Zusammenfassung
Die rechtliche Grundlage des in § 114 Abs 4 AktG anerkannten Depotstimmrechts der Banken ist die Stimmrechtsermächtigung des Aktionärs. Diese Ermächtigung stellt sich als Einwilligung analog § 185 BGB dar, durch welche die Bank die Be-fugnis erhält, das Stimmrecht aus der Aktie im eigenen Namen auszuüben 1). Die Möglichkeit einem anderen über § 185 BGB nicht nur zu gestatten, das Voll-recht im eigenen Namen geltend zu machen, sondern auch die Ermächtigung auf die Befugnis zu beschränken, ein fremd es Recht oder eine Rechtsmacht im eigenen Namen auszuüben, ergibt sich — argumentum a maiore ad minus — aus der Überlegung, daß, wenn jemand sein Recht ganz oder teilweise auf Dritte übertragen kann, es ihm auch gestattet sein muß, einem anderen nur die Befugnis zur Ausübung dieses Rechtes zu überlassen 2). Die Unterscheidung zwischen dem Zustehen und dem Ausüben eines Rechtes ist im positiven Recht auch verschiedentlich anerkannt, z.B. in den §§ 1059, 513 BGB, § 857 III ZPO, § 8 LitUrGes, § 10 KunstUrges 3). Zu der Ermächtigung muß, um dem Ermächtigten nach außen die Stellung eines stimmberechtigten Aktionärs zu geben, ihn zur Ausübung des Stimmrechts zu legitimieren, bei Inhaberaktien die Besitz Übertragung oder die Hinterlegung auf den Namen des Dritten und bei Namensaktien die Umschreibung kommen. Es müssen also die Formen der Vollrechtsübertragung gewahrt werden, um der Natur der Aktie als Wertpapier 3a) gerecht zu werden 4) 5).
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Literatur
RGZ 118/330 (332).
Siebert, S. 235 ff.
Ludewig, Ermächtigung, S. 36 ff., konstruiert die Ausübungsermächtigung zwar auch über § 185 BGB, meint aber — unter Hinweis auf § 6 KO —, daß hierbei nur ein jedem recht immanentes Verwaltungsrecht übertragen werde. Siebert, S. 247, lehnt diese Ansicht m. E. mit Recht ab unter Hinweis darauf, daß dies eine teilweise konstitutive Rechtsnachfolge bedeutete, die auf Grund des numerus clausus der Sachenrechte hier nicht möglich sei.
3a) Siehe hierzu Schnorr v. Carolsfeld, Festschrift, S. 594 ff.
RGZ 118/330 (334).
Hieraus ergibt sich, daß die Bezeichnung „Legitimationszession“ für das Institut der Stimmrechtübertragung nicht zutreffend ist. Die Legitimationszession allein ist nicht ausreichend, um dem Zedenten in bezug auf das materielle Recht Befugnisse zu verleihen. Hierzu ist nur die Ermächtigung in der Lage. Ohne diese bleibt der formell Legitimierte materiell „Nichtberechtigter“, so daß ihm jederzeit der Einwand des fehlenden materiellen Rechtes entgegengehalten werden könnte.
Diese Formulare sind in Anhang IV/1 und 2 abgedruckt.
Perger, S. 120/121, Ludewig, Hauptprobleme, S. 137, Giesecke, S. 22, Willenbruch, S. 18.
Die Auslagen der Banken, die ihnen im Zusammenhang mit den Depotstimmenrechten erwachsen, sind im ganzen nicht unbeträchtlich. Vgl. hierzu Bankendenkschrift, S. 23.
Giesecke, S. 44, Frohner, S. 41.
Linhardt, Depotstimmrecht, S. 175.
Da es sich nicht um die Annahme eines Vertragsangebotes handelt, sondern nur um eine Einholung von Weisungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, wird man das Verfahren der Banken, das Schweigen der Kunden als Einverständnis mit dem Vorschlag der Bank zu deuten, nicht beanstanden können.
Die von den Kunden erteilten Weisungen zwingen die Banken u. U., uneinheitlich abzustimmen. Hiergegen ist jedoch nichts einzuwenden. Früher ging zwar die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur dahin, daß ein Aktionär nur einheitlich abstimmen dürfe, wobei jedoch die Probleme des Legitimationsaktionärs nur selten erörtert wurden (so RGZ 118/67 [70], RG in JW 27/2982, Staub, HGB, § 252 Anm. 3, Brodmann, § 252 Anm. 1 a, Röhricht, S. 19). Lediglich Schmulewitz, S. 130, erörterte das Problem der uneinheitlichen Abstimmung eines Depotstimmermächtigten und bejahte auch hier die Pflicht zur einheitlichen Abstimmung. Nach eingehenden Untersuchungen von Saenger, S. 213 ff., Flechtheim, S. 419 ff., und Klausing, Abstimmung, die auch die rechtliche Situation des Depotstimmermächtigten untersuchten und die Widersprüche aufzeigten, die sich zwischen der Zulässigkeit von Abstimmungsverträgen und der Verpflichtung zur einheitlichen Stimmabgabe ergeben müßten, änderte sich jedoch die allgemeine Rechtsansicht. RGZ 137/305 (313) räumte schon die Möglichkeit ein, daß es schutzwürdige Interessen geben könnte, aus denen heraus die uneinheitliche Abstimmung zugelassen werden müßte. Es ließ die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer uneinheitlichen Abstimmung jedoch noch dahingestellt. Das neuere Schrifttum bejaht allgemein, daß eine uneinheitliche Stimmabgabe zulässig sei, und zwar auch dann, wenn sie im Einzelfall nicht durch vernünftige Gründe veranlaßt sei (vgl. Godin, Aktiengesetz, § 114 Anm. 3, Schlegelberger-Quassowsky, 8. Aufl., § 114 Anm. 33, Gadow, § 114 Anm. 11, Ritter, Aktiengesetz, § 114 Anm. 13, ebenso Horrwitz, S. 138, Bernicken, S. 320). Die heute herrschende Ansicht ist richtig. Gerade der Fall des Stimmermächtigten, der durch Weisungen des Ermächtigenden gebunden ist, zeigt, daß eine uneinheitliche Abstimmung auch durch vernünftige und schutzwürdige Interessen geboten sein kann, ebenso wie bei Stimmrechtvereinbarungen und in anderen Situationen, in denen jemand nicht selbst über die Art und Weise seiner Stimmrechtausübung entscheiden kann. Da der Gesetzgeber die Stimmrechtermächtigung und damit auch die Möglichkeit zur Erteilung von Weisungen und die Rechtslehre die Zulässigkeit von Abstimmungsvereinbarungen anerkannt hat, müssen hieraus auch die Konsequenzen gezogen und die uneinheitliche Abstimmung, die eine Folge solcher Bindungen sein kann, zugelassen werden. Zu diesen Gründen kommen dann noch jene, die aus der Selbständigkeit des in jeder einzelnen Aktie enthaltenen Stimmrechts abgeleitet werden können; denn jede Aktie vermittelt für sich Mitgliedschaftsrechte und mehrfache Mitgliedschaft, somit mehrfaches Recht; Saenger, S. 215. Auch dogmatisch kann daher nichts gegen ein mehrfaches und zwar hinsichtlich jeder Aktie unabhängiges Stimmrecht eingewendet werden: Die Banken sind daher nicht gehindert, den Weisungen ihrer Kunden auch dann nachzukommen, wenn diese Weisungen eine Stimmausübung erfordern, die der von den Banken beabsichtigten und in den weisungslosen Fällen auch ausgeübten Stimmabgabe zuwiderläuft.
Siehe Anhang III.
13a) Die Stimmrechtsermächtigung wird bekanntlich stets bezüglich derjenigen Aktien erteilt, die die Bank bereits in ihrem Depot hat oder welche sie gleichzeitig zur Verwahrung erhält. Die Ermächtigung stellt also, streng genommen, eine Erweiterung des bereits bestehenden Depotvertrages dar. Da durch die Stimmrechtsermächtigung jedoch die Rechte und Pflichten der Bank erheblich erweitert werden, reichen die Regelungen für den Depotvertrag nicht aus, es müssen vielmehr ergänzende Vereinbarungen getroffen werden. Dadurch entsteht ein aus Depotvertrag und Ermächtigung gemischtes Vertragsverhältnis. Nach den von der Lehre entwickelten Grundsätzen über die gemischttypischen Verträge (vgl. Larenz S. 4) ist bei dem Zusammentreffen mehrerer Vertragstypen je nach der Eigenart des Vertragsverhältnisses zu prüfen, welche Vorschriften anwendbar sind. In diesem Sinne wird eine Qualifizierung des Innenverhältnisses insoweit versucht, als seine Regelungen über die des Depotvertrages hinausgehen.
Im Normalfall kommt mit der Entgegennahme einer Vollmacht oder einer Ermächtigung ein Auftragsverhältnis zustande; RGRK, § 662 Anm. 2.
Daß die Anmeldung gem. § 110 AktG und die Stimmabgabe in der Hauptversammlung eine hinreichend deutliche Betätigung des Annahmewillens darstellen, dürfte nicht zweifelhaft sein. Diese Betätigung ist auch bei § 151 BGB notwendig, da diese Norm nur von der Empfangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung, nicht aber von der Notwendigkeit der Annahme selbst entbindet; Soergel, § 151 Anm. 1 a.
RGRK vor § 662 Anm. 2.
Siehe S. 70 f.
RGRK § 662 Anm. 1 mit weiteren Nachweisen daselbst. Allerdings darf die Durchführung des Auftrags nicht dazu führen, daß den Interessen des Auftraggebers zuwider gehandelt wird.
RGRK § 666 Anm. 3 am Ende.
RGRK § 665 Anm. 2.
Diese „Stimmabgabe“ kann auch eine Stimmenthaltung sein, falls sowohl das Eintreten für als auch die Opposition gegen einen Hauptversammlungsbeschluß Interessen des Kunden verletzten. Dies dürfte jedoch ein theoretischer Fall sein.
Zum Begriff und zu den Rechtsfolgen des Verbots des „venire contra factum proprium“ vgl. Soergel, § 242 C I 4 unter Hinweis auf Riezlers gleichnamige Schrift von 1912, ferner RGZ 144/378 (383), 129/252 (259), 108/106 (110).
22a) Anderer Ansicht ist offenbar Möhring, S. 89.
Vgl. zur positiven Vertragsverletzung und zur Streitfrage ihrer Rechtsgrundlage, ob § 276 BGB oder allgemeine Rechtsgrundsätze, Staudinger-Werner, 9. Aufl., Vorbem. zu §§ 275 ff. Anm. C. I.
Vgl. Enneccerus-Lehmann, § 17 I.
Von diesem Satz wird auch im Bereich der Verträge zugunsten Dritter keine Ausnahme gemacht, denn der Dritte kann nur Ersatz nach §§ 280, 286 ff. BGB für den Schaden verlangen, der ihm aus der Nicht- oder Spätererfüllung seiner Forderung erwächst, vgl Palandt, Kurzkommentar zum BGB, 15. Aufl., 1956, § 335 Anm. 2. Er ist dagegen nicht in der Lage, Schadenersatzansprüche aus der Verletzung von Vertragspflichten abzuleiten, die der Versprechende nicht ihm, sondern nur dem Versprechungsempfänger gegenüber übernommen hat. Denn durch den Vertrag zugunsten Dritter kommt zwischen dem Versprechenden und dem Dritten kein Vertrag, sondern nur ein vertragsähnliches Verhältnis zustande, kraft dessen der Dritte etwas von dem Versprechenden fordern kann; vgl. RGRK, § 328 Anm. 1. Der Schadenersatzanspruch des Dritten kann sich also auch hier immer nur aus der Forderung entwickeln, die ihm selbst zusteht.
Daß die Banken ohne Weisungen des Kunden Opposition in einer Hauptversammlung betreiben, ist auch deshalb von theoretischer Bedeutung, weil die Banken sich in Ziff. 6 der Grundsätze verpflichtet haben, Opposition nur auf Weisung des Kunden zu betreiben, und sie sich hieran in der Praxis auch halten.
§ 101 Abs. 7 AktG stünde einem Schadenersatzanspruch eines Aktionärs gegen die ermächtigte Bank aus Vertragsverletzung nie entgegen. Diese Bestimmung schließt — nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes — Schadenersatzansprüche nur insoweit aus, als sie auf § 101 Abs. 1 AktG gestützt werden. Nur dann, wenn der Sondertatbestand des § 101 Abs. 1 AktG durch Stimmrechtsausübung verwirklicht wird, greift § 101 Abs. 7 AktG ein und verweist den Aktionär auf die Anfechtungsklage. Deshalb sind z. B. gegen den Abstimmenden trotz § 101 Abs. 7 AktG Ansprüche aus § 826 BGB möglich, wenn dessen Tatbestand durch eine bestimmte Stimmabgabe verwirklicht wird; vgl. BGH in LM § 197 AktG Nr. 1, Gadow, § 101 Anm. 16, Godin, Anm. I, Hueck, AktG, § 101 Anm. 1 Da hier der Schadenersatzanspruch nicht aus § 101 Abs. 1 AktG, sondern aus einer Vertragsverletzung hergeleitet wird, steht ihm § 101 Abs. 7 AktG nicht entgegen.
RGRK § 664 Anm. 4.
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Busse, A. (1962). Interessenkollisionen und Innenverhältnis. In: Depotstimmrecht der Banken. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98752-5_5
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