Zusammenfassung
Bis zu einem gewissen Grade ist es berechtigt, die katholischen Gesellenvereine, die Kolping um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründete, als Vorläufer der christlichen Gewerkschaften anzusehen.166 Sie waren jedoch eher gesellige Vereinigungen 167 als Gewerkschaften, befaßten sich nicht mit Lohnkämpfen, sondern wollten Handwerksburschen und Arbeiter geistig und religiös betreuen und ihnen eine Heimat geben.168 Die Not des Industrieproletariats veranlaßte eine Reihe von katholischen Geistlichen aus dem Rheinland, sich der Arbeiter anzunehmen und sie in Vereine zusammenzufassen. Ihren bedeutendsten Förderer fanden die arbeiterfreundlichen Bestrebungen im Bischof von Mainz, Wilhelm von Ketteler,189 dessen Interesse für Produktions-Genossenschaften ihn auch veranlaßte, sich an Lassalle zu wenden.170
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Literatur
Dazu vgl. Walter Neumann, Die Gewerkschaften im Ruhrgebiet. Voraussetzungen, Entwicklung und Wirksamkeit, Köln 1951, S. 43.
Bebel erzählt mit Freude von seinen Erlebnissen im katholisdien Gesellenverein von Salzburg, dem viele protestantische Handwerksburschen angehört hatten; Aus meinem Leben (Anm. 1), I, S. 44 f.
Vgl. den Auszug aus Kolpings Broschüre: Der Gesellenverein,in: Ernst Sdhraepler, Quellen zur Geschichte der sozialen Frage in Deutsdsland, Bd. I: 1800–1870,Göttingen 1955, S. 93 ff.
Ich habe mein ganzes Leben dem Dienste des armen Volkes gewidmet, und je mehr ich es kennen gelernt, desto mehr habe ich es lieben gelernt…’.Leichenrede am Grabe der am 18. September 1848 zu Frankfurt a. M. gewaltsam ermordeten und der im Kampfe gegen die Aufständischen Gefallenen`, in: Wilhelm Emmanuel von Kettelers Schrif ten, ausgew. und hrsgg. von Johannes Mumbauer, 2. Aufl., Bd. II, Kempten 1924, S. 188. Bei Emil Ritter, Die katholisch-soziale Bewegung Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert und der Volksverein,Köln 1954, S. 93, ungenau zitiert.
Ritter, a. a. 0., S. 96 f. Ketteler setzte sich in seiner Schrift Die Arbeiter(rage und das Christentum, Mainz 1864, S. 62 ff., kritisch mit den Lassallesdhen Anschauungen auseinander.
August Erdmann, Die christliche Arbeiterbewegung in Deutschland,Stuttgart 1908, S. 292.
Ritter (Anm. 169), S. 228 f. Ritter identifiziert sich mit der anti-sozialdemokratischen Haltung der christlich-sozialen Bewegung und stellt sie sehr oft heraus (s. S. 28; S.68; S. 142; S. 175; S. 215; S. 281; S. 283 ).
Schon während des Bergarbeiterstreiks von 1889 hatten katholische Kreise die Partei der Arbeiter ergriffen. Vgl. L. Lensing, Der große Bergarbeiterstreik des Jahres 1889 im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier, Dortmund o. J. [etwa 1890 ].
Vgl. Koch (Anm. 5). Altere Quellen: Heinrich Imbusdh, 25 Jahre Gewerkverein christlicher Bergarbeiter,Essen 1919; Hue (Anm. 28); ders., Die Bergarbeiter,2. Bde., Stuttgart 1910/13. Hue, selbst Sozialdemokrat, war, wie erwähnt, ein Verfechter der gewerkschaftlichen Neutralität, ein,Nur-Gewerkschafter“.
Darüber klagt der christliche Gewerkschaftsführer Heinrich Imbusdh, Arbeitsverhältnis und Arbeiterorganisationen im deutschen Bergbau, Essen o. J. [ 1909 ], S. 481.
Adam Stegerwald, 25 Jahre christliche Gewerkschaftsbewegung 1899–1924,Berlin-Wilmersdorf 1924, S. 5.
Vgl. die Streitschrift von Ludwig Rexhäuser, Die christlichen Gewerkschaften. Zur Geschichte der Arbeiterzersplitterung in Deutschland, Leipzig o. J. [um 1909 ].
Vgl. Lederer-Marsdhak (Anm. 123), S. 139 f.
Vgl. die Angaben u. im Anhang.
Vgl. die,Leitsätze` in: Geschichte und Entwicklung der christlichen Gewerkschaften Deutschlands nebst Protokoll des 111. Kongresses zu Krefeld,o. 0., 1901, S. 10 ff.
Dazu s. die kleine, aber aufschlußreiche und klare programmatische Schrift: Christliche Gewerkvereine. Ihre Aufgabe und Tätigkeit,3. Aufl., M.-Gladbach 1900. Dagegen bleibt die Dissertation von Isabella Badter: Die christlichen Gewerkschaften und ihre Stellung zum „Kapitalistischen Geist`,Köln 1927, an der Oberfläche und vermittelt kaum Einsichten.
Leitsätze` (Anm. 180).
Christliche Gewerkvereine (Anm. 181), S. 34.
A. a. O., S. 35.
In einer anonymen, militant katholischen Schrift, die sich sehr kritisch mit der in Anm. 181 zitierten Broschüre auseinandersetzt, wird als Klassenkampf,jeder Versuch’ bezeichnet,,durch wirtschaftliche Macht oder Gewalt die zwischen den beiden Klassen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf dem Spiele stehenden Rechte und Pflichten abgrenzen zu wollen’. Der Verfasser, der den Klassenkampf schärfstens ablehnt, bezieht sich hierbei ausdrücklich auf die christlichen Gewerkschaften: Der katholische Geistliche in der modernen Arbeiterbewegung. Vortrag, gehalten auf einer Kleriker-Konferenz im Juni 1907, Berlin 1907, S. 31.
Christliche Gewerkvereine (Anm. 181), S. 27.
Trotz Rerum novarum war den meisten katholischen Arbeitgebern die Sozialpolitik ebenso zuwider wie den liberalen, und der Volksverein, der sich zur Aufgabe machte, sie,voranzutreiben`, war in ihren Augen ein Friedensstörer. Am wenigsten konnten sie ihm verzeihen, daß er auch noch die Christlichen Gewerkschaften durch dick und dünn verteidigte…` Ritter (Anm. 169), S. 206. Vgl. auch Imbusch, 25 Jahre… (Anm. 174), S. 465 ff.
Vgl. August Erdmann (Anm. 171), S. 507 ff.
Vgl. die Ausführungen von Geheimrat Kirdorf auf der Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik 1905 in Mannheim über die christlichen Gewerkschaften:,Dann ist mir doch die sozialdemokratische Organisation noch lieber. Die kämpft offen, wohin sie zielt, auf den Umsturz. Die christliche Organisation kämpft unter falscher Flagge, unter dem Mäntelchen christlicher Liebe und Eintracht und steuert schlimmeren Zielen zu. Sie weiß ganz genau, daß, wenn die Sozialdemokratie ihr Ziel erreicht hat, den Umsturz und die sozialistische Gesellschaft, diese nicht von langer Dauer ist, und dann rechnet sie darauf, daß sie die Herrschaft bekommt, und dann wird nicht allein die Industrie von ihr geknechtet, sondern auch die ganze Geistesfreiheit.` Zitiert nach August Erdmann, a. a. 0., S. 530.
So der Verfasser von Der katholische Geistliche… (Anm. 185), S. 27 f. Ein im Kampf gegen die Gewerkschaften von klerikaler Seite gebrauchtes Argument war: „Knecht muß Knecht bleiben!`
Eingehende Darstellung bei Ritter (Anm. 169), S. 313 ff.; s. auch Stegerwald (Anm. 176), S. 12 ff.
Kardinal Kopp sprach von der „Verseuchung des Westens° mit Interkonfessionalismus. Ritter, a. a. 0., S. 327.
A. a. O., S. 328.
Vgl. hierzu und zum Folgenden: Helga Grebing, Zentrum und katholische Arbeiterschaft 1918–1933. Ein Beitrag zur Geschichte des Zentrums in der Weimarer Republik,Diss. Berlin 1952, S. 12 ff.
Ein deutliches Bild von der Unzufriedenheit der Arbeiter mit dem rechten, konservativen Zentrumsflügel, der sie nach ihrer Meinung zugunsten der Bauern vernachlässigt, gibt eine Tagung der „Arbeiter-Zentrumswähler“: Bericht über die erste Tagung der Arbeiter-Zentrumswähler Westdeutschlands in Bochum am 23. Juni 1918, Krefeld o. J. [ 1918 ].
Im November 1918 schlossen sich alle nichtsozialistischen Gewerkschaften zum Deutsch-Demokratischen Gewerkschaftsbund zusammen. Es war eine politische, gegen die Sozialdemokratie gerichtete Gründung, der auch die nicht allzu demokratischen Deutschnationalen Handlungsgehilfen angehörten. Schon im März 1919 wurde der Name in Deutscher Gewerkschaftsbund umgeändert. Im November schieden die Hirsch-Dunckerschen Gewerbevereine aus dem Bund aus, der sehr bald begonnen hatte, sich nach rechts zu entwickeln. Der erste Vorsitzende war Adam Stegerwald; ihm folgte Heinrich Imbusch. Vgl. Josef Deutz, Adam Stegerwald. Gewerkschafter — Politiker — Minister 1874–1945. Ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Gewerkschaf ten in Deutschland,Köln 1952, S. 78 ff.
Eine gute Zusammenfassung der Politik der christlichen Gewerkschaften zwischen 1918 und 1919 bei Varain (Anm. 75), S. 165 ff.
Deutz (Anm. 196), S. 63 f.
Vgl. die Diskussion auf dem Kongreß von 1920: Protokoll der Verhandlungen des 10. Kongresses der christlichen Gewerkschaften Deutschlands,Essen 1920.
Vgl. Grebing (Anm. 194), insbes. S. 85 ff.
Rosenbergs (Geschichte der deutschen Republik,Anm. 103, S. 144) Bemerkung über den,zu allen möglidhen Diktatur-Experimenten bereiten Gewerkschaftsflügel“ des Zentrums ist in ihrer Allgemeinheit ungerechtfertigt.
Grebing (Anm. 194), S. 253 ff.
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Hirsch-Weber, W. (1959). Die Christlichen Gewerkschaften. In: Gewerkschaften in der Politik. Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98443-2_3
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