Zusammenfassung
Das historische Selbstverständnis der Soziologie bildet, aus einem metatheoretischen und gesellschaftstheoretischen Blickwinkel betrachtet, keine Einheit. Es zerfällt, wie der gegenwärtige Stand der soziologischen Fachgeschichtsschreibung erkennen läßt, in zwei getrennte Bereiche. Auf der einen Seite findet sich die hermeneutische Auslegung großer klassischer Texte. Auf der anderen Seite wird in zahllosen Studien die Sozialgeschichte der Soziologie geschrieben, ihrer Fachzeitschriften, ihrer Verbände, der der Disziplin zuzurechnenden Wissenschaftler und — in jüngerer Zeit — Wissenschaftlerinnen und ihrer Aktivitäten. Trotz eines umfangreichen historischen und gut verfügbaren Materials kommen beide Arten der Geschichtsschreibung selten zusammen. Wohl unterscheidet sich die Soziologie in diesem Punkt positiv von benachbarten Disziplinen wie Philosophie, Politikwissenschaft oder Ökonomie. Denn anders als die Philosophie, die sich fast ausschließlich ideengeschichtlich-hermeneutisch zu ihrer Tradition verhält, nimmt die Soziologie die Geschichte ihrer eigenen Praxis wenigstens gelegentlich zur Kenntnis. Im Unterschied zur Politikwissenschaft, die, wenn sie theoretisch zu sein beansprucht, auf politische Philosophie zurückgreift — also Texte von Aristoteles bis Hegel —, in den vergangenen Jahrzehnten aber kaum die Schwelle einer starken Theoriebildung überschritten hat, hat die Soziologie in den vergangenen zweihundert Jahren einen Kanon von Texten hervorgebracht, die den Anspruch auf Theorie auf einem ähnlich allgemeinen Niveau erheben können wie die der philosophischen Tradition und mit dieser in eine ernsthafte Konkurrenz treten.
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Literatur
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Demirović, A. (2001). Die Herausforderung der Soziologiegeschichte für die Gesellschaftstheorie. In: Klingemann, C., Neumann, M., Rehberg, KS., Srubar, I., Stölting, E. (eds) Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1997/98. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99644-2_3
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