Über Vererbungschemie

Zusammenfassung

Ein sehr großer Teil der modernen Biologie beschäftigt sich mit Strukturen, die jenseits des Auflösungsvermögens des Lichtmikroskops liegen. Um das klar zum Ausdruck zu bringen, möchte ich die hier zu behandelnden Probleme an einem Bakterium illustrieren, an einem Organismus also, der als ganzer schon nahe an dieser Grenze liegt. Im Lichtmikroskop sieht man, selbst bei höchstmöglicher Auflösung, nur ein Stäbchen mit ein paar Flecken im Innern, die zu kernähnlichen Gebilden gehören. Im Elektronenmikroskop sehen wir, obwohl das Auflösungsvermögen sehr viel größer ist, selbst auf den besten Dünnschnittpräparaten nicht viel mehr. Bei einem solchen Stäbchen ist die auffälligste Eigentümlichkeit, daß es sich unter geeigneten Umständen vermehren kann, indem es kontinuierlich wächst und sich alle 20 Minuten teilt. Was ist in einem solchen Organismus drin, und wie funktioniert er? Rein chemisch gesehen enthält er die üblichen Elemente der organischen Chemie: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, außerdem insbesondere noch Phosphor und Schwefel und vielleicht ein halbes Dutzend andere Elemente in sehr geringen, aber wichtigen Spuren. Die genannten Elemente sind zunächst einmal zusammengefügt zu einer großen, aber durchaus abzählbaren Menge von kleinen Molekülarten, etwa 100. Zu diesen gehören die 20 Aminosäuren, die Kohlehydrate, die Bestandteile der Nucleinsäuren, die Fettsäuren, die Vitamine und einiges mehr.