwohner; die Stadt selbst dürfte ca. 2400 Einwohner gehabt haben; vgl. Gottfried Maier, Pfullingen und seine Eriebnisse in 1500 Jahren, Pfullingen 1930, S. 421.

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  52. Zu diesem Gesichtspunkt vgl. u.a. John Bohstedt, Gender, Household and Community Politics: Women in English Riots 1790–1810, in: Past and Present,120/1988, S.88–110, hier S.98.- Zu Pfullingen gibt es keine moderne Sekundärliteratur, insbesondere keine, aus der sich kommunalpolitische Kontexte erschließen ließen.

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  53. Hungerproteste waren keineswegs rein weibliche Aktionen (in diese Richtung tendieren Olwen Hufton, Weiblicher Alltag. Die Schattenseite der Französischen Revolution, in: Claudia Honegger/Bettina Heintz [Hrsg.], Listen der Ohmacht. Zur Sozialgeschichte weiblicher Wideistandsfonnen, Frankfurt a.M. 1981, S.138–159, und Michelle Perrot, Rebellische Weiber. Die Frau in der französischen Stadt des 19.Jahrhunderts, in: ebd., S.71–98), aber Frauen waren daran, meist in offener Kooperation mit Männern, die zu Gewalttätigkeiten gegen Personen neigten, intensiv beteiligt. Zur Forschungslage vgl. den Beitrag von Carola Lipp in diesem Band und Bohstedt, Gender (Anm. 68), bes. S.88–93, der für England jetzt darauf hinweist, daß am sozialen Protest Frauen insgesamt nur zu 30% beteiligt waren.- Vgl.auch den Aufsatz von Claudia Ulbrich, Zwischen Resignation und Aufbegehren. Frauen, Armut und Hunger im vorindustriellen Europa, in: Annette Treibel/Gabriele Klein (Hrsg.), Begehren und Entbehren, Bochumer Beiträge zur Geschlechteiforschung, Pfaffenweiler 1993.

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  54. Pfullingen war eine typische schwäbische Ackerbürgerstadt, in der aber auch das Kleingewerbe und zahlreiche, der Unterschicht zuzurechnende Weingärtnerhaushalte nicht fehlten. Dazu kamen neben einigen im Verlag tätigen Bortenwirkern eine Anzahl Strumpfweber; vgl. Karl Memminger, Beschreibung des Oberamts Reutlingen,Stuttgart/Tübingen 1824, v.a. S.116–120.

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  55. Vgl. Maier, Pfullingen (Anm. 67), S.195.

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  56. Der Aufwand für das im Mai und Juni 1771 aus Heilbronn und andernorts herbeigeschaffte Getreide betrug einschließlich der Transportkosten bis zum Abrechnungstermin am 2.7./13.7.1772 etwa 5000 Gulden; Stadtarchiv Pfullingen, A 262, Suspensations-Früchte-Rechnungen.

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  57. Vgl. Gailus, Strape (Anm. 2), S.209.

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  58. Insofern kann man diese Politik als effektiv bezeichnen; vgl. dagegen die Mißerfolge noch bei der Regulierung der Krise 1847: Joachim Schaier, Verwaltungshandeln in einer Hungerk ise. Die Hungersnot 1846/47 im badischen Odenwald, Opladen 1991.

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  59. Imhof, Lebenserwartungen (Anm. 26), S.163.

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  60. Vgl. Peter Blickle (Hrsg.), Aufruhr und Empörung? Studien zwn bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, München 1980; Winfried Schulze (Hrsg.), Aufstände, Revolten und Prozesse. Beiträge zu bäuerlichen Widerstandsbewegungen im frühneuzeitlichen Europa, Stuttgart 1980; Clemens Zimmermann, Reformen in der bäuerlichen Gesellschaft. Studien zum aufgeklärten Absolutismus in der Markgrafschaft Baden, 1750–1790, Ostfildern 1983; Werner Troßbach, Bäuerlicher Widerstand in deutschen Kleinterritorien zwischen Bauernkrieg und Französischer Revolution: Einige Bemerkungen zu Formen und Gegenständen, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie, 35/1987, S.1–16.

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  61. Zum Forschungskontext vgl. jetzt die Beiträge von Peter Blickle, Wolfgang Kaschuba und Volker Press in dem von Peter Blickle herausgegebenen Band: Landgemeinde und Stadtgemeinde in Mitteleuropa. Ein struktureller Vergleich, München 1991, und Eva Osterberg, Compromise instead of conflict? Patterns of contact between local peasant communities and the early modern state: Sweden in the sixteenth to eighteenth centuries, in: Mats Lundahl/Thommy Svensson (Hrsg.), Agrarian Society in History. Essays in Honour of Magnus Mömer, London/New York 1990, S. 263–281.

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  62. Mit dem Erbvergleich von 1770 hatte die Landschaft gegen das absolutistische Regime Carl Eugens (1744–1793) eine entscheidende Stärkung seiner Machtposition erreichen können. Insofern befand sich das Land gerade zum Zeitpunkt der Krise in einer politisch konsolidierten Lage, und auch die sonst vielfältigen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Amtsorten und Amtsstädten traten bei dem materiell so bedeutsamen Problem der Getreideversorgung bis auf die hier aufgeführten Ausnahmen zurück; vgl. Grube, Dorfgemeinde (Anm. 46), S.214ff.

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Manfred Gailus Heinrich Volkmann

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Zimmermann, C. (1994). Obrigkeitliche Krisenregulierung und kommunale Interessen: Das Beispiel Württemberg 1770/71. In: Gailus, M., Volkmann, H. (eds) Der Kampf um das tägliche Brot. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99757-9_6

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