Zusammenfassung
Während eines Transitionsprozesses erscheinen Institutionen als abhängige wie auch als unabhängige Variable. Die neuen demokratischen Institutionen werden durch die politischen Eliten gestaltet, und gleichzeitig werden die Handlungen der Akteure durch alte und neue institutionelle Rahmenbedingungen geprägt. Für die Analyse von Prozessen der Institutionenbildung in neuen Demokratien gilt es von daher, akteursorientierte und institutionelle Erklärungsansätze zu verbinden. Denn erst die Kombination beider Ansätze erschließt das grundlegende Wechselverhältnis zwischen Akteuren und Institutionen, das für die Genese des demokratischen institutionellen Arrangements von so zentraler Bedeutung ist.
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Literature
Vgl. dazu auch Bos (1996a).
Schmitter (1995a: 545) geht davon aus, daß dieser Prozeß im Durchschnitt drei Legislaturperioden des Parlamentes und damit etwa zwölf Jahre in Anspruch nimmt.
Die Mobilisierung der Bevölkerung, die sich beispielsweise in Demonstrationen und Streiks ausdrückt, kann einerseits spontan als Folge einer durch die Liberalisierung einsetzenden Eigendynamik und andererseits organisiert durch oppositionelle Kräfte zustande kommen. Der Aufstand der Massen ist in der Regel ein vorübergehendes Phänomen, das vor allem in der Phase der Liberalisierung eine Rolle spielt. Generell ist davon auszugehen, daß einer Welle der Mobilisierung und Politisierung immer eine Depolitisierung, Desillusionierung und Beruhigung folgt (vgl. O’Donnell/Schmitter 1986: 26–28; 53–56).
Zu den oppositionellen Gruppen zählen zunächst meist Intellektuelle, Künstler, Menschenrechtsgruppen und kirchliche Kreise. Es können dann Parteien, Gewerkschaften und andere Interessengruppen hinzukommen.
Eine positive Rolle können dabei Politiker spielen, die während des Exils Erfahrungen mit funktionierenden Demokratien sammeln konnten (vgl. O’Donnell 1992: 37).
Burton u.a. (1992) stellen die Herausbildung eines Konsenses unter den politischen Eliten als den für die Konsolidierung entscheidenden Faktor heraus. Nur wenn sich die politischen Eliten entweder trotz unterschiedlicher Wertvorstellungen auf einen Konsens verständigen oder sich ein Konsens aus einer Konvergenz der von den verschiedenen Gruppen vertretenen Interessen ergebe, könne eine stabile und funktionsfähige Demokratie entstehen.
In diesem Sinne beschreibt James Boyd White die Wirkung von Institutionen auf die politischen Akteure wie folgt: „[The law] establishes roles and relations and voices, positions from which and audiences to which one may speak, and it gives us as speakers the materials and methods of a discourse. It is a way of creating a rhetorical community over time“ (zitiert nach Elkin 1993: 123).
Vgl. auch Przeworski (1988: 67), der davon ausgeht, daß Institutionen die Aussichten bestimmen, mit denen sich bestimmte Interessen in einer spezifischen Weise durchsetzen können.
1990 erschienen Auszüge aus diesem Papier in zwei Aufsätzen im Journal of Democracy (Linz 990a, 1990b). 1994 wurde dann eine überarbeitete Version des Essays aus dem Jahr 1984 veröffentlicht (Linz 1994).
Vgl. z.B. Mainwaring (1993); Shugart/Carey (1992); Stepan/Skach (1993); Power/Gasiorowski (1997).
Eine kritische Auseinandersetzung mit den vorliegenden Studien führen Power und Gasiorowski (1997). Sie kommen in ihrer Untersuchung der Stabilität von präsidentiellen und parlamentarischen Systemen in der Dritten Welt zu dem der einschlägigen akademischen Diskussion widersprechen- den Ergebnis, daß in dieser Region der Welt der Typ des Regierungssystems keinen signifikanten Einfluß auf die Überlebenstähigkeit und Konsolidierung neuer Demokratien zu haben scheint (Power/Gasiorowski 1997: 144).
Auch Weaver/Rockman äußern sich in diesem Sinne. Sie vertreten die These, daß zentrale Fragen in Zusammenhang mit der Wirkung politischer Institutionen noch nicht beantwortet seien. Folgende Fragen erachten sie als zentral: Wie wirken sich unterschiedliche institutionelle Arrangements auf die Wirksamkeit von Regierungen aus? Welche Institutionen sind wichtig, und wie beeinflussen sie die staatliche Leistungsfähigkeit? Wie kommen die durch Institutionen erzeugten Unterschiede der politischen Kapazitäten zustande? Wie kann das Wissen über institutionelle Wirkungen angewendet werden? (vgl. Weaver/Rockman 1993a: 5).
Insbesondere unter politischen Akteuren gibt es — im Gegensatz zur Politikwissenschaft — offenbar so gut wie keine Zweifel, daß Verfassungsregeln wichtig sind (vgl. Banting/Simeon 1985: 28; McGregor 1996: 149). Auch Putnam (1993: 10) hebt dies hervor: „Constitution drafters, management consultants, and development advisers devote much attention to institutional design in their precriptions for improved performance“.
Offe (1996: 215) vertritt in diesem Zusammenhang die These, daß das Überleben der neuen Institutionen weniger von der Qualität ihres Designs abhängt als von der Bereitschaft der Bevölkerung, die Kosten der Transition auf Dauer zu ertragen. Auch Bogdanor (1991) geht davon aus, daß die Stabilität einer neuen Demokratie nicht so sehr von der Gestalt der politischen Institutionen abhängt, sondern mehr vom Vorhandensein einer demokratischen politischen Kultur.
Thibaut (1997: 15) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß in den von ihm untersuchten Systemwechselprozessen in den postkommunistischen Staaten und den meisten Ländern der Dritten Welt „neutrale“ Überlegungen bei der Ausgestaltung des neuen Institutionensystems allenfalls eine untergeordnete Rolle spielten. Nach Einschätzung von Arato (1995a: 8) liefen die Verfassunggebungsprozesse in Osteuropa im Ergebnis „eher auf pragmatische Tüfteleien, politische Kompromisse und Ad-hoc-Urteile hinaus, als auf ein anhaltendes, konsequentes Bemühen, für echte und legitimierte Verfassungslösungen zu sorgen“.
Vgl. zu diesem Problem Rüb (1996: 115), der vier Strategien der Institutionenhildung unterscheidet: Anwendung, Ausdehnung, Erweiterung, Neugründung.
Vgl. Ostrom (1995: 1 1); Elster (1988b: 310ff.); Banting/Simeon (1985: 26).
Merkel (1996c: 83ff.) spricht dem historisch-konstitutionellen Erklärungsansatz für die Verfassunggebungsprozesse in Ostmitteleuropa nur eine sehr begrenzte Plausibilität zu. Gleiches gilt für den prozeßorientierten Ansatz, der einer empirischen Überprüfung nicht standhalte. Den akteurstheoretischen Ansatz hält er für den fruchtbarsten. So hätten in Ostmitteleuropa “die Strategien, die strategischen Koalitionen sowie die wechselseitig mobilisierbaren Macht- und Legitimitätsressourcen der politischen Akteure in erheblichem Maße die Konfiguration der politischen Institutionen” geprägt (ebd.: 90).
Die Durchführung von Referenden wird allerdings auch kritisch bewertet. So wendet sich Holmes gegen Volksreferenden in Verfassunggebungsprozessen, weil diese die Stellung der Parlamente untergraben würden, denn sie erzeugten den Eindruck, daß die wichtigsten Entscheidungen nicht den Politikern überlassen werden dürften (vgl. Holmes 1995: 76).
Innerhalb der Gruppe der konfliktorientierten Prozesse unterscheidet Bonime-Blanc noch einmal zwischen „passively dissensual“ und „actively dissensual“ Prozessen.
Rokkan entwickelte seine Hypothese zur Erklärung des Aufkommens von Verhältniswahlsystemen in Kontinentaleuropa am Ende des 19. Jahrhunderts. Rokkan zufolge entstanden Verhältniswahlsysteme als Ergebnis der Machtteiltung zwischen den damals herrschenden konservativen Parteien und den neu entstandenen Vertretern der Arbeiterklasse. Aus der gleichen Logik des Machtteilens entstanden seiner Meinung nach Zweikammer-Parlamente. Auch die Einführung eines präsidentiellen Systems folge dem Prinzip des Machtteilens. So biete die getrennte Wahl von Staatschef und Parlament den etablierten und neuen Kräften die Möglichkeit, zumindest eine zentrale Institution zu kontrollieren.
Das Beharrungsvermögen der Normen und Verhaltensweisen des alten Systems läßt sich auch in Osteuropa nachvollziehen. So war das öffentliche Austragen von Konflikten in sozialistischen Systemen nicht nur nicht vorhanden, sondern es galt darüber hinaus auch als unmoralisch. Vor dem Hintergrund dieser Norm mußten bzw. müssen die Parlamente der postsozialistischen Systeme gegen die gängige Vorstellung kämpfen, ihre Arbeitsweise sei nicht legitim. Dies gilt auch für die Verfassungsrechtler, die die Verfassungstexte der neuen Systeme schrieben. Diese Richter waren eher von den Prinzipien des Naturrechts überzeugt als von dem Prinzip des Aushandelns von Interessengegensätzen und der Kompromißfindung (vgl. Crawfo rd/Lijphart 1995: 180).
In Osteuropa lassen sich neben den Belegen für das Beharrungsvermögen der Praktiken des alten Regimes auch solche für Lernprozesse und Verhaltensanpassungen der politischen Eliten an die Normen und Verfahren des neuen Systems finden. Empirische Untersuchungen bestätigen, daß in Osteuropa Angehörige der alten Eliten dazu in der Lage sind, ihr Verhalten den neuen Bedingungen anzupassen, und daß sich gleichzeitig neue einflußreiche Eliten organisieren (Crawford/Lijphart 1995: 184).
Die Einschätzung von McGregor (1996: 151), daß die neuen demokratischen Verfassungen in Ostmitteleuropa aufgrund der dort fehlenden historischen Erfahrungen mit Demokratie ihre Wirkungen entfalten können, ohne durch längst etablierte Gewohnheiten und Bräuche gebrochen zu werden, kann nicht nachvollzogen werden. Tatsächlich ist davon auszugehen, daß die im sozialistischen System vorherrschenden Gewohnheiten und Bräuche sich auch auf das Funktionieren der neuen demokratischen Institutionen auswirken werden.
Die Lernprozesse lassen sich entweder auf ein Scheitern der Demokratie in der Vergangenheit oder auf bestimmte Schlüsselereignisse der jüngsten Vergangenheit zurückführen (vgl. Thibaut 1997: 21).
Vgl. dazu auch Merkel (1996: 80ff.) Munck (1994) entwickelt ebenfalls einen mehrdimensionalen Erklärungsansatz, in dem strukturelle, prozeß- und akteursorientierte Faktoren kombiniert werden. Die neuen Institutionen werden als abhängige Variable von Struktur, Prozeß und Entscheidungen begriffen (vgl. Munck 1994: 5). Ansätze, die sich auf nur einen Faktor — wie etwa den Modus des Transitionsprozesses oder die strategischen Entscheidungen politischer Akteure — konzentrieren, hält er für nicht weitreichend genug. Auch in seinem Ansatz stehen die strategischen Entscheidungen der politischen Eliten im Mittelpunkt, allerdings wird der Kontext ihrer Entscheidungen mit einbezogen. Munck geht davon aus, daß die strategischen Entscheidungen beeinflußt werden von historischen Langzeitfaktoren und der kurzzeitigen Dynamik des Transitionsprozesses, die sich aus den Interaktionen und der relativen Stärke von Machthabern des autoritären Regimes und oppositionellen Eliten ergebe.
Lijphart (1992: 219) denkt beim Anknüpfen an historische Traditionen nur an das Wiederaufnehmen demokratischer Traditionen. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß beispielsweise in Polen und Ungarn die eigene Verfassungsgeschichte als Bezugspunkt in der Auseinandersetzung um ein neues Institutionensystem eine große Rolle spielte, obwohl beide kaum über demokratische Erfahrungen verfügen. Dies deutet darauf hin, daß Verfassunggeber nicht nur von demokratischen Bezugspunkten in der Geschichte ihres Landes, sondern generell durch historische Traditionen in ihrem Entscheidungshorizont geprägt werden.
Vgl. die Zusammenfassung der Kritik bei Holmes (1995: 73).
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Bos, E. (2004). Akteure und Institutionen in Transitionsprozessen. In: Verfassungsgebung und Systemwechsel. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99262-8_2
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